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Die deutsche Arbeitsfront als unternehmerische Macht: Eine politische Organisation im Kern des NS-Wirtschaftssystems.Die Deutsche Arbeitsfront (DAF), mitgliederstärkste Organisation des Dritten Reiches, besaß einen riesigen Unternehmenskomplex, der mit bis zu 200.000 Arbeitnehmern und einem Umsatz von ca. 2 Mrd. Reichsmark im Jahr zu den größten deutschen Konzernen gehörte. Dieses Unternehmenskonglomerat war vor allem im Bank- und Versicherungsgewerbe, im Bau- und Wohnungswesen, im Verlagswesen und Buchhandel, im Automobil- und Schiffsbau sowie im Einzelhandel tätig. Dazu gehörten Unternehmen…mehr

Produktbeschreibung
Die deutsche Arbeitsfront als unternehmerische Macht: Eine politische Organisation im Kern des NS-Wirtschaftssystems.Die Deutsche Arbeitsfront (DAF), mitgliederstärkste Organisation des Dritten Reiches, besaß einen riesigen Unternehmenskomplex, der mit bis zu 200.000 Arbeitnehmern und einem Umsatz von ca. 2 Mrd. Reichsmark im Jahr zu den größten deutschen Konzernen gehörte. Dieses Unternehmenskonglomerat war vor allem im Bank- und Versicherungsgewerbe, im Bau- und Wohnungswesen, im Verlagswesen und Buchhandel, im Automobil- und Schiffsbau sowie im Einzelhandel tätig. Dazu gehörten Unternehmen wie die »Neue Heimat«, das spätere VW-Werk oder der Langen-Müller Verlag. Rüdiger Hachtmann stellt die rasante Entwicklung der einzelnen Konzernteile zwischen 1933 und 1945 dar und skizziert ihre Vorgeschichte sowie Entwicklungen nach dem Krieg. Darüber hinaus untersucht der Autor Grundfragen der Geschichte des Dritten Reiches: Warum beschränkten sich NS-Organisationen wie die DAF nicht auf die politische Sphäre, sondern wurden darüber hinaus als Unternehmer tätig? Welche Folgen hatte dies für die gesamtwirtschaftlichen Konstellationen? Wie reagierten die privatwirtschaftliche Konkurrenz und die politischen Rivalen? Was hielt das Unternehmenskonglomerat der Arbeitsfront überhaupt zusammen? Welche politischen Aufgaben wies die DAF ihrem Konzern zu?
Autorenporträt
Rüdiger Hachtmann, Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung / Potsdam, apl. Prof. an der TU Berlin.Veröffentlichungen u. a.: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront (2012); Wissenschaftsmanagement im »Dritten Reich«. Die Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (2007).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2012

Räuber Robert und seine blutigen Laien
Die krakenartige Ausdehnung der Deutschen Arbeitsfront im Zweiten Weltkrieg

Wenn man von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) im "Dritten Reich" spricht, denkt man landläufig zunächst einmal an Rituale wie Veranstaltungen zur Pflege der "Kameradschaft" in den Betrieben wie Frühappelle im "Gefolgschaftsraum" und gemeinsames Eintopfessen. Eventuell kommen auch Norwegen Reisen auf dem "Kraft durch Freude"-Dampfer "Wilhelm Gustloff" in den Sinn. Die DAF sollte anstelle der aufgelösten Gewerkschaften die Arbeiter mit dem Nationalsozialismus versöhnen, in die Leistungsgemeinschaft des NS-Regimes integrieren und Einmütigkeit, Einsatzbereitschaft und den "kämpferischen Einsatz" für den "Führer" zum Ausdruck bringen.

Weitgehend aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden ist hingegen die Tatsache, dass die DAF zugleich über ein riesiges Unternehmensimperium verfügte. Auf dem Höhepunkt ihrer krakenartigen Ausdehnung im Zweiten Weltkrieg beschäftigte sie etwa 200 000 Menschen bei einem geschätzten Jahresumsatz von zwei Milliarden Reichsmark. Der DAF-Konzern erwarb sich großen Einfluss im Bau- und Wohnungswesen, im Bank- und Versicherungsgewerbe, im Verlagswesen, im Einzelhandel, im Fahrzeug- und Schiffsbau und zeigte fortwährend Interesse, in einigen Branchen sogar Platzhirsch zu werden. Wie war dieses gigantische Wirtschaftsimperium entstanden, das bis 1945 ökonomisch leidlich funktionierte? Hierüber informiert jetzt die Studie von Rüdiger Hachtmann, deren Lektüre kein reines Lesevergnügen ist. Aber sie gibt über zahlreiche bislang nur bruchstückhaft bekannte Aspekte der DAF-Wirtschaft umfassend Auskunft.

Die DAF bediente sich vor allem aus der Masse der 1933 zerschlagenen oder gleichgeschalteten freien beziehungsweise christlichen Gewerkschaften und ihrer Organisationen. Konsumvereine und Genossenschaften, die im Kaiserreich und der Weimarer Republik den gemeinschaftlichen - und günstigen - Bezug von Nahrungsmitteln, aber auch den Erwerb erschwinglicher Wohnungen ermöglicht hatten, gerieten sogleich ins Visier der DAF. Die Wirtschaftseinrichtungen der DAF entstanden somit aus der riesigen "Konkursmasse", deren sich die NS-Chargen Zug um Zug weitgehend geräuschlos bemächtigten. Der fast reibungslose Ablauf dieses Raubs ist erklärungsbedürftig. Hachtmann deutet ihn als Ergebnis der Politisierung der DAF-Einrichtungen unter ihrem Leiter Robert Ley, der sich selbst als "fanatischen Apostel" Hitlers bezeichnete und die auf seinen Führungsstil zugeschnittenen Unternehmen recht hemdsärmelig unter dem Motto leitete: "erst der Mensch und dann die Akten".

Hachtmann spricht in Anlehnung an Max Webers Modell der charismatischen Herrschaft von "charismatischen Verwaltungsstäben", die in blindem Eifer der Devise Leys von den "Soldaten der Arbeit" folgten und sich selbst von bürokratischen Hindernissen nicht bremsen ließen. Im totalitären "Dritten Reich" verschwammen zudem bald die Grenzen von Staat und Partei. Die DAF verstand sich als eine politische Organisation, und die Residuen des revolutionären Geistes der "Kampfzeit" und der "Machtergreifung" ließen sich daran erkennen, dass manche Führungsstäbe in den Verwaltungsetagen der DAF-Unternehmen geradezu stolz darauf waren, "blutige Laien" zu sein. Um so bemerkenswerter war, dass trotz allen fehlenden Sachverstands sowie zahlreicher Korruptions-, Unterschlagungs- und Bereicherungsaffären die DAF-Unternehmen bis 1945 Bestand hatten. Versuche rivalisierender Reichsministerien oder NS-Organisationen wie Görings Vierjahresplan-Behörde, die Machtkonzentration der DAF durch Abgabe von Kompetenzen oder die Abtretung von Unternehmen einzudämmen, perlten an Ley und seinen Satrapen einfach ab. Der betrachtete seine Massenorganisationen selbstbewusst als persönliche Verfügungsmasse und belehrte Reichswirtschaftsminister Funk im Frühjahr 1941, er könne seinen DAF-Unternehmen "ungesetzlich Befehl" erteilen.

Mit manchen polemischen und äußerst primitiven antikapitalistischen Attacken konnten Ley und seine Jünger anfangs sogar bei denjenigen Arbeitern punkten, die den Losungen des Nationalsozialismus zunächst skeptisch gegenüberstanden: Zumindest auf dem Papier wirkten die Versprechungen des sozialen Wohnungsbaus und eines Billig-Volkswagen verheißungsvoll. Die DAF ging dabei geschickt vor: Nicht alle Fachleute an der Spitze der gewaltsam übernommenen Einrichtungen wurden entfernt, zumindest wenn sie sich arrangierten. Auch sonst ging Ley nicht mit Brachialgewalt vor. Die letzten verbliebenen Konsumvereine wurden beispielsweise erst im Weltkrieg in die NS-Einrichtung integriert.

Die "Bank der Deutschen Arbeit" - eine fast vergessene "Superbank" der NS-Zeit - gehörte ebenfalls zum Herrschaftsbereich der DAF: Das Vermögen der gewerkschaftseigenen Arbeiterbank bildete nach deren Zerschlagung den Grundstock des Aufstiegs dieser halbstaatlichen Einrichtung, die atemberaubende Bilanzsummen aufzuweisen hatte und nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einen aggressiven Expansionskurs steuerte. Allerdings blieb die Bank im Gefüge der deutschen Wirtschaftswelt zeitlebens ein Paria, misstrauisch beäugt von den privaten Konkurrenten und von den Bankiers verachtet wegen des vermeintlich mangelnden Sachverstands der Verantwortlichen beim ganz offenkundig politisch ausgerichteten Geldinstitut.

