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Aus dem Rahmen fallen sie alle - die schillernden Figuren in Christina Chius Geschichten sind allesamt schwarze Schafe: selbstmordgefährdet oder schwul, magersüchtig oder kriminell, überangepasst an den Ehrenkodex ihrer Familienclans oder lustvoll ausbrechend.
Von einer Geschichte zur nächsten umspielen sich diese berührenden Storys und entwerfen ein Netz aus Schicksalen - von Suchenden, Süchtigen, Verlierern und Verrätern. Wer verletzt wen, wenn Eltern und Großeltern aus der chinesischen Einwanderergeneration die alten Traditionen hochhalten, während ihre Kinder längst ihrer eigenen Wege…mehr

Produktbeschreibung
Aus dem Rahmen fallen sie alle - die schillernden Figuren in Christina Chius Geschichten sind allesamt schwarze Schafe: selbstmordgefährdet oder schwul, magersüchtig oder kriminell, überangepasst an den Ehrenkodex ihrer Familienclans oder lustvoll ausbrechend.

Von einer Geschichte zur nächsten umspielen sich diese berührenden Storys und entwerfen ein Netz aus Schicksalen - von Suchenden, Süchtigen, Verlierern und Verrätern. Wer verletzt wen, wenn Eltern und Großeltern aus der chinesischen Einwanderergeneration die alten Traditionen hochhalten, während ihre Kinder längst ihrer eigenen Wege gehen - in die Vielfalt westlicher Lebensweisen? Die Helden dieser Shortcuts sind auf vertraute Art verloren. An den Entscheidungspunkten ihrer zerrissenen Lebensentwürfe entdeckt Christina Chiu tragikomische Momente von Wahrheit.
Autorenporträt
Christina Chiu wurde als Tochter chinesischer Einwanderer aus Schanghai in New York geboren, wo sie lebt. Sie arbeitet als Redakteurin für das amerikanische Literaturmagazin 'Tin House' und ist eines der Gründungsmitglieder des Asian American Writers Workshop. Zurzeit schreibt sie an ihrem ersten Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Weltreisende
Von New York bis Hongkong: Christina Chius starkes Debüt

Laut einem Bonmot, das so unterschiedlichen Urhebern wie Chaim Weizmann und Dorothy Parker zugeschrieben wird, sind Juden genau wie andere Leute, "only more so". Nach der Lektüre von Christina Chius literarischem Erstling "Schwarze Schafe und andere Heilige" möchte man das gleiche von Chinesen sagen, jedenfalls sofern sie in New York oder Hongkong leben.

In existentiell entscheidenden Momenten, in Krisen und Konflikten tritt wohl bei allen Menschen das spezifisch Humane stärker hervor. Generationskonflikte haben jedoch in den chinesisch-amerikanischen Familien - aus einer solchen stammt auch die Autorin - eine besondere Tragweite: Die elterliche Forderung nach Anpassung an die Werte von Familie und Gesellschaft können die Kinder schon deshalb nicht erfüllen, weil diese Werte keineswegs identisch sind. Umgekehrt läßt die chinesische Furcht vor dem Gesichtsverlust die Eltern an vermeintlichen Abirrungen ihrer Kinder besonders leiden.

Durch einen Ehemann mit "falscher" Hautfarbