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Von der Sehnsucht nach einer staatsmännischen Leitfigur im 19. Jahrhundert.Michael Gamper befasst sich mit einer Figur, die im langen 19. Jahrhundert massive machtpolitische Bedeutung entfaltete und für die Geschichte des sozialen Imaginären dieser Epoche bedeutend war: dem »großen Mann«, wie er vor allem von Napoleon verkörpert, von Schleiermacher gefordert und von Treitschke beschrieben wurde.In diesem Buch geht es nicht darum, die Ereignisgeschichte der »großen Männer« zu rehabilitieren. Vielmehr legt Gamper überzeugend und souverän aus einer großen Materialfülle schöpfend dar, wie sich in…mehr

Produktbeschreibung
Von der Sehnsucht nach einer staatsmännischen Leitfigur im 19. Jahrhundert.Michael Gamper befasst sich mit einer Figur, die im langen 19. Jahrhundert massive machtpolitische Bedeutung entfaltete und für die Geschichte des sozialen Imaginären dieser Epoche bedeutend war: dem »großen Mann«, wie er vor allem von Napoleon verkörpert, von Schleiermacher gefordert und von Treitschke beschrieben wurde.In diesem Buch geht es nicht darum, die Ereignisgeschichte der »großen Männer« zu rehabilitieren. Vielmehr legt Gamper überzeugend und souverän aus einer großen Materialfülle schöpfend dar, wie sich in der Frühen Neuzeit aus tradierten antiken Vorstellungen, idealistischen Konzepten, innovativen Machtstrategien und literarischen Fiktionen eine politische Retterfigur herausbilden konnte, der zugetraut wurde, unter den Bedingungen einer postrevolutionären Moderne ein soziales Ganzes herzustellen.Gegenstand der Analyse sind die Techniken und Funktionen der Rede über den großen Mann, die relevanten Wissensregister, denen er seine Karriere verdankt, die Wünsche, Hoffnungen und Phantasien der Vielen, die sich mit der Figur verbinden, sowie die Formen und Formate seiner medialen Produktion und Verbreitung.Ausblicke in die Vor- und Nachgeschichte des großen Mannes bis in die Gegenwart und ein Exkurs über große Frauen ergänzen das Porträt einer untergegangenen Form personalisierter politischer Gewalt, die freilich bis heute vielfältig nachwirkt und die politische Phantasie bis in die Gegenwart hinein beschäftigt.
Autorenporträt
Michael Gamper ist Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft am Peter Szondi-Institut der FU Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Literatur und Wissen, Phänomene des sozialen Imaginären und die Geschichte und Theorie der Prosa.Veröffentlichungen u. a.: Elektropoetologie. Fiktionen der Elektrizität 1740-1870 (2009); Masse lesen, Masse schreiben. Eine Diskurs- und Imaginationsgeschichte der Menschenmenge 1765-1930 (2007); »Die Natur ist republikanisch«. Zu den ästhetischen, anthropologischen und politischen Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert (1998).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Urs Hafner wird nicht schlauer mit der Lektüre von Michael Gampers Buch über "große Männer". Dabei kommt so ein Buch eigentlich zur rechten Zeit, denkt er. Aber von Putin, Orban, Erdogan und Co. will der Autor gar nichts wissen. Stattdessen geht er zurück ins 19. Jahrhundert, zu Napoleon und Friedrich II. und formuliert durchaus geschliffen und facettenreich, so Hafner, das Konzept "weiblicher Größe" bei Schiller und Kleist gleich mit. Doch dass sich Größe in der Literatur und Geistesgeschichte der westlichen Hochkultur erschöpfen soll, nimmt Hafner dem Autor nicht ab. Sowieso hat er den Eindruck, des Autors privates Exzerptheft zu lesen. Einen roten Faden entdeckt er darin nicht und noch weniger eine Antwort auf Fragen, wie: Was haben Künstleridole und Diktatoren gemein? Nein, politischen Autoritarismus versteht Hafner mit Gamper nicht besser.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2016

Großer Mann, was nun?
Michael Gamper über Masse und die Macht des Einzelnen

Dass "große Männer" die Geschichte machen, war im neunzehnten Jahrhundert eine verbreitete Auffassung, die nicht nur die deutsche Geschichtswissenschaft in ihren Anfängen prägte. Die Konzentration der Historiographie auf die "Geschichte von oben" spiegelte sich in zeitgenössischen Dramen ebenso wie in der französisch- und englischsprachigen Literatur. Die Kategorie des "großen Mannes" wurde dabei zu einer dominanten gesellschaftlichen Diskursfigur, der auch eine machtpolitische Bedeutung zukam.

Heute dagegen klingt die Rede von den "großen Männern", die das Weltgeschehen lenken, befremdlich. Lohnt es sich trotzdem, die Geschichte dieses Geschichtsbildes noch einmal neu zu erzählen? Der Germanist Michael Gamper unternimmt den Versuch. Seine Idee ist gut: Indem er den "großen Mann" als "Phantom der Imagination und Manifestation von Medien" begreift, erschließt er gefragte Forschungsbereiche der Imaginär- und Gefühlspolitik. Gleichzeitig hat die Diskursfigur des "großen Mannes" bei Gamper auch eine gesellschaftspolitische Funktion: Sie erscheint als Gegenpol zur aufkommenden "Masse".

