Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 6,89 €
  • Audio CD

Ein furioses Werk über das Ende eines Idylls - kraftvoll und überragend.
Joni Sigerius (Susanne Wolff), Stieftochter eines angesehenen Mathematikers und Rektors einer holländischen Universität, hat zusammen mit ihrem Freund Aaron (Benno Fürmann) ein Unternehmen aufgezogen, das sie vor anderen lieber geheim halten will. Als es auffliegt, fliegt wenig später in der Stadt Enschede, in der die Familie lebt, auch eine Feuerwerksfabrik in die Luft. Für Siem Sigerius (Axel Milberg) schlägt das plötzliche Wissen ein wie eine Bombe, erschüttert den Boden, auf dem er vermeintlich mit beiden Beinen…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Ein furioses Werk über das Ende eines Idylls - kraftvoll und überragend.

Joni Sigerius (Susanne Wolff), Stieftochter eines angesehenen Mathematikers und Rektors einer holländischen Universität, hat zusammen mit ihrem Freund Aaron (Benno Fürmann) ein Unternehmen aufgezogen, das sie vor anderen lieber geheim halten will. Als es auffliegt, fliegt wenig später in der Stadt Enschede, in der die Familie lebt, auch eine Feuerwerksfabrik in die Luft. Für Siem Sigerius (Axel Milberg) schlägt das plötzliche Wissen ein wie eine Bombe, erschüttert den Boden, auf dem er vermeintlich mit beiden Beinen steht. Da im Sommer desselben Jahres auch noch sein Sohn aus der Haft entlassen wird, bleibt in der Familie kein Stein mehr auf dem anderen: Ist Nähe ein Garant dafür, dass man einander auch vertraut?

Bonita Avenue - benannt nach einer Straße in Kalifornien, wo die Familie in früheren Jahren glücklich lebte - ist ein mitreißender, reich nuancierter, kraftvoll-bildhafter Roman über das Auseinanderbrechen einer Patchworkfamilie, über einen Vater, dessen Kinder die Erwartungen, die er an sie stellt, durchkreuzen, über Familien - geheimnisse, Wahrheit und Lüge, Schein und Sein.

(12 CDs, Laufzeit: 15h)

Autorenporträt
Peter Buwalda, 1971 in Brüssel geboren, arbeitete für eine Musikzeitschrift, bevor er seinen ersten Roman schrieb und freier Schriftsteller wurde. Peter Buwalda lebt in Haarlem.
Trackliste
CD 1
1Bonita Avenue00:07:18
2Bonita Avenue00:09:39
3Bonita Avenue00:08:53
4Bonita Avenue00:08:51
5Bonita Avenue00:09:53
6Bonita Avenue00:12:08
7Bonita Avenue00:09:03
8Bonita Avenue00:06:59
9Bonita Avenue00:06:06
CD 2
1Bonita Avenue00:11:09
2Bonita Avenue00:11:46
3Bonita Avenue00:09:49
4Bonita Avenue00:08:37
5Bonita Avenue00:09:47
6Bonita Avenue00:07:41
7Bonita Avenue00:10:04
CD 3
1Bonita Avenue00:09:20
2Bonita Avenue00:09:43
3Bonita Avenue00:09:43
4Bonita Avenue00:09:01
5Bonita Avenue00:07:57
6Bonita Avenue00:06:47
7Bonita Avenue00:07:15
8Bonita Avenue00:09:39
9Bonita Avenue00:05:13
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Die Handlungen krass, die Figuren extrem, eine gewaltige Familientragödie aus drei Perspektiven erzählt von drei guten bis sehr guten Sprechern: Susanne Wolff, Benno Fürmann, Axel Milberg, Letzterer wie immer variabel und äußerst virtuos. Doch passen die männlichen Stimmen zu den Charakteren, die sie verkörpern? Die sich dramatisch zuspitzenden Geschehnisse drehen sich um die Familie des niederländischen Rektors und Mathematikprofessors Siem Sigerius - ein Judokämpfer mit "büffelartigem" Körper, präsentiert von Milbergs eher feiner Stimme. Das korrespondiert nicht. Der wenig selbstbewusste, labile Freund der Tochter präsentiert von Fürmanns dunkler markanter Stimme. Das verwirrt. Ganz unabhängig von der ausgezeichneten Sprechleistung.