Auf dem Versicherungssektor waren als Prunkstücke die ehemals sozialdemokratische "Volksfürsorge" und die vormals dem Deutschen Handlungsgehilfen-Verband zugeordneten Versicherungen des "Deutschen Rings" als Flaggschiffe der DAF tätig. Sie standen weiterhin in einer gewissen Rivalität zueinander und konnten damit nach außen den Anschein marktwirtschaftlicher Konkurrenz erwecken. Im Buch- und Verlagswesen stellte die "Büchergilde Gutenberg" nur die Spitze des Eisbergs der geistigen Einflussnahme auf dem Gebiet der Kultur dar. Zum Ley-Imperium gehörte der Verlag Langen-Müller etwa, den man sich in einem langwierigen Verfahren aus dem großen Erbe des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes einverleibte, daneben weitere Großverlage. Wenn es nach dem Chef der DAF gegangen wäre, hätte er noch mehr zusammengeraubt. Seinem ruhelosen Expansionsstreben waren allerdings Grenzen gesetzt, weil der DAF mit dem NSDAP-eigenen Eher-Verlag in München eine lästige und bis zuletzt weit überlegene Konkurrenz gegenüberstand.

Das Wirtschaftsimperium Leys wurde zunehmend zu einer Konkurrenz für die traditionellen privatwirtschaftlichen Unternehmen. Es übernahm sogar Aufgaben, vor denen diese zurückscheuten, weil die Risiken zu groß oder die Renditeerwartungen zu klein waren. Durch die neuen halbstaatlichen DAF-Gründungen geriet die Privatwirtschaft immer stärker unter Zugzwang. Selbstzufrieden stellte Ley im Oktober 1941 über sein ökonomisches Imperium fest: "Keine dieser aktivierten oder neu ins Leben gerufenen Gesellschaften hat bisher versagt oder ist gegenüber gleichgearteten Unternehmungen der privaten Wirtschaft zurückgeblieben." Im Zweiten Weltkrieg folgte die DAF der vorrückenden Wehrmacht und nahm in den besetzten Gebieten Ausgangspositionen für die Zeit nach dem "Endsieg" ein, der, so hoffte man, auch dafür sorgen werde, dass sich manche waghalsige Investition amortisiere.

Die DAF ging mit dem "Dritten Reich" unter. Faszinierend ist der Blick über die scheinbare "Stunde Null" hinaus. Paradoxerweise blieb in der Bundesrepublik die Faszination für große wirtschaftliche Einheiten erhalten. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass der an und für sich naheliegende Wiederaufbau dezentraler Einrichtungen wie derjenigen der Konsumgenossenschaften nur halbherzig betrieben wurde. Ein fatales Erbe der DAF war, dass das selbst im Gewerkschaftsmilieu, dem das kleinräumige und auf demokratische Selbstverwaltung beruhende Konzept der Genossenschaften aus den Jahren der Weimarer Republik gut bekannt war, nach 1945 zu kurz kam. Zentralisierung und Rationalisierung, Gigantomanie statt eines basisnahen Genossenschaftswesens waren die Folge. Einrichtungen wie die (1939 gegründete) "Neue Heimat", die "Coop Zentrale AG" und die "Bank für Gemeinwirtschaft" waren in der Bonner Republik die Residuen eines Denkens, das schiere Größe vor demokratische Selbstverwaltung stellte. Diese Pfadabhängigkeiten herausgearbeitet zu haben ist nicht das geringste Verdienst der Studie.

JOACHIM SCHOLTYSECK

Rüdiger Hachtmann: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933-1945. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 710 S., 49,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ausführlich widmet sich Joachim Scholtyseck Rüdiger Hachtmanns Studie zum expansionsfreudigen Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront, kurz DAF. Leider beschränkt sich der Rezensent vor allem auf die Nacherzählung der vom Autor vorgelegten Arbeit. Die nähere Erklärung seiner Eingangsbemerkung, Hachtmann biete kein reines Lesevergnügen, bleibt er hingegen schuldig. Wie sich die DAF 1933 im Zuge ihrer Politisierung unter ihrem Leiter Robert Ley aus der "Konkursmasse" christlicher Gewerkschaften bereicherte etwa sowie viele andere, dem Rezensenten bislang nur bruchstückhaft bekannte Aspekte der DAF-Wirtschaft vermag der Autor Scholtyseck zwar detailliert auseinanderzusetzen, ebenso, wie sich das Denken der DAF nach dem Ende des Dritten Reich fortsetzte. Über Form und Strukturierung der Studie erfahren wir aus der Besprechung allerdings nichts.

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