Doch trotz seiner gründlichen Arbeit verschenkt Gamper in weiten Teilen dieses Potential. Sein Gang durch die politische Ideengeschichte von Machiavelli über Hobbes zu Max Weber ist ebenso wohlgeordnet wie seine Analyse der Dramen von Schiller, Kleist und Hebbel. Die mediale Rezeption Napoleons erfährt, was sehr plausibel ist, besondere Beachtung, die Leser können einiges über den Denkmalkult des neunzehnten Jahrhunderts, über Nietzsche, Abbé de Saint-Pierre und Gustave Le Bon lernen.

Aber das Buch ist ohne rechten Schwung geschrieben. Gampers Ausführungen zu der von ihm verwendeten Literatur - die in vielen Fällen bereits breit erforscht ist - geraten langatmig und zuweilen unnötig gestelzt. Die interessantesten Fragen spart Gamper aus. Was genau ist zum Beispiel das "politische Phantasma", von dem er im Untertitel spricht? Wo verlaufen die Grenzlinien zwischen Konstruktion und Realität? Wenn die Macht des "großen Mannes" stets eine "zugestandene Macht" ist, wie Gamper schreibt, wie lässt sich dann erklären, dass das Attribut der Größe längst nicht allen Mächtigen verliehen wird? Ist Größe immer nur das zufällige Ergebnis der jeweiligen Umstände?

"Größe ist, was wir nicht sind", schrieb der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt einst in seinen "Weltgeschichtlichen Betrachtungen". Dabei bezog er sich auch auf die "Repräsentanten des Geistes", vornehmlich Schriftsteller und Künstler, unter denen "große Männer" anzutreffen seien. Sie seien "zu unserem Leben notwendig", und "das Offenhalten des Geistes für jede Größe" sei "eine der wenigen sicheren Bedingungen des höheren geistigen Glückes". Bei Gamper kommen nicht nur in seiner Interpretation Burckhardts solch positive Anverwandlungen des Begriffs der Größe zu kurz. "Große Männer" und den Diskurs darüber als bloße Kontingenz der Geschichte zu betrachten gibt keine Antwort auf die Frage, was sie denn in der Wahrnehmung der anderen so groß machte.

Dass die Kategorie der Größe am Ende des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend marginalisiert wurde, veranschaulicht Michael Gamper am Massenphänomen. Eine scharfe Gegenreaktion zeichnet er dabei anhand von Friedrich Nietzsche nach, der die "Zeiten der Nivellierung" gekommen sah und nach neuen "Möglichkeiten von ,Größe'" suchte. Als ",Größe' in Extremen" begreift Gamper Nietzsches "radikale Entgegensetzung zur Masse" und "Mittelmäßigkeit". Schon wurde der Ruf nach einem Führer laut, der die Masse bändigt und Ordnung wiederherstellt.

Von politiktheoretischer Relevanz ist jedoch noch ein anderer Sachverhalt, der in dem Buch kaum beleuchtet wird. Mit der Kategorie der "Masse" deutet sich an, was im zwanzigsten Jahrhundert zum Problem wird: die offenkundige Unvereinbarkeit von "Größe" und Demokratie. Der Gleichheitsanspruch der Demokratie geht nicht mit der machtpolitischen Figur des "großen Mannes" zusammen. Doch bedeutet das tatsächlich, dass jegliche Form des Herausragens im demokratischen Zeitalter illegitim ist? Mit dem Begriff des Charismas deutet Gamper zwar dieses Problem an, aber die Analyse bleibt unscharf.

Ein Fazit der ganzen aufwendigen Untersuchung fehlt. Brauchen wir nun mehr Größe? Brauchen wir weniger? Spitzt man die Argumentation des Autors zu, zeigen sich deren Grenzen. Denn wenn Größe immer nur eine Konstruktion ist und die Dekonstruktion darin besteht, sie als zufälliges Ergebnis zufälliger Umstände zu entlarven, sind die "großen Menchen" austauschbar. Goethe: nur eine Kontingenz der Geschichte! Picasso: schlummert in jedem von uns! Bach: reiner Zufall! - Sollte man es sich wirklich so einfach machen ?

HANNAH BETHKE

Michael Gamper: "Der große Mann". Geschichte eines politischen Phantasmas.

Wallstein Verlag, Göttingen 2016. 432 S., geb., 29,90 [Euro].

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»Ein ungemein gebildetes, intellektuell bereicherndes Buch!« (Jacques Schuster, Börsenblatt, 19.05.2016) »Michael Gamper setzt sich große Ziele und entwickelt noch größere Thesen.« (Florian Baranyi, Falter, 16.08.16) »Wie Männer zum Nimbus ihrer Stärke kommen, erklärt Michael Gamper in der aufschlussreichen wie eleganten Studie »Der große Mann«« (Jutta Person, Philosophie Magazin, Oktober/November 2016) »Es werden spannende Einblicke in die Konstruktionsgeschichte herrschaftlicher Größe geboten« (Nikolas Immer, Informationsmittel (IFB), Dezember 2016)