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Die erste umfassende Darstellung dieser staatlichen Institution, die das moderne Verständnis von Gesundheit grundlegend geprägt hat.Das Reichsgesundheitsamt war im Kaiserreich und in der Weimarer Republik die höchste medizinalpolizeiliche Zentralbehörde. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich von einem »Zeitschriftenauswertungsbüro« zu einer »Hochburg der Hygiene«, die an der Durchsetzung der Bakteriologie und hygienischer Normen im Namen des Staates maßgeblichen Anteil hatte. Axel C. Hüntelmann untersucht die historische Entwicklung, Aufgaben und Organisation dieser ambivalenten Institution…mehr

Produktbeschreibung
Die erste umfassende Darstellung dieser staatlichen Institution, die das moderne Verständnis von Gesundheit grundlegend geprägt hat.Das Reichsgesundheitsamt war im Kaiserreich und in der Weimarer Republik die höchste medizinalpolizeiliche Zentralbehörde. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich von einem »Zeitschriftenauswertungsbüro« zu einer »Hochburg der Hygiene«, die an der Durchsetzung der Bakteriologie und hygienischer Normen im Namen des Staates maßgeblichen Anteil hatte. Axel C. Hüntelmann untersucht die historische Entwicklung, Aufgaben und Organisation dieser ambivalenten Institution von 1876 bis 1933 im Beziehungsgeflecht zwischen Wissenschaft, Politik, Ökonomie, Verwaltung und Gesellschaft. Dabei werden Machtstrukturen, das Funktionieren von Einflussnahme, politisches Durchsetzungsvermögen und die Wirksamkeit der hierzu generierten Handlungsstrategien in den Blick genommen.
Autorenporträt
Axel C. Hüntelmann, geb. 1971, ist Postdoctoral Student an der Bielefeld Graduate School in History and Sociology der Universität Bielefeld und Managing Editor der Zeitschrift »InterDisciplines«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2009

Fieberkurve des "Volkskörpers"
Geschichte des Reichsgesundheitsamtes 1876 bis 1933

Das 1876 als oberste Reichsbehörde für das Medizinalwesen gegründete Kaiserliche Gesundheitsamt, 1918 in Reichsgesundheitsamt umbenannt, gehört zu den Institutionen, denen im kollektiven Gedächtnis bisher kein Platz zugewiesen worden ist. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, dass man die 1952 gegründete Nachfolgeinstitution, das Bundesgesundheitsamt, im Rahmen des "Gesetzes zur Neuordnung zentraler Einrichtungen des Gesundheitswesens" bereits 1994 auflöste. An seine Stelle trat das Bundesinstitut für Infektionskrankheiten (Robert-Koch-Institut), das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (Max von Pettenkofer-Institut/Robert von Ostertag-Institut) sowie das Bundesinstitut für Arzneimittel und medizinische Produkte. Zum anderen aber hat diese Einrichtung, deren Geschichte allerdings lediglich von der Gründung bis zum Jahr 1933 nachgezeichnet wird, zwar stets reibungslos, aber auch ebenso unauffällig gewirkt. Diese "unsichtbare Behörde" durch Herausarbeitung ihrer Bedeutung sichtbar zu machen und ihr dazu noch eine "staatstragende Rolle" zuzuweisen ist das Anliegen des Autors.

Nachdem private Initiativen zur einheitlichen Organisation und Verwaltung der öffentlichen Gesundheitspflege gescheitert waren, forderte Anfang der 1860er Jahre vor allem die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte die Einrichtung einer zentralen Behörde für das Medizinalwesen. Nach der Reichsgründung von 1871 erhielt Reichskanzler Otto von Bismarck Petitionen von Medizinern und Kommunen, die für eine institutionalisierte, öffentliche Gesundheitspflege eintraten. Bismarck entschied sich für eine zentrale Reichsbehörde, weil dies gut in seine Politik der Einbeziehung der (National-)Liberalen in ein Modernisierungskonzept unter konservativem Vorzeichen passte.

