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Vietnam gilt als der letzte Krieg, aus dem frei und unbehindert berichtet werden konnte, und in dem sich Journalisten und Militärs gleichberechtigt gegenüber standen. Diese Sicht wurde zwar von der Forschung weitgehend widerlegt, zumeist jedoch bezogen auf die Spätphase des Krieges sowie speziell auf das Medium Fernsehen. Dessen ungeachtet genießen die Reporter der 'Vietnam-Generation' weiterhin hohes Ansehen. Die Vorstellung, sie hätten den Grundstein für einen beispiellosen Triumph des Journalismus gelegt, fußt wesentlich auf generationellen Selbstzuschreibungen der Berichterstatter: 'It…mehr

Produktbeschreibung
Vietnam gilt als der letzte Krieg, aus dem frei und unbehindert berichtet werden konnte, und in dem sich Journalisten und Militärs gleichberechtigt gegenüber standen. Diese Sicht wurde zwar von der Forschung weitgehend widerlegt, zumeist jedoch bezogen auf die Spätphase des Krieges sowie speziell auf das Medium Fernsehen. Dessen ungeachtet genießen die Reporter der 'Vietnam-Generation' weiterhin hohes Ansehen. Die Vorstellung, sie hätten den Grundstein für einen beispiellosen Triumph des Journalismus gelegt, fußt wesentlich auf generationellen Selbstzuschreibungen der Berichterstatter: 'It started in Vietnam and ended in Watergate', sagte David Halberstam, und sah sich und seine Kollegen als 'front men for a whole generation'. Der Vietnam-Mythos von einer kritischen und einflussreichen Berichterstattung ist bis heute - scheinbar losgelöst von wissenschaftlichen Forschungen - sowohl in das Rollenverständnis von Journalisten wie in jenes von Politikern und Militärs eingeschrieben. Während Politiker und Militärs 'Vietnam' instrumentalisieren, um Medien zu disziplinieren, ziehen Journalisten daraus ihr professionelles Selbstvertrauen.
Autorenporträt
Lars Klein, geb. 1976. Ab 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Projekt der Deutschen Stiftung Friedensforschung 'Geschichte der Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert' an der TU Braunschweig. Seit 2005 an der Universität Göttingen, zunächst im DFG-Graduiertenkolleg 'Generationengeschichte', seit 2008 im Master-Studiengang Euroculture.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2012