Die Geschichte - extraordinär und faszinierend. Die Charaktere - extravagant und überspannt, dennoch mit Charakterzügen, die jeder aus dem Alltag kennt. Der bullige Rektor hat scheinbar alles im Griff. Bis seine Kinder sein Leben zum Einsturz bringen: ein krimineller Sohn aus erster Ehe und eine Tochter auf sexuellen Abwegen, deren Freund am Ende psychotisch. Die Explosion einer Feuerwerksfabrik rüttelt die Patchwork-  Familie durcheinander.

© BÜCHERmagazin, Sabine Stamer (sta)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2013

Und drinnen schleift und sägt die züchtige Hausfrau
Wälder brennen, Knochen krachen: Peter Buwalda lässt in seinem gefeierten Debütroman "Bonita Avenue" eine Familie im großen Stil in die Brüche gehen

Wenn man pornographisches Schreiben als etwas versteht, bei dem es allgemein nicht um Sublimation, sondern um Stimulation geht, dann hat Peter Buwalda einen fast siebenhundert Seiten langen Porno geschrieben. In den Niederlanden ist er damit sagenhaft erfolgreich gewesen. Zahlreiche nationale Literaturpreise wurden dem Debütanten zuerkannt. Eine auf dem Buchrücken zitierte englische Tageszeitung bringt den unvermeidlichen Vergleich mit Jonathan Franzen, denn auch Buwalda hatte wohl ursprünglich vor, einen psychologisch komplexen Familienroman zu schreiben.

Die Figurenkonstellation ist in der Tat vielversprechend: Siem Sigerius ist ein anerkannter Hochschulrektor mit Berkeley-Background (Knot-Theory) und Judoka-Vergangenheit (Blumenkohlohren). Mutter Tineke führt ein phlegmatisches Dasein an der Seite ihres Mannes, wenn sie nicht gerade Einrichtungsgegenstände am hauseigenen Schwingschleifer bearbeitet. Zwei von Tineke mit in die Ehe gebrachte Töchter, Joni und Janis, bilden die Ebene der kritischen Generation. Der latent inzestuöse Konflikt zwischen dem Adoptivvater und seiner ältesten Tochter Joni ergibt sich aus dieser wahlverwandtschaftlichen Lage nahezu von selbst. Doch bis es zur Entfaltung dieses Skandalmaterials kommt, fliegt erst einmal eine Fabrik in die Luft. Mit der Druckwelle, die tatsächlich im Jahr 2000 ein ganzes Stadtviertel der niederländischen Stadt Enschede unbewohnbar gemacht hatte, begannen die Dinge aus dem Ruder zu laufen.

So sieht es rückblickend Aaron, Jonis Jugendfreund - und ihr ehemaliger, nun ja, Geschäftspartner. Er lebt zu Beginn des Romans allerdings als Psychotiker in Belgien. Offensichtlich, so erfährt man aus seinen nicht eben zuverlässigen Erinnerungen, war die Explosion der Firma S. E. Fireworks eine Art Urknall, der eine Reihe von Folgedetonationen im Leben der Akademikerfamilie auslöst. Bald schon kommt ans Licht, dass Joni und Aaron eine Porno-Seite im Internet betrieben haben. Wir schreiben das letzte Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts, das "Internet" hat noch nicht sehr viel mehr zu bieten als Schweinekram. Dass man es in dieser frühen Phase der Digitalisierung damit zu einer Yacht im Hafen von Saint-Maxime bringen konnte, erfährt man in der Mitte des Buches.

Nun sollte man die Sogwirkung des Romans nicht schmälern, indem man seine Handlung - so unwahrscheinlich auch immer - nacherzählt. Nur so viel: Sigerius deckt das schmutzige Geschäftsgeheimnis seiner Tochter auf, empfindet zu seinem Entsetzen nicht nur Ekel, sondern auch Lust dabei und verstrickt sich in einen Scham-Schuld-Komplex mit tödlichem Ausgang. Hinter allem steckt ein missratener leiblicher Sohn des alten Sigerius - ein Monstrum, das die Familie ohne erkennbares Motiv terrorisiert. So weit, so ungut. Doch was macht Buwalda aus dieser Lage? Wie gesagt: etwas, das man im weitläufigen Sinne als pornographisches Schreiben bezeichnen könnte.