Wie bei allen neu eingerichteten Zentralbehörden, so rang auch das Kaiserliche Gesundheitsamt zunächst um ein eigenes Profil, sah es sich doch mit der Missgunst und dem Misstrauen konkurrierender oberster Medizinal- und Reichsbehörden und nicht zuletzt mit inneren Spannungen konfrontiert. Doch schon bald wurden die in den wöchentlichen Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes erstellten Medizinalstatistiken, die auf Reichsebene etwa die Kinder- und Säuglingssterblichkeit ebenso erfassten wie Erkrankungen, zur Pflichtlektüre nicht nur für Mediziner. Als weitere Aufgabe trat die technische Überwachung und Organisation eines einheitlichen Impfgeschäftes hinzu, und schließlich reichte das große Spektrum der Aufgaben des Gesundheitsamts etwa vom Gesundheitsschutz der Kinder und "Irren" über die Hygiene der Facharbeiter bis hin zu Untersuchungen von Nahrungs- und Genussmitteln in hauseigenen Labors. Hier traten Robert Koch, der sich bereits mit der Entdeckung des Milzbranderregers sowie durch erfolgreiche mikroskopische Forschungen einen Namen gemacht hatte, und sein bakteriologisches Labor besonders hervor.

Das Reichsgesundheitsamt diente als Brücke der Vermittlung zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem politischen Raum. Es beriet die Politiker, lieferte konkrete Handlungsanweisungen zur Bekämpfung von Krankheiten und machte umsetzbare Vorschläge zur Verbesserung und Anhebung der "Volksgesundheit". Während die umfassende Bevölkerungsstatistik des Kaiserlichen Statistischen Amtes ein "Volksganzes" schaffen wollte und den Begriff "Volksgemeinschaft" einführte, brachte erst das Zusammengehen von Bevölkerungs- und Medizinalstatistik den "Volkskörper" hervor - und das Reichsgesundheitsamt führte gleichsam dessen Fieberkurve.

Insgesamt wird die Geschichte dieser Reichsbehörde gekonnt in die Geschichte des dynamischen Modernisierungsprozesses des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland eingewoben. Dass sowohl die übergreifenden gesellschaftlichen Veränderungen wie auch das dichte Beziehungsgeflecht zwischen Wissenschaft, Medizin, Politik und Gesellschaft berücksichtigt und zudem die Intentionen der miteinander paktierenden oder einander bekämpfenden Gruppen sichtbar werden, macht die besondere Qualität der Studie aus. Daher ist leicht zu verschmerzen, dass der Autor den angekündigten Nachweis einer "staatstragenden Rolle" des Reichsgesundheitsamts nicht erbringt - was wohl kaum überraschen dürfte.

REINER POMMERIN

Axel C. Hüntelmann: Hygiene im Namen des Staates. Das Reichsgesundheitsamt 1876-1933. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 488 S., 64,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr zufrieden ist Reiner Pommerin mit dieser Geschichte des Reichsgesundheitsamtes von 1876 bis 1933, die Axel C. Hüntelmann vorgelegt hat. Er zeichnet die Gründung dieser Behörde nach, berichtet über ihre Aufgaben und ihr Ringen um ein eigenes Profil. Die Intention des Autors sieht er darin, die Bedeutung dieser kaum wahrgenommenen Institution darzulegen und ihr zudem eine "staatstragende Rolle" zuzuweisen. Ersteres gelingt Hüntelmann nach Ansicht Pommerins auch sehr gut. Den Nachweis einer "staatstragenden Rolle" hingegen bleibe der Autor schuldig. Nichtsdestoweniger hält Pommerin die Arbeit für insgesamt gelungen. Lobend äußert er sich über die kundige Einbettung der Geschichte des Reichsgesundheitsamtes in den Kontext des Modernisierungsprozesses des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland.

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