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Frankreich, 1914: Ein idyllischer Sommertag, Anthime radelt durch die sonnenbeschienene Vendée. Er hört die Sturmglocken läuten, das Signal für die allgemeine Mobilmachung. Mit der alle gerechnet haben, nur nicht an einem Samstag, dem 1. August. Echenoz erzählt vier Kriegsjahre im Zeitraffer: Fünf Männer ziehen in den Krieg, eine schwangere Frau wartet auf die Rückkehr von zweien von ihnen. Bleibt zu erfahren, ob sie wiederkommen. Und wann. Und in welchem Zustand. Der Erste Weltkrieg ist heute nicht mehr mit traditionellen Mitteln darstellbar - Echenoz als Meister der Romansubversion zeigt, wie es anders gelingt.…mehr

Produktbeschreibung
Frankreich, 1914: Ein idyllischer Sommertag, Anthime radelt durch die sonnenbeschienene Vendée. Er hört die Sturmglocken läuten, das Signal für die allgemeine Mobilmachung. Mit der alle gerechnet haben, nur nicht an einem Samstag, dem 1. August. Echenoz erzählt vier Kriegsjahre im Zeitraffer: Fünf Männer ziehen in den Krieg, eine schwangere Frau wartet auf die Rückkehr von zweien von ihnen. Bleibt zu erfahren, ob sie wiederkommen. Und wann. Und in welchem Zustand. Der Erste Weltkrieg ist heute nicht mehr mit traditionellen Mitteln darstellbar - Echenoz als Meister der Romansubversion zeigt, wie es anders gelingt.
Autorenporträt
Echenoz, Jean
Jean Echenoz, geboren 1947 in Orange (Provence), erhielt 1999 den Prix Goncourt für seinen Roman »Ich gehe jetzt«. Er lebt in Paris.

Schmidt-Henkel, Hinrich
Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959 in Berlin, übersetzt seit 1987 Belletristik und Theaterstücke aus dem Französischen, Italienischen und Norwegischen, darunter Werke von Jon Fosse, Henrik Ibsen, Michel Ouellebecq Jean Echenoz, Louis-Ferdinand Céline, Stefano Benni und Massimo Carlotto. Er ist u.a. Träger des Jane-Scatcherd-Preises der Ledig-Rowohlt-Stiftung, des Paul-Celan-Preises und des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Jean Echenoz' Kriegsroman über den Ersten Weltkrieg hat Ingeborg Waldinger tief beeindruckt. Die Rezensentin lobt den genauen Blick, die Empathie und die auch die Ironie, mit der der französische Schriftsteller am Beispiel von fünf Männerschicksalen vom Grauen des Krieges, von seiner Absurdität und seiner Dynamik erzählt. Den Fokus des schmalen Romans liegt für sie im "persönlichen Drama" von Zivilisten, die ungewollt in den Krieg hineingezogen werden. Zugleich gelinge es dem Autor anhand dieser Dramen die gesamte, schreckliche Dimension dieses Krieges dem Leser nahezubringen. Das Fazit der Rezensentin: "Ein wichtiges Buch, unerbittlich und ergreifend".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2014

Granaten und Kinderwagen

Noch ein Roman über den Ersten Weltkrieg? Ja. Aber "1914" von Jean Echenoz ist mehr als ein Nachzügler

Ein neuer Roman über den Ersten Weltkrieg ist ungefähr so notwendig wie eine weitere Cäsar- oder Hitlerbiographie. Es gibt zu dem Thema schon alles und sein Gegenteil, es gibt Jünger, Remarque, Arnold Zweig, Philippe Claudel, Henri Barbusse, Ford Madox Ford, es gibt Tagebücher, Briefe, Fotos und Filme, die im Jubiläumsjahr 2014 wie eine Springflut aus den Archiven und Dachböden quellen. Oder, um es mit Jean Echenoz zu sagen: "All das ist tausendfach beschrieben worden, vielleicht lohnt es sich gar nicht weiter, sich bei dieser stumpfsinnigen, stinkenden Oper aufzuhalten."

Warum hat Echenoz diese stinkende Oper, dieses vierjährige Gemetzel zum Klang der Kruppgeschütze - "atemraubend, exzessiv, voller quälender Längen" - dennoch in ein Buch gepackt? Eine erste Antwort gibt der Umfang seines Romans: Er ist, im Großdruck, genau 125 Seiten lang. Also alles andere als exzessiv. Und ganz ohne Längen. Stattdessen hat "14" eine andere, bei Echenoz wenig überraschende Eigenart: das Filmische.