Es war einmal in Vietnam
Amerikanische Journalisten hatten weniger Einfluss, als sie denken: Eine Berichtigung von Lars Klein
Man kennt sie bis zum Überdruss, die Geschichte von den jungen Kriegsberichterstattern, die mit Schreibmaschine und Kamera die US-Regierung zum Rückzug aus Vietnam zwangen. Abhängig vom politischen Standort, ist mal von einem Helden-, mal von einem Schurkenstück die Rede. Für Liberale waren und sind Männer wie David Halberstam, Neill Sheehan oder Peter Arnett Wächter der Demokratie. Konservative hingegen ereifern sich über einen Dolchstoß in den Rücken der kämpfenden Truppe und sprechen von einem Missbrauch öffentlicher Verantwortung. Auch bei diesem Thema, so scheint es, hat sich Amerika bis heute nicht aus den ideologischen Schützengräben der 1960er Jahre heraus bewegt. Beide Seiten bewerfen einander mit Dreck und reklamieren die reine Wahrheit.
Der Mythos von den meinungsstarken und durchsetzungsfähigen Journalisten ist – so Lars Klein in seiner Dissertation – in erster Linie ihr eigenes Werk. Bis heute werkeln die Starjournalisten von damals am Bild der aufrechten Kämpfer, die sich gegen ignorante Chefredakteure und erst recht gegen die Schikanen der Machteliten behaupten mussten. Wechselseitige Belobigung ist aus allen professionellen Milieus bekannt; aber selbst die notorischen Zitierkartelle unter Wissenschaftlern wirken im Vergleich wie Fingerübungen von Amateuren.
Auf allen Kanälen zelebrieren die Medienveteranen ihre längst verblichene Wirkungsmächtigkeit, vornehmlich mit Hilfe einer semantischen Allzweckwaffe: „Generation“. Das signalisiert Einzigartigkeit im Vergangenen und Vorbildcharakter für Zukünftiges. Nicht allein die Flucht aus Südostasien, sogar den Rücktritt eines intriganten, seine Macht missbrauchenden Präsidenten verbuchen sie auf der Habenseite ihres Wirkens. Neill Sheehan: „Es begann in Vietnam und endete in Watergate.“ Amen.
Konservativen war die argumentative Steilvorlage mehr als willkommen. Als wäre die Zeit stehengeblieben, wird noch heute jede Publikation von Halberstam und seinen Mitstreitern zum Beweis der Mär einer im Felde unbesiegten Armee und ihrer verlorenen Siege herangezogen. Man hört den vertrauten Sound deutscher Jeremiaden aus den 1920er und 1950er Jahren. Allein damit stellt sich das konservative Amerika ein seltsames Zeugnis aus. Pressefreiheit als strategisches Defizit in Zeiten des Krieges und als Dienst am Feind zu denunzieren, war und ist die naheliegende Konsequenz. Mit bemerkenswerter Entschiedenheit werden Denkstile und Methoden autoritärer Regimes als nachahmenswerte Vorbilder gepriesen – von Meinungsmachern aus der Mitte des politischen Spektrums.
Die bittere Ironie dieser Geschichte aus Selbstüberhöhung auf der einen und Denunziation auf der anderen Seite aber liegt darin, dass die Rede von aufmüpfigen Journalisten in Vietnam noch nicht einmal im Ansatz überzeugen kann. Mit viel Liebe zum archivalischen Detail und gestützt auf ältere Studien von Daniel Hallin oder Todd Gitlin zeichnet Lars Klein auf überzeugende Weise das Bild loyaler Patrioten, die von den Imperativen des Kalten Krieges ebenso überzeugt waren wie von der Notwendigkeit einer „Sieg-Strategie“ gegen den Vietcong. Gewiss übten sie Kritik – aber stets in der Absicht, Defizite zur Sprache zu bringen und die Kriegsanstrengungen effizienter zu machen. Und die von den Medien sich selbst erteilten Auflagen wurden auch von den „Rebellen“ geteilt: Es kam nicht darauf an, Politiker oder das Militär von außen unter Druck zu setzen, sondern ihnen eine öffentliche Plattform zum Austragen ihrer internen Kontroversen zu geben. „The system worked“, wie aufmerksame Zeitgenossen in den frühen 1970er Jahren treffend bemerkten.
Aufs Ganze gesehen, legt Lars Klein mit diesem Stück Zeitgeschichte auch eine anregende Diagnose unserer eigenen Zeit vor. Der konservative Furor, dem er am Beispiel der Medienschelte zur Zeit des Vietnamkriegs nachspürt, war erst der Anfang einer Verwilderung politischer Sitten. Und die Konjunktur der heutigen „Tea Party“-Bewegung lässt befürchten, dass der Höhepunkt noch längst nicht überschritten ist. Bisweilen werden solche Sichtachsen durch dramaturgische Unsitten einer Doktorarbeit zugestellt: etwa durch überlange theoretische Abhandlungen oder ritualisierte Methodendiskurse, die bestenfalls in losem Zusammenhang mit der Analyse des historischen Gegenstands stehen; weniger wäre hier mehr gewesen.
Ausschlaggebend aber sind die Stärken des Buches, das in seinem abschließenden Teil mit einer luziden Betrachtung zur Kriegsberichterstattung seit den frühen 1980er Jahren aufwartet. Es geht dabei um institutionalisierte Verlogenheit: Printmedien wie die New York Times und die Washington Post stilisieren sich – unter Verweis auf Vietnam und Watergate – noch immer zur „Vierten Gewalt“ im Staat, vor der angeblich Präsidenten zittern müssen. Zugleich verlangen sie von ihren Journalisten, sich staatlicher Gängelung in Zeiten des Krieges bereitwillig zu unterwerfen, weil man nicht noch einmal für schmachvolle Niederlagen verantwortlich gemacht werden will. Illusionsloser könnte eine Betrachtung über das politische Korrekturpotential von Medien kaum ausfallen.
Auf die vermeintliche Wächterrolle von Medien in den 1960er und frühen 1970er Jahren angesprochen, diktierte der Grandseigneur des investigativen Journalismus dem Rezensenten vor Jahren Folgendes in den Stenoblock: „Vergiss es! Wenn ich das schon höre! Ich kenne nur eine Macht, die uns zum Rückzug aus Vietnam gezwungen hat – und diese Macht hieß Vietcong!“ Sy Hersh hat diesen Krieg nie aus der Nähe gesehen; aber er hat mit seinen Recherchen über Kriegsverbrechen und Strategien der verbrannten Erde mehr zu Tage gefördert als die selbsternannte „Vietnam-Generation“ seiner Kollegen. Vor allem hat er sich selbst nie wichtiger genommen als den Gegenstand seiner Arbeit. Ihm eine Biographie zu widmen, ist eigentlich überfällig. BERND GREINER
LARS KLEIN: Die „Vietnam-Generation“ der Kriegsberichterstatter. Ein amerikanischer Mythos zwischen Vietnam und Irak. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 386 Seiten, 39,90 Euro.
Der Politikwissenschaftler Bernd Greiner publizierte Bücher über die Kubakrise, den Kalten Krieg und 9/11.
Kunst gegen Krieg hat der Zeichner sein Werk genannt. Viele glauben, im Vietnamkrieg seien es vor allem Journalisten gewesen, die engagiert gegen den US-Einsatz eintraten. Lars Klein zeigt, dass diese Idee ein Mythos ist. aug
Zeichnung:
Ernst Kahl
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bernd Greiner, Politologe am Hamburger Institut für Sozialforschung und Amerikaforscher, sieht die Erkenntnisse dieses Buchs als Beleg dafür, dass Amerika die "ideologischen Schützengräben" der sechziger Jahre bis heute nicht verlassen hat. Auf der einen Seite die "Liberals" unter den Journalisten, die sich in bestens funktionierenden Seilschaften permanent alle Verdienste an der Beendigung des Vietnam-Kriegs zuschreiben. Auf der anderen Seite immer unflätiger schimpfende Konservative. Beide Seiten stehen sich in Greiners Skzizze in symmetrischer Fratzenhaftigkeit gegenüber. Greiner selbst sieht es wie der bekannte "New Yorker"-Reporter Seymour Hersh, der das Verdienst für die Beendigung des Krieges allein den Vietcong zugesteht, nicht der amerikanischen Öffentlichkeit. Der vorliegenden Dissertation, die allenfalls genregemäß ein bisschen theorieüberfrachtet sei, dankt Greiner für diese luzide Bestätigung seines Amerikabildes.

© Perlentaucher Medien GmbH
'eine lesenswerte Dissertation'(journalist, 10/2011)'Welche Erzählung kommt der Realität am nächsten? Keine, lautet das Ergebnis von Kleins Untersuchung. Sie zeigt, dass selbst die kritischsten Reporter aus den USA bei allen