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Ein neu zu hebender Schatz: die Gedichte Oskar Loerkes in einer bibliophilen Neuausgabe.Oskar Loerke gehört zu den bedeutendsten Vertretern der deutschen Lyrik des 20. Jahrhunderts. Seine Gedichte werden in Anthologien unter den Stichworten Expressionismus, Naturdichtung oder Innere Emigration abgedruckt. Doch wird diese Reduktion der thematischen Vielfalt und dem Formenreichtum seiner Dichtung nicht gerecht, die weite geschichtliche, mythologische und geographische Räume umgreift. Ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Welt erfährt in der NS-Zeit einen tiefen Riss, der auch durch offen…mehr

Produktbeschreibung
Ein neu zu hebender Schatz: die Gedichte Oskar Loerkes in einer bibliophilen Neuausgabe.Oskar Loerke gehört zu den bedeutendsten Vertretern der deutschen Lyrik des 20. Jahrhunderts. Seine Gedichte werden in Anthologien unter den Stichworten Expressionismus, Naturdichtung oder Innere Emigration abgedruckt. Doch wird diese Reduktion der thematischen Vielfalt und dem Formenreichtum seiner Dichtung nicht gerecht, die weite geschichtliche, mythologische und geographische Räume umgreift. Ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Welt erfährt in der NS-Zeit einen tiefen Riss, der auch durch offen eingestandene Wut und Verzweiflung am Weltzustand nicht mehr zu heilen ist. Loerkes Hauptwerk, seine Lyrik, ist seit Jahrzehnten vom Markt verschwunden. Diese Ausgabe enthält seine sieben Gedichtbücher, deren Veröffentlichung er noch selbst betreut hat, von »Wanderschaft« (1911) bis »Wald der Welt« (1936). Das seiner Verzweiflung und Erkrankung abgetrotzte, erstaunlich kohärente Spätwerk (1937-1941) schlägt Töne an, die bisher noch kaum eine Öffentlichkeit gefunden haben. Hinzu kommen Essays, die sich unmittelbar auf seine Dichtung beziehen.Die Herausgeber haben die Textgestalt gründlich überprüft und das Spätwerk neu gegliedert. Ein Glossar ungebräuchlicher Begriffe erleichtert den Zugang zu den Gedichten. Lutz Seilers einleitender Essay lässt das Werk aus dem Blickwinkel eines Kollegen der jüngeren Generation lebendig werden. Pressemitteilung Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt Wüstenrot Stiftung
Autorenporträt
Oskar Loerke (1884-1941) war ab 1907 freier Schriftsteller und wurde 1913 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. Ab 1917 war er Lektor beim S. Fischer Verlag, wo er u.a. mit Thomas Mann, Alfred Döblin und Gerhart Hauptmann zusammenarbeitete.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2011

Duft einer bitteren Orangenschale

Eine poetische Parallelwelt, in der alles gefunden werden kann - und sollte: Oskar Loerkes Gedichte in neuer, schön grüner Gesamtausgabe gehören in jedes Regal.

Wenn von großen, verkannten Dichtern die Rede ist, fällt auch der Name Oskar Loerke (1884 bis 1941). Man könnte ihn den Berühmtesten unter den Verkannten nennen. Seine Gedichte stehen in allen Anthologien. Sein "Siebenbuch", wie der Dichter die Summe seiner Bücher nannte, gilt als ein Massiv deutscher Landschafts- und Naturlyrik. Loerke fand die schöne Prägung vom "Grünen Gott", und doch hat die gegenwärtige Lust am Grünen das Interesse an seiner Poesie nicht beleben können.

Schlechte Zeiten für Lyrik waren noch schlechtere für Loerke. Nur einmal, 1934, an seinem Fünfzigsten, schien das Blatt sich zu wenden. Der Jubilar, der als S.Fischer-Lektor den Prominenten ihre Manuskripte korrigierte, wurde mit Artikeln und Glückwünschen überhäuft. Gerhart Hauptmann nannte ihn "treu wie Gold" und ließ ihm aus dem Adlon Champagner schicken. "Der Ruhm ist ungeheuer", schrieb Loerke überglücklich ins Tagebuch: "Ich muss nun die Überzeugung behalten, dass meine Verse nicht untergehen werden, bevor sie ihre Wirkung getan haben." Freilich waren vom eben erschienenen Gedichtband "Der Silberdistelwald" ganze vierhundert Stück abgesetzt, die Hälfte davon Freistücke. Doch Loerke lebte in der Hoffnung: "Ob gehört, ob nie gelesen, / Hat nichts über uns entschieden." Das letzte Gedicht schrieb er drei Tage vor seinem Tod im Februar 1941.

Nach 1945 gab es immer wieder Versuche, dem Dichter zur angemessenen Würdigung zu verhelfen. Wilhelm Lehmann warb unermüdlich für den Freund und Kollegen. Der Suhrkamp Verlag brachte eine zweibändige Werkausgabe, später auch Sammelbände der Gedichte; zuletzt in den achtziger Jahren. Seither: Stille. Höchste Zeit also für einen neuen Versuch, Loerke seinen Platz im Bewusstsein der Gegenwart zu verschaffen.