Die Geschichte beginnt mit einer Szene wie aus Tatis "Schützenfest": Anthime, der Held, fährt mit dem Fahrrad übers Land, der Sommerwind weht ihm betäubend um die Ohren, als er plötzlich überall ringsum die Kirchenglocken läuten sieht. Dann, als der Wind sich legt, hört er, dass es Sturmglocken sind. Sie verkünden die französische Mobilmachung, sie läuten den Weltkrieg ein. Zurück in der Stadt, sieht Anthime, wie sein Bruder Charles die auf dem Hauptplatz zusammenströmende Menge aufnimmt. Aber nicht mit irgendeinem Kasten, sondern mit einem tragbaren "Rêve Idéal"-Apparat von Girard & Boitte. Der Wind im Ohr und das Objekt im Auge, das tönende Bild und das sprechende Detail, sie bilden das Erzählmuster dieses Buches, das so präzise wie eine Landschaft von Ruisdael und so knapp wie eine Nocturne von Satie ist.

Anthime und sein Bruder rivalisieren um Blanche, die Tochter des örtlichen Fabrikbesitzers, die von Charles, dem Älteren und Erfolgreicheren, schwanger ist. Dann stirbt Charles, dem seine Beziehungen einen Posten bei der Fliegertruppe verschafft haben, beim Absturz seines Farman-Aufklärers, Blanche bekommt ein uneheliches Kind, und Anthime verliert im Schützengraben einen Arm. Aber dieses Dreipersonendrama ist nur das Skelett der Geschichte. Ihre Muskeln und Adern sind die fotografisch genauen Front- und Heimatszenen, die bei Echenoz einander abwechseln, hier eine Granate, da eine Geburt, hier die letzten Stunden eines Deserteurs, dort ein Spaziergang mit Kinderwagen. Und ihre Haut ist die makellose Sprache, in der das alles erzählt ist, ein kalkuliertes Spiel mit hohen und saloppen Tönen, das in Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung nur sehr unvollkommen durchscheint (davon zu schweigen, dass ein "Infanteriegewehr" nicht zwei Absätze später ein "Artilleriegewehr" sein kann).

Jean Echenoz ist sechsundsechzig, "14" sein fünfzehntes Buch. Die großen französischen Literaturpreise, den Goncourt, den Médicis, hat er alle gewonnen. Echenoz hat es nicht mehr nötig, für die Kritiker zu schreiben, und das merkt man dem Roman an. Er trumpft nicht auf, er macht sich nicht fein. Er spiegelt nur, wie eine perfekte Miniatur, das Große im Kleinen. Es lohnt sich eben doch. Wenn man es kann.

ANDREAS KILB

Jean Echenoz: "14". Roman. Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Hanser Berlin, 125 Seiten, 14,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2014