Erste Anzeichen dafür, dass es dem Autor weniger um die Entwicklung seiner Figuren und sozialen Anordnungen geht als um deren unmittelbare Wirkungsästhetik, gibt es bei den Seitensträngen. Unmotivierte Detailinformationen haben fast immer eine pragmatische, nie eine poetologische Funktion. Sie werden drei-viermal wie Brotkrumen im Roman ausgestreut, um sich endlich einem Hauptstrang anzugliedern. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist Ehefrau Tineke, von der man nicht mehr erfährt, als dass sie dick und gutmütig ist. Es fällt einem schwer, sich diese Frau an einer Hobelbank vorzustellen, doch am Ende kommt ihre unwahrscheinliche Heimtischlerei doch noch zu ihrem Recht - in einer Splatterszene nämlich. Merke: Tineke musste Möbel bauen, damit in ihrer Tischlerei am Ende eine Leiche zersägt werden kann.

Zu respektabler Meisterschaft läuft Buwalda hingegen auf, wenn es um die Schilderung sinnlicher Vorgänge geht. Unablässlich splittern Verandatüren, fliegen Knallkörper in die Luft, brennen Wälder, krachen Knochen, eitern Wunden und sägen Sägen. Obwohl es im Kern der Sache um Sex geht, kommt der grundsätzlich nur in zwei Formen vor: Als Reden über Pornographie (Joni ist inzwischen in Kalifornien zu einer angesehenen Pornoproduzentin aufgestiegen) oder in Form von anfallartigen Ejakulationen. Diese künden in der Symbolik des Romans von nichts Gutem und stehen synonym für unerwünschten und meist folgenreichen Kontrollverlust. Selbst der Ort des Neuanfangs steht auf schwankendem Grund: Los Angeles, eine Stadt, "die jeden Moment wackelnd und bebend einstürzen und in einer Spalte verschwinden konnte". Die Bonita Avenue, in der Familie Sigerius vor Jahrzehnten ein paar unbeschwerte kalifornische Jahre während eines Forschungsaufenthaltes ihres Patriarchen in Berkeley verbracht hat, ist in unerreichbare Ferne gerückt. Ein Porno Valley, lehrt uns Filmproduzentin Joni, ist eben kein Ponyhof.

Was bleibt dem Roman? Rausch, Tabubruch, Manie als Zustandsbeschreibung. Sprache, die einen anfasst, schnell, gierig und ungalant. Die geheimen Triebwerke des Romans enthüllt Peter Buwalka seinen Lesern nicht wirklich, aber er stimuliert sie mächtig. Dass er beim Plot in Philip Roths "Amerikanischem Idyll" gewildert hat - vom Inzestmotiv bis hin zum aus der Art geschlagenen terroristischen Kind -, macht es nicht leichter, diesen Roman wirklich zu mögen. Peter Buwalda hält einen fast siebenhundert Seiten lang in Atem, ohne dass man am Ende genau versteht, warum. Er hat einen körperlich intensiven, phantastisch überdrehten, auf der Handlungsebene dann schwächelnden Text geschrieben. Sehr viele Leser in den Niederlanden haben das dem Debütanten verziehen. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass man einen zwischen zwei Buchdeckeln in Händen hält, in dem der Familienroman und mit ihm die Familie selbst heiß und gefährlich in die Atmosphäre katapultiert wird.

KATHARINA TEUTSCH.

Peter Buwalda: "Bonita Avenue". Übersetzt von Gregor Seferens.

Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. Geb., 640 S., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2013

Die Atriden von nebenan
Der Niederländer Peter Buwalda hat einen dystopischen Familienroman geschrieben, der sich selbst
aus den Angeln hebt. Doch zuvor huldigt „Bonita Avenue“ noch einmal dem todgeweihten Genre
VON CHRISTOPH BARTMANN
In Enschede ist bekanntlich am 13. Mai 2000 ein Lager mit Feuerwerkskörpern explodiert. 23 Personen kamen damals zu Tode, und ein ganzer Stadtteil wurde verwüstet. Enschede, der Name ließ zuvor an nichts Bestimmtes denken, am ehesten einfach nur an beschauliche niederländische Provinz, jedenfalls nicht an Katastrophen dieses Ausmaßes. Wenn das Unglück über vermeintliche Idyllen hereinbricht, dann setzt es den vorausgegangenen Zustand ins Unrecht. Irgendwie muss der Friede der Leute von Enschede ein falscher gewesen sein, und das Feuerwerksunglück so etwas wie der Einbruch des Realen. Ein banaler Gedanke zwar, aber doch nicht banal genug, um ihm nicht literarische Gestalt zu geben. Peter Buwalda hat einen dicken und in Holland sehr erfolgreichen Roman geschrieben, der die Explosion von Enschede als Allegorie heranzieht für ein anderes und vielleicht noch schlimmeres „Feuer unterm Dach“. Es geht um die ziemlich dysfunktionale Familie Sigerius, um Mord, Unzucht und, fast möchte man sagen, noch Schlimmeres.
  Es geht also um eine jener unglücklichen Familien, die nach Tolstois populärem Satz alle auf ihre eigene Weise unglücklich sind. So wenig der Satz sonst stimmen muss, hier findet er seine Berechtigung: die Familie Sigerius ist auf sehr eigene Weise unglücklich. Das macht es dann wieder schwer, in der Feuerwerkskatastrophen-Allegorie das notwendige Allgemeine zu entdecken. Was gäbe uns eine beliebige unglückliche niederländische Patchwork-Familie aus Enschede zu denken, wenn ihr Unglück nicht irgendwie Probleme der Zeit und der Gesellschaft reflektierte? Was sagt uns der Familienroman, wenn er nicht zugleich ein Gesellschaftsroman ist? Die niederländische Presse hat Buwalda sogleich als den niederländischen Jonathan Franzen gepriesen. Von Franzen kann man sagen, dass seine Familienromane auch Gesellschaftsromane sind. Auf Buwalda trifft das nicht zu. Er hat seinen Familienroman derart ins Extreme und Singuläre gesteigert, dass die Gesellschaft ringsum unsichtbar bleibt.
  Es kommt ja schon einiges zusammen bei Familie Sigerius. Um es so kurz wie möglich zu machen: Siem Sigerius ist ein hochberühmter Mathematiker und Wissenschaftspolitiker, zugleich Judoka und Jazzliebhaber. Sein Sohn Wilbert ist chronisch gewalttätig und sinnt nach abgebüßter Haft auf blutige Rache an seinem Vater, der ihm vor vielen Jahren großes Unrecht zugefügt haben soll. Seine Stieftochter Joni hat, gemeinsam mit ihrem depressiven Ehemann Aaron, in aller Heimlichkeit eine höchst erfolgreiche Internet-Pornoseite aufgebaut, bei der sie auch selbst als Darstellerin fungiert. Nun, im Jahr 2000, die Handlung springt vor und zurück, kommt Wilbert frei, Joni und Aaron trennen sich, Joni wird später nach Kalifornien ziehen, wo sie einst schon mit den Eltern glücklich an der Bonita Avenue lebte, und dort nach einem kurzen Intermezzo bei McKinsey wieder in die Pornoindustrie wechseln. Die Explosion von Enschede ist somit die Zentralachse, um die herum die wechselvollen Schicksale der Familie Sigerius gelegt sind – mit einer Tendenz von schlimm zu schlimmer. Auf den letzten etwa zweihundert Seiten steigert sich Buwalda dann in einen regelrechten Splatter-Rausch hinein. Es wird nach Herzenslust gemetzelt und gesägt, wie man das von einem niederländischen Familienroman nicht unbedingt erwartet hätte.
