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Die ersten Dresdner »Spaziergänge« von PEGIDA haben seit Oktober 2014 einen regen politischen und medialen Diskurs zur Bedeutung und zum Umgang mit dieser Bewegung provoziert. Seither wurden vielfältige sozialwissenschaftliche Anstrengungen unternommen, dieses in seiner Dimension unerwartete und dynamische soziale Phänomen zu beschreiben und zu verstehen. Nach zweijähriger Präsenz von PEGIDA und einer Vielzahl von Einzelpublikationen gibt dieser Sammelband als Beitrag zu einer Public Sociology erstmals einen umfassenden und pointierten Überblick über die Vielzahl der aktuellen Untersuchungen…mehr

Produktbeschreibung
Die ersten Dresdner »Spaziergänge« von PEGIDA haben seit Oktober 2014 einen regen politischen und medialen Diskurs zur Bedeutung und zum Umgang mit dieser Bewegung provoziert. Seither wurden vielfältige sozialwissenschaftliche Anstrengungen unternommen, dieses in seiner Dimension unerwartete und dynamische soziale Phänomen zu beschreiben und zu verstehen. Nach zweijähriger Präsenz von PEGIDA und einer Vielzahl von Einzelpublikationen gibt dieser Sammelband als Beitrag zu einer Public Sociology erstmals einen umfassenden und pointierten Überblick über die Vielzahl der aktuellen Untersuchungen und Deutungen.Mit Beiträgen u.a. von Heinz Bude, Klaus Dörre, Joachim Fischer, Lars Geiges, Hans-Joachim Maaz, Werner J. Patzelt, Karl-Siegbert Rehberg, Karl-Heinz Reuband, Hartmut Rosa, Dieter Rucht, Britta Schellenberg, Ingo Schulze und Hans Vorländer.
Autorenporträt
Rehberg, Karl-SiegbertKarl-Siegbert Rehberg (Prof. Dr. phil. habil.) hat eine Forschungsprofessur für Soziologische Theorie, Theoriegeschichte und Kultursoziologie an der Technischen Universität Dresden inne. Von 2003 bis 2007 war er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Seit 2010 ist er Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien e.V.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2017

Orientierungslose Enttäuschte?
Die Dresdner Pegida-Protestbewegung wird vielfältig durchleuchtet

Vor mehr als zwei Jahren, am 20. Oktober 2014, begann Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") in Dresden mit "Abendspaziergängen", vor fast einem Jahr, am 30. November 2015, fand im Dresdner Residenzschloss ein gut besuchtes Forum zu dieser Bewegung statt. Um das Urteil vorwegzunehmen: Der Sammelband mit den ausgearbeiteten Referaten und weiteren Texten - 23 Beiträge von 27 Autoren, vornehmlich Politologen und Soziologen - überzeugt durch die thesenartige Anlage und die Präsentation von Kontroversen.

Gewiss, die Positionen von Lars Geiges, Werner J. Patzelt, Karl-Heinz Reuband, Frank Richter, Dieter Rucht und Hans Vorländer sind bekannt - gleichwohl reizt der Vergleich zwischen ihnen. Disziplinen wie Politikwissenschaft und Soziologie haben aufgrund starker Selbstreferenzialität an Reputation verloren, doch beim Pegida-Phänomen, in der Bundesrepublik Deutschland wohl die erste Neue Soziale Bewegung von rechts, sind sie am "Puls der Zeit". Der umfassend-informativen Einleitung des Dresdner Soziologen Karl-Siegbert Rehberg - zum einen in die Thematik, zum anderen in die Struktur des Bandes - folgen dichte Analysen zu Pegida von Dresdnern und von Nichtdresdnern, zur mitunter alarmistischen Rolle der Massenmedien (laut des Kommunikationswissenschaftlers Lutz M. Hagen ist die Medienkritik von Pegida zwar stark überzogen, aber nicht völlig unberechtigt), zu gesellschaftlichen Krisen (nach dem Jenaer Kapitalismuskritiker Klaus Dörre kann nur "demokratischer Klassenkampf" Rechtspopulismus entmachten) und zur bedrohten Demokratie.