Der Weltgeist und der Westenärmel
Jean Echenoz führt uns in seinem Roman „14“ auf Augenhöhe in den Ersten Weltkrieg
Unter den zahlreichen Schilderungen dieses Jahres zum Ersten Weltkrieg steht dieses Bändchen einzigartig da. Die geknickten Menschenleben und gestürzten Reiche, die Schützengräben und der Schlamm, Langeweile und Panik, das Voranstürmen und die standesrechtliche Erschießung – alle zu erwartenden Einzelheiten sind vollständig da. Und doch ist alles ganz anders. Es ist, als wüsste in diesem Roman auch der Erzähler nicht, wie die Sache letztendlich ausging.
  Wir ziehen auf Augenhöhe einiger Kleinstadtbewohner aus der Vendée mit in ein Abenteuer, das erfrischend mit der provinziellen Lebensroutine bricht und zunächst eher lustig aussieht. Da ist der Buchhalter Anthime, der Metzgergeselle Padioleau, der Fleischhauer Bossis, der Sattler Arcenel. Sie alle nehmen die Dinge so, wie sie kommen: nicht als weltgeschichtliches Großereignis, sondern als eine Folge alltäglicher Erfahrungen zwischen Neugier, Soldatenspaß, Strapazen, jäher Panik, Dünnschiss, Sehnsucht nach Hause, nach „guten“, weil von der Front weg ins Lazarett führenden Verletzungen.
  Für den französischen Schriftsteller Jean Echenoz, der 1947 in Orange in der Provence geboren wurde und in Paris lebt, sind die historischen Ereignisse nicht Gegenstand für ausmalende Nacherzählung mit geschickt arrangierten Schatteneffekten. Sie sind Rohstoff für das Experiment eines erzählenden Nachempfindens aus dem jeweiligen Moment heraus. So war der Autor auch schon in seinen letzten Romanen mit dem Komponisten Maurice Ravel, dem Marathonläufer Emil Zátopek oder dem Erfinder Nikola Tesla verfahren.
  Die Romanfiguren werden dabei ins möglichst exakt nachgemischte Säurebad ihrer Epoche getaucht und in ihren Verformungen und Verfärbungen beobachtet, ohne Einfühlungswärme, nachträgliche Heroisierung, zeitgeschichtlichen Kulissenzauber oder dramatisierende Überhöhung. Die Darstellung bleibt sachlich, kühl, informativ. Der scharfe Detailblick des Autors Echenoz zielt auf die exakte Benennung aller Dinge, mit denen die Figuren zu tun haben, wie etwa der Fotoapparat der Marke „Rêve Idéal“ von der Firma Girard & Boitte, den einer der Protagonisten ständig um den Hals trägt, um auf dem Weg zur Front Landschaften und Menschen zu knipsen, oder wie das solide Fahrrad aus der Fabrikation Euntes, „von Kirchenmännern für Kirchenmänner gebaut“, auf dem der Buchhalter Anthime am 1. August 1914, einem Samstag, bei vorzüglichem Wetter nach dem Mittagessen zu einer Radtour aufbricht.
  Kaum hat er leicht schwitzend die Kuppe eines der bescheidenen Vendée-Hügel erreicht, schlägt ihm ein jäh aufgekommener Wind entgegen, dass er absteigen muss. Im Getöse der Böen fällt sein über die Landschaft schweifendes Auge jedoch auf ein seltsames Schauspiel. In allen Kirchtürmen unten auf der Ebene sind abwechselnd dunkel und hell aufscheinende Formen zu sehen, die beim Abflauen des Windes sich akustisch als sturmläutende Glocken erweisen. Dem Radfahrer Anthime ist sofort klar: Das kann nur die Mobilmachung bedeuten, damit war zu rechnen – aber ausgerechnet an diesem Samstag?
  So banal fangen auch Kriege an. Weltgeschichte und Privatangelegenheiten passen im jeweiligen Zufallsgefüge aus sichtbaren, hörbaren und spürbaren Begleitumständen nie ganz zusammen, als hätte der Weltgeist sich im Terminkalender vertan. Auch das, was während der vier folgenden Jahre dann kommt, holt der Roman in die kleinteilige Unüberschaubarkeit des Lebens von jeweils heute auf morgen herab, ohne dabei den Ernst der Ereignisse in Anekdoten zerflattern zu lassen.
  Anthimes Kamerad Arcenel wird beim Fassen der Uniform anderntags in der Kaserne von seinen Hämorrhoiden geplagt, weil er am Vorabend vor Aufregung zu viel gefeiert hat. Erklingt dann an der Front aber schließlich das Kommando, aus dem Unterstand ins feindliche Feuer zu stürmen, schauen die Kameraden einander zunächst unschlüssig an, einer nestelt verlegen an seinem Tornisterriemen, ein anderer schnäuzt ins Taschentuch. Schicksalsbewusstsein, Courage und Hilflosigkeit laufen im Krieg Seite an Seite.
  So ist von diesen Männern auch kein Anflug von Aufmucken oder politisch motivierter Desertion zu erwarten. Der Krieg muss, so unerfreulich er ist, zu Ende geführt werden. Als einzig möglicher Fluchtweg von der Front bleibt die Selbstverstümmelung, indem man sich etwa die Hand durchschießt. Doch kann das leicht als Defätismus ausgelegt werden. Anthime hat das Glück, durch ein Geschoss seinen rechten Arm zu verlieren – eine schöne, saubere Wunde, zu der ihm nach der Amputation im Feldlazarett von allen Seiten gratuliert wird. „So ist dir wenigstens Verdun erspart geblieben“, sagt später seine Freundin Blanche, neben der er mit hochgestecktem rechten Westenärmel durch die matte Junisonne spaziert. Sein Kamerad Arcenel fand einen anderen Ausweg aus dem Krieg, indem er sich bei einem einsamen Spaziergang an der Front verlief und wegen Desertion exekutiert wurde.
  Echenoz’ Darstellung des Krieges als abstruse Verstrickung aus Offizierslogik, Politik, Wirtschaftskalkül, Schicksalsergebenheit, kleinen Alltagssorgen und großem Überlebensdrang verzichtet auf Schreckensvision, Antikriegsrhetorik, Betroffenheitsemphase oder nachträgliche Erklärungsmanie. Sie zeigt die Ereignisse so, wie sie begriffslos ins Leben der Akteure rollten, und lässt auch die Nebenakteure aus der Tierwelt nicht aus. Nie haben wir eine solche Beschreibung der ins Geschehen hereingezogenen Tiere gelesen, der herrenlos in die Wildnis zurückfindenden Enten, Hühner und Kaninchen, der von den Kompanien bei lebendigem Leib auf der Wiese filetierten Ochsen, der gemeinsam mit den Menschen im Feuer verstümmelten Pferde, der als Erzfeinde allgegenwärtigen Ratten und Läuse.
  Statt als das schiere Entsetzen erscheint der Krieg hier auf unheimliche Weise menschlich. Das ist nur möglich dank des distanzierten, unterkühlt heiteren und zugleich elegant melancholischen Tons von Jean Echenoz, den Hinrich Schmidt-Henkel mit Phantasie und Geschick auch im Deutschen zu treffen verstand. Die Jahrhundertdistanz gibt uns vielleicht erstmals die nötige Reife, so unvoreingenommen und zugleich bange noch einmal mit ins Verderben zu marschieren.
JOSEPH HANIMANN
Anthime hat das Glück,
durch ein Geschoss seinen
rechten Arm zu verlieren
„Die gegnerische Infanterie nutzte das allgemeine Durcheinander, die ringsum herrschende Verwirrung für einen massiven Angriff und sorgte auf einen Schlag für Entsetzen in der von Panik ergriffenen Truppe: Alles floh Richtung Etappe und schrie, die Boches kommen.“ Szene aus der Marne-Schlacht 1914.
Foto: SZ
  
