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Kant als Wegbereiter einer modernen »Geo-Ethik«: neue Blicke auf sein Spätwerk.
Peter Fenves rekonstruiert zum ersten Mal Kants nachkritische Schriften als philosophische und politische Projekte eigenen Rechts. Er erläutert, wie präzise Kant die These vom »radikal Bösen« konzipiert, entfaltet und verkompliziert - eine These, die zum Ausgangspunkt des gesamten Spätwerks avanciert. Ebenso untersucht der amerikanische Literaturwissenschaftler Kants Antithese des »radikal Bösen«, der zufolge die Menschen auf der Erde nur existieren, um einer anderen Art oder Rasse von Menschen den Weg zu ebnen.…mehr

Produktbeschreibung
Kant als Wegbereiter einer modernen »Geo-Ethik«: neue Blicke auf sein Spätwerk.

Peter Fenves rekonstruiert zum ersten Mal Kants nachkritische Schriften als philosophische und politische Projekte eigenen Rechts. Er erläutert, wie präzise Kant die These vom »radikal Bösen« konzipiert, entfaltet und verkompliziert - eine These, die zum Ausgangspunkt des gesamten Spätwerks avanciert. Ebenso untersucht der amerikanische Literaturwissenschaftler Kants Antithese des »radikal Bösen«, der zufolge die Menschen auf der Erde nur existieren, um einer anderen Art oder Rasse von Menschen den Weg zu ebnen. Demzufolge hätten die Menschen nicht das Recht, die Erde für sich zu beanspruchen und unter sich aufzuteilen; eher bereiteten sie den Globus für dessen legitime Eigner vor. Mit dieser These wird Immanuel Kant zum Wegbereiter einer modernen »Geo-Ethik«.
Autorenporträt
Der Autor Peter Fenves, geb 1960, lehrt Germanistik, Komparatistik, Philosophie und Judaistik und ist Professor für Literatur in Evanston (USA). Veröffentlichungen u.a.: Chatter: Language and History in Kierkegaard (1993), Arresting Language: From Benjamin to Leibniz (2001), The Messianic Reduction: Walter Benjamin and the Abstention from Philosophy (2009).Der Übersetzer Thomas Schestag, geb. 1956, Privatdozent für Germanistik und Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Veröffentlichungen u.a.: Die unbewältigte Sprache. Hannah Arendts Theorie der Dichtung (2006).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2010

Die Rasselbande der Aufklärer lachte gern
Geblendet von Giorgio Agambens Irrlichtern: Was Peter Fenves alles in den späten Kant hineingeheimnist

Der Band vereint Essays von Peter Fenves zu den Schriften und Notizen Kants vorwiegend aus dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Der Untertitel "Für ein anderes Gesetz der Erde" bezieht sich auf wenige isolierte Bemerkungen im Spätwerk, gemäß denen die jetzige Menschheit vielleicht nur die Vorstufe einer anderen Rasse und neuer Erdbewohner sein könnte. Aber wer kennt schon diese Nebengedanken? Wie also soll man den Untertitel verstehen? Sie spielt an auf Carl Schmitts "Nomos der Erde", der nun seinerseits mit Kant nichts zu tun hat (er schätzte Hamann, nicht Kant). Und was heißt "Für"? Wirbt Kant für ein anderes Erdgesetz? Ist das sein letzter Wille, der Clou seiner Spätphilosophie?

Kant weist 1787 den Leser seiner Werke an, sich jeweils die Idee des Ganzen zu vergegenwärtigen und von ihr zu den Einzelheiten zu gehen, zur These, zu den Beweisschritten, wir ergänzen: zu den Konstellationen, in denen Begriffe ihren Platz haben. Entscheidend ist auch das Aufdecken des Problems, das der Philosoph zu lösen sucht: Welches ist der Ausgangspunkt, und welches Ziel soll erreicht werden? Fenves geht umgekehrt vor, er sucht kuriose, wichtige und unwichtige Wörter in den Texten und arrangiert um sie seine Essays. So ist nicht die neue Erkenntnis das zentrale Problem, sondern das witzige Arrangement. Der Leser von Fenves' Essays ist immer wieder erstaunt, wie sich die Wörter und Begriffe assoziieren lassen und so einen vorher nicht bedachten Sinn gewinnen.

Eigentlich hieß er Emanuel, Kant machte daraus nach der Schulzeit das Immanuel. Fenves, nicht nur Germanist, sondern auch Hebraist, geht hier kundig auf die Details ein und schlägt als Motiv der Namens-Verwandlung die Distanzierung von der stärker jüdisch besetzten Schreibweise vor. Diese Distanzierung passt gut zu Kants latentem Antisemitismus. Sein Name ist also kein Datum, sondern ein von ihm witzig selbst gemachtes factum, wie Fenves deutet. Ein anderes Thema bietet der Gebrauch des Wortes "Machtwort"; Kant wendet sich wie andere Intellektuelle seiner Zeit gegen die Institution von Machtworten des Königs, mit denen dieser Gerichtsverfahren abrupt beenden und nach eigenem Gutdünken urteilen konnte (in Wirklichkeit: die Juristen am Hof die unsäglich hinausgezögerten Prozesse sachkundig beenden konnten). Auf die Vernunft und Unvernunft dieses Beendens von Prozessen geht Fenves nicht ein, sondern amüsiert sich königlich darüber, dass auch Kant von "Machtwörtern" Gebrauch macht.