  In der Wahl seiner erzählerischen Mittel ist Buwald nicht zimperlich. Als hätte er etwas schreiben wollen, das die Mittelklasse-Realität von Enschede nicht nur trifft oder schildert, sondern während es sie trifft, auch schon in die Luft jagt. Die Feuerwerks-Metapher passt dann weniger auf das Erzählte als auf das Erzählen selbst: Hier will einer mit Gewalt und notfalls auch gegen alle Wahrscheinlichkeit die Verhältnisse aus dem Lot bringen. Die Familie Sigerius scheint dabei dann weniger der Gegenstand als nur das Mittel des Erzählens zu sein – irgendwer muss sich ja schließlich all die Gräuel zufügen, die der Autor erdacht hat. Das ist schade, weil damit die realistischen Erzähloptionen auf der Strecke bleiben.
  Fast denkt man, es sei Buwalda beim Schreiben irgendwann zu langweilig geworden. Immer nur falsches bürgerliches Stadtrandidyll beschreiben wie Updike oder Franzen reichte ihm offensichtlich nicht. Dabei kann Buwalda auch solche Verhältnisse anschaulich darstellen: „Während der ersten Monate nach der Scheidung von Margriet hatte sein ehemaliger Kumpel ihn geschnitten, doch nachdem Margret und Wilbert in die Dachkammer über Wijns Culemborger Sportschule gezogen waren, war die Atmosphäre grimmiger geworden. Feindlich. Jahrelang ließ Margriet ihren soliden, aber wütenden Bruder die Kastanien aus dem Feuer holen, Schwesterchen brauchte Geld, Schwesterchen musste zum Spirituosengeschäft.“ Kann man verstehen, wenn es ein Autor nach oder neben solcher Kleinmalerei aus dem Leben normaler Leute es auch mal richtig krachen lassen will? Vielleicht hat Peter Buwalda ja dem Genre des Epochen und Generationen überspannenden, in jedes Detail verliebten und deshalb überlangen Dysfunktionale-Familien-Epos den Garaus machen wollen.
  Vorher aber hat er dem todgeweihten Genre noch mal kräftig gehuldigt. Man könnte sich bei der Lektüre zu der These verleiten lassen, dass der Familienroman eine Gattung ist, bei der sich die Familienangehörigen vorzugsweise miteinander und übereinander unterhalten und streiten. Eine Außenwelt ist bei dieser dauernden Selbstbefassung kaum vorgesehen, und wenn, dann wird sie nur skizziert. Auch als Wissenschaftsminister kümmert sich Siem Sigerius vornehmlich um die Morddrohungen seines missratenen Sohnes, die ihm per SMS zugestellt werden und lässt dann die Parlamentsdebatte von einem „Double“ bestreiten. Das Problem der Familie Sigerius scheint es zu sein, dass sie keine anderen Probleme hat als sich selbst. Aber vielleicht ist ja auch das Absicht, und Buwalda liefert uns vor der Liquidation des Familienromans zuvor noch seine Pathologie. Es könnte aber auch sein, dass hier gar keine Absicht vorliegt, sondern dass Buwalda einfach beim Schreiben ein bisschen (oder eher: sehr weit) übers Ziel hinausgeschossen ist.
  Man fragt sich bei der Lektüre manchmal auch, warum einen eigentlich erfundene Figuren wie Siem Sigerius interessieren sollen. Muriel Spark schrieb einmal, es sei im modernen Roman schwierig, Figuren zu erschaffen, die Lesern etwas bedeuten. In demokratischen Zeiten seien alle Figuren tendenziell gleich uninteressant, mit einer Ausnahme: der Figur des Autors. Wir haben in „Bonita Avenue“ zwar erfahren dürfen, wer Siem Sigerius ist, nicht aber, wer Peter Buwalda ist. Das erfahren wir dann vielleicht in seinem nächsten Buch.
CHRISTOPH BARTMANN
Peter Buwalda: Bonita Avenue. Roman. Aus dem Niederländischen von Gregor Seferens. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 640 Seiten, 24,95 Euro.
Von schlimm zu schlimmer
verläuft hier die Eskalationsskala
der wechselvollen Schicksale
Sind in demokratischen Zeiten
alle Figuren gleichermaßen
uninteressant, außer dem Autor?
War das Feuerwerksunglück von Enschede so etwas wie die Vergeltung für einen falschen Frieden?
FOTO: OLIVER STRATMANN/DPA
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Toll gelesen von Susanne Wolff, Benno Fürmann und Axel Milberg!" Saarländischer Rundfunk