Hier ragt Frank Richters Text heraus: Die politisch Verantwortlichen müssen in Not geratenen Menschen helfen sowie einen Diskurs über Migration, Flucht und Asyl führen. Konflikte seien "der Normalfall der Demokratie". Der Verfasser, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, hatte sich bereits in der SED-Diktatur erfolgreich für einen "Dialog" eingesetzt, wie jetzt zwischen Pegida-Anhängern mit ihrem technokratisch-autoritären Politikverständnis und ihren Kritikern. Streitkultur sei ebenso wenig entfaltet wie ein Sinn für Kompromisse: "Das Schema ,Links gegen Rechts; Rechts gegen Links' ist ausgeprägt."

Die zutreffende Tendenz vieler Beiträgen: Die Pegida-Bewegung, die sich radikalisiert hat, profitierte nicht von der Flüchtlingskrise, jedoch die AfD. Der trotzige Protest verlagere sich von der Straße in die Parlamente. Mehrere Autoren stellen die Frage nach der zentralen Rolle Dresdens, wobei Rehberg zu Recht zwischen "Bühne" und "Quelle" unterscheidet. Joachim Fischer, abermals ein Dresdner Soziologe, wendet sich gegen die verbreitete "Pädagogisierung, Pathologisierung und Psychiatrisierung Dresdens". Er benennt drei andere Streitpunkte mit Dresden im Mittelpunkt: die Initiative zugunsten der deutschen Einheit anlässlich des Kohl-Besuchs im Dezember 1989; die Initiative zum Wiederaufbau der Frauenkirche als Zeichen bürgerschaftlichen Engagements für eine okzidentale Stadtgestalt; die Initiative für eine angemessene Kultur des Gedenkens an die Zerstörung der Stadt im Februar 1945.

In den abschließenden Essays des Dresdner Publizisten Michael Bittner, des Kasseler Soziologen Heinz Bude, des Hallenser Psychotherapeuten Hans-Joachim Maaz und des Berliner Schriftstellers Ingo Schulze kommen unterschiedliche Positionen zur Sprache, zumal bei Bittner und Maaz. Bittner, der in den "sächsischen Verhältnissen" die Gefahr eines autoritären Rückfalls befürchtet, unterscheidet vier globale, nationale, regionale und lokale Ebenen voneinander. Die These von der "Repräsentationslücke" (Werner J. Patzelt) als Ursache für die Pegida-Bewegung treffe nicht zu, da gerade in Sachsen Akteure aus dem rechten Spektrum dominierten. Maaz, vehement gegen eine Ausgrenzung Andersdenkender argumentierend, erblickt bei den Demonstranten individuelle (Orientierungslosigkeit), soziale (Enttäuschung über das neue Wertesystem) und gesellschaftliche Motive (Politik-, System- und Kapitalismuskritik). Während für Bittner Medien übertrieben vor dem Anwachsen von "Parallelgesellschaften" warnen und Pegida in Vorurteilen bestärken, nimmt Maaz eine unfaire Berichterstattung gegenüber den Protestlern wahr. Beide kritisieren stigmatisierenden Gegenprotest. Dieser wichtige Aspekt - die Interaktion zwischen Pegida und NoPegida - kommt zu knapp weg.

Der Reader weist einen weiteren Schönheitsfehler auf. Im Titel ist von "Rechtspopulismus" die Rede, in einer Kapitelüberschrift, in mehreren Überschriften und in fast allen Texten taucht dieses Signalwort auf. Nur wird es fast nirgendwo näher erläutert. Der Dresdner Soziologe Jost Halfmann, eine Ausnahme, hält die gängige Definition (Volk als Antipode politischer Eliten), welche die repräsentative Demokratie als normativen Bezugspunkt ansieht, nicht für sonderlich weiterführend, um den heftigen Protest zu erklären. Pegida, nativistisch ausgerichtet, protestiere gegen die Erosion des traditionellen Verständnisses von Volk, da Flüchtlinge und andere Nichtdeutsche, deren Zahl stark gestiegen sei, staatliche Dienstleistungen in gleichem Maße beanspruchten.