Der "blaue Dunst", von dem Kant im Zusammenhang von Gewissensfragen spricht, gibt Anlass, umständlich nach der Herkunft dieser Bläue zu fragen, auch nach der Farbe, mit der Kant das sonst ungefärbte, weil unsichtbare seelische Selbst anpinselt, wenn er vom "vielfärbigen, verschiedenen Selbst" spricht. In der Moralphilosophie findet sich die Rede vom "faulen Fleck" - das führt zur Rassenfrage, denn die menschlichen Rassen unterscheiden sich bei Kant besonders durch ihre vier unterschiedlichen Farben (wie übrigens schon bei den alten Ägyptern). So also kommen die Werke eines großen Philosophen zustande.

In der Eigentumstheorie der Rechtslehre spricht Kant von dem Apfel, den ich in der Hand halte und der dadurch einen anderen Rechtsstatus hat als der Apfel, der sich irgendwo anders auf unserem Globus befindet. Fenves, der durch Giorgio Agamben ermutigte Theologe, wittert hier einen testamentarischen Tiefsinn, denn war es nicht ein Apfel, mit dem Eva den überforderten Adam verführte?

Die Schrift "Zum ewigen Frieden" sei im Zeichen des Misslingens geschrieben worden, darüber lässt sich zwischen irdischem Friedhof und ferner Ewigkeit seitenlang reflektieren. Aus den verschiedenen Friedensprojekten der Zeit werden flugs Friedensprojektile, die Rede vom Friedensschluss deutet nach Fenves fatal, auch ohne dass es Kant wohl bemerkte, auf die Verkehrung in ein "Schluss mit dem Frieden, Her mit einem Krieg" hin. So tief- und hintersinnig sind die Äußerungen des späten Kant.

"Gut Glück" ist der Titel eines Kapitels, ein anderer lautet lakonisch "Lachen", und der "Beschluss" endet mit dem Kapitel "Wer zuletzt lacht". Kant hatte zu den Problemen, mit denen er sich am Ende seines Lebens befasste, gesagt, sie bereiteten ihm einen "tantalischen Schmerz". Fenves findet ein Gegenmittel im Lachen, das er mit seinen witzigen Wortdeutungen erregen will. Im "Beschluss" erscheint der Zwischentitel "Die These radikaler Mittelbarkeit". Mit der missraten formulierten "Mittelbarkeit" ("radical meanness") ist Kants Gedankenexperiment gemeint, ob wir vielleicht in einer Folge von Erdrevolutionen auf einem "neugebärenden Erdglob" leben und eine "vollkommenere Organisation noch bevorsteht", aber das "ist unseren ausspähenden Blicken verborgen".

Warum soll dieser marginale (von Camper und Blumenbach entliehene) Gedanke seine These sein? Und dazu eine radikale? Das ist die Basis für den schon oben angesprochenen Untertitel des Buches - verfehlter geht es nicht.

Fenves weist auf die skurrilen, häufig humorvollen, sich widersprechenden und herumexperimentierenden Äußerungen von Kant hin, die den späteren Leser am späten Kant erstaunen. Hier lernen wir etwas über den tatsächlich skurrilen Philosophen. Das passt gut in die Aufklärung. Voltaire und Hume, Lessing und Diderot, sie waren witzig und lachten gern, über andere, über sich selbst und die Menschen überhaupt, so wie die großen griechischen Philosophen. Sokrates lachte und Demokrit. Haben Nietzsche und Heidegger gelacht? Die Philosophen der Aufklärung bewegten sich in einer urbanen, liberalen und kritischen Gesellschaft, die sich nicht daran stieß, dass Hume dick wurde, Voltaire seine Zähne verlor und Kant sich in unsinnige Etymologien verbiss.

REINHARD BRANDT

Peter Fenves: "Der späte Kant". Für ein anderes Gesetz der Erde. Aus dem Amerikanischen von Thomas Schestag. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 355 S., geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenig Geschmack findet Rezensent Reinhard Brandt an diesem Band über den späten Kant. Während Kant erst eine Idee hatte und dann die Worte dafür suchte, macht es Peter Fenves offenbar genau andersherum: Er sucht sich aus dem späten Werk von Kant Bilder, Vergleiche und skurille Formulierungen und versucht diese mit einigem Aufwand zu interpretieren. Aber die Aufklärer - Voltaire, Hume oder Diderot - waren eben manchmal skurril, so Brandt. Sie konnten über sich lachen, im Gegensatz zu Nietzsche oder Heidegger. Und so findet der Rezensent in diesem Buch zwar "witzige Arrangements", aber keine neuen Erkenntnisse.

© Perlentaucher Medien GmbH