Uwe Pörksen und Wolfram Menzel haben Loerkes "Sämtliche Gedichte" in zwei - auch dank Mitteln der Wüstenrot-Stiftung - schön gemachten grünen Bänden gesammelt und einen jungen Dichter für die Einleitung gewonnen. Lutz Seiler, der im Wilhelmshorster Huchel-Haus lebt, ist selbst ein Lyriker von Landschaft und Natur. Er scheint berufen, Loerke aus der naturmagischen Ecke herausholen und als Dichter einer "dingegroßen Welt" zu verstehen, wie Loerke sich selbst sah. Ihm fallen in seiner sensiblen Lektüre vor allem die Bäume und Wälder auf - eben Loerkes "Der Wald der Welt": "Eine Parallelwelt, in der alles gefunden werden kann, Musik, Lektüre, Geschichtsschreibung, die eigene Stimme sogar und daneben auch Güte und eine Gnade."

Loerke gehört zu den Dichtern, für die die poetologische Reflexion ebenso wichtig war wie das Gedichteschreiben selbst. So enthält die Ausgabe neben sämtlichen Gedichten so berühmte Essays wie die Akademie-Rede "Formprobleme der Lyrik" (1928) und den Rundschau-Aufsatz "Meine sieben Gedichtbücher" (1936). Der erste Text erschien in der NS-Zeit noch einmal als "Das alte Wagnis des Gedichts". Er musste sich merkwürdige sprachpuristische Eingriffe gefallen lassen. So wurde "Polemik" durch "Streit" ersetzt, "Vision" durch "Einschau" oder "Nomenklatur" durch "Rufnamen". Der schöne und lapidare Kernsatz einer modernen Poetik "Es gibt in der Lyrik keine anderen Probleme als Formprobleme" wurde zeitkonform aufgeweicht zu "In der Lyrik zeigen sich alle Lebensfragen als Fragen der Form". Die Ausgabe bringt die unverfälschten Originale und verweist auf solche Details im knappen, überaus nützlichen Anmerkungsapparat.

Sie dokumentiert zudem in einer Zeittafel Loerkes Vita, vor allem die "Jahre des Unheils", wie sein Tagebuch die Jahre der Naziherrschaft nannte. 1933 wurde Loerke aus dem Amt des Sekretärs der Preußischen Akademie entfernt. Auf Wunsch Samuel Fischers, der um seinen Verlag fürchtete, unterzeichnete er das sogenannte "Treuegelöbnis vor dem Führer". Trauer, Scham, Depression waren die Folge. In seinem Testament bat er die Freunde darum, jeder Behauptung entgegenzutreten, er sei an einer Krankheit und nicht an den politischen Zuständen gestorben. Auf den November 1940 datierte er seinen stoischen "Leitspruch": "Jedwedes blutgefügte Reich / Sinkt ein, dem Maulwurfshügel gleich. / Jedwedes lichtgeborne Wort / Wirkt durch das Dunkel fort und fort."

Vielleicht sollte der mit Loerke weniger vertraute Leser mit dem Spätwerk beginnen, mit dem "Steinpfad", dem "Kärntner Sommer", den Gedichten der "Abschiedshand". Er findet dort einen ebenso zarten wie widerständigen Geist, der von seinem "Berge versetzenden Glauben" an Natur und Poesie spricht und seine geliebten "Zeitgenossen vier Zeiten" beschwört: Bach. Bruckner, aber auch Friedrich Rückert.

Der Loerke-Kenner hingegen stößt auf politische Töne von einer unvermuteten kompromisslosen Schärfe. In der Folge "Fegefeuer", die in den früheren Ausgaben fehlte, heißt es: "Ergrimme nicht, wenn nach den neusten Sitten / Dich Massenmörder gern erziehen wollen. / Nur sorge, daß sie unter deinen Tritten / Zur Hölle, kräftig angespieen, rollen."

Dieser derb-innige Herzenswunsch wurde Oskar Loerke erfüllt, freilich nicht zu seinen Lebzeiten. Anders steht es mit Loerkes Ruhm, für den er sich die denkbar diskreteste Form ersehnte. Lutz Seiler spielt darauf an, wenn er uns am Schluss seines einführenden Essays zum Erinnern animieren möchte. Es sind Zeilen aus Loerkes "Gedenkzeit": "Von einer bitteren Orangenschale / Ein wenig auf die Fingerkuppen reiben, / Man mags, mein eingedenk." Um diesen Geruch tief zu empfinden, muss man lange und genussvoll in dieser grün illuminierten und unerschöpflichen Gedichtausgabe gelesen haben.

HARALD HARTUNG

Oskar Loerke: "Sämtliche Gedichte".

Mit einem Essay von Lutz Seiler. Herausgegeben von Uwe Pörksen und Wolfgang Menzel. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 1076 S., 2 Bde., geb., 45,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lange und genussvoll hat Harald Hartung in dieser zweibändigen Ausgabe der Sämtlichen Gedichte von Oskar Loerke gelesen und stellt fest: Zeit, diesen Dichter wiederzubeleben. Die von Wolfram Menzel und Uwe Pörksen besorgte Ausgabe mit einer Eineitung von Lutz Seiler macht das schon mal vor. Und erinnert mit gut bestücktem Anmerkungsapparat und Zeittafel, laut Hartung vor allem aber mit den späten Natur-Gedichten (für den Einsteiger) sowie den politisch scharf gewürzten (für den Fortgeschrittenen) an den stets auch am Formproblem bastelnden Loerke. Letzteres erfährt der Rezensent auch aus den enthaltenen Essays, hier selbstredend bereinigt von den merkwürdigen sprachkritischen Eingriffen der Nazis.

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