Wer sich über Pegida vielfältig informieren will, ist mit diesem Sammelwerk von Karl-Siegbert Rehberg und seiner Mitarbeiter gut bedient. Wäre es eine Monographie, würde der Rezensent Widersprüche monieren; so aber findet er die unterschiedlichen Perspektiven reizvoll und anregend.

ECKHARD JESSE.

Karl-Siegbert Rehberg/Franziska Kunz/Tino Schlinzig (Herausgeber): Pegida. Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und "Wende"-Enttäuschung? Analysen im Überblick. transcript Verlag, Bielefeld 2016. 377 S., 29,99 [Euro].

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»Der Band [ist] facettenreich und auch methodisch äußerst heterogen. Man [kann] wohl beanspruchen, nach der Lektüre über ein bibliographisches Wissen der deutschen Pegida-Diskussion zu verfügen.« Felix Schilk, Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 30/3 (2017) »Eine hervorragende Einführung in die Analyse der Entwicklung rechtspopulistischer Bewegungen und den notwendigen gesellschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Diskurs über Entstehung der Wünsche nach autoritären politischen Systemen und Lösungen.« Klaus Waldmann, Außerschulische Bildung, 1 (2018) »Lesenswert und für die Lehre geeignet. Der Band zeigt in aufgeregten populistischen Zeiten, wie auch gänzlich unterschiedliche Ansätze im Sinne von Forschungspluralismus und Sachdiskurs ohne Alleinvertretungsanspruch koexistieren können.« Matthias Quent, Soziologische Revue, 40/4 (2017) »Besonders attraktiv [...] ist der Sammelband durch die thesenhafte Zuspitzung. So deutlich über die reine Deskription hinauszugehen, erfordert Mut - dieser Mut aber ist essentiell, um einen echten Beitrag für den öffentlichen Diskurs über das Phänomen Pegida leisten zu können.« Petra Hemmelmann, Politikum, 2 (2017) »Ein facettenreicher Überblick.« Börsenblatt, 11 (2017) »Insgesamt bietet der Band erstmals einen pointierten Überblick über die Vielzahl der aktuellen Untersuchungen und Deutungen des Phänomens PEGIDA.« Michael Rohschürmann, Portal für Politikwissenschaft, 11.01.2017 »Wer sich über Pegida vielfältig informieren will, ist mit diesem Sammelwerk gut bedient.« Eckhard Jesse, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.01.2017 »Es liegt auf der Hand, dass es sich hier um keinen leichten Schmöker handelt. Genauso muss man das Buch aber auch nicht erst zur Lektüre empfehlen. Es empfiehlt sich von selbst.« Fundraiser-Magazin, 6 (2016) »Dieses Buch [...] ist sowohl für die Einstiegslektüre als auch für vertiefende Betrachtungen des Phänomens. Es ist die z. Zt. wohl umfangreichste und ergiebigste Darstellung von PEGIDA. Ein sehr wichtiger Beitrag.« Maurice Schumann, www.cultureglobe.de, 09.11.2016 »In der Breite der Herangehensweise und dem Informationsgehalt mit unterschiedlicher Perspektive liegen die Stärken des Sammelbandes.« Armin Pfahl-Traughber, Humanistischer Pressedienst, 28.10.2016 Besprochen in: http://bundesjustizportal.de, 27.09.2016 IDA-NRW, 22/3 (2016) der Freitag, 42 (2016), Sophie Elmenthaler www.socialnet.de, 07.12.2016, Martin Seeliger ZPID PSYNDEX 2016 ekz, 5 (2017), Eva-Maria Eberle Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 3 (2017), Felix Korsch analyse & kritik, 18.04.2017, Sebastian Friedrich Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 29 (2017), Wolfgang Frindte…mehr