  
  
  
Jean Echenoz: 14. Roman. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Hanser Berlin Verlag,
Berlin 2014. 125 Seiten, 14,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Echenoz beugt sich über einzelne Menschen, lässt mit Macht die Geschichte über sie hereinbrechen und spiegelt deren Monstrosität im Denken, Handeln und Fühlen des Individuums. In dem neuen Roman bildet dieses individuelle Denken und Handeln immer wieder einen bemerkenswerten Kontrast zu dem, was die Stunde eigentlich geschlagen hat. ... Dieses Hin- und Hergeworfensein, diesen für den Einzelnen durch nichts zu beeinflussenden Wechsel von Anspannung und Entspannung setzt Jean Echenoz literarisch hervorragend in Szene." Lena Bopp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.02.14

"Nüchtern und mit poetischer Scharfsicht erzählt Jean Echenoz in '14' den Ersten Weltkrieg." Ulrich Rüdenauer, Zeit Online, 26.02.14

"Ein verdichtetes Epos von Besinnungslosigkeit, Schicksal, Duldsamkeit und Tod, erzählt in einer kühnen, beweglichen Leichtigkeit." Ulrich Rüdenauer, Zeit Online, 26.02.14

"Der Weltkrieg, erzählt anhand der Geschichte von ein paar Burschen - Jean Echenoz ist immerein wenig ironisch, ein wenig unernst in seinen mit Akribie recherchierten und mit viel Phantasie ausgeschmückten Geschichten. Das liest sich federleicht und ist gerade deshalb hohe Erzählkunst." Elke Heidenreich, Literaturen, Januar 2014

"Unter den zahlreichen Schilderungen dieses Jahres zum Ersten Weltkrieg steht dieses Bändchen einzigartig da." Joseph Hanimann, Süddeutsche Zeitung, 25.02.14

"Ein großartiges Buch ... eines der allerbesten Bücher zum Ersten Weltkrieg." Iris Radisch, Zeit Online, 06.03.14

"Jean Echenoz erzählt den Ersten Weltkrieg mit meisterhafter Präzision, viel Einfühlungsvermögen und bitterer Ironie." Ingeborg Waldinger, Neue Zürcher Zeitung, 05.04.14

"Jean Echenoz fokussiert den Ersten Weltkrieg auf das persönliche Drama von Zivilisten, die zu Helden wider Willen werden. ... Ein wichtiges Buch, unerbittlich und ergreifend." Ingeborg Waldinger, Neue Zürcher Zeitung, 05.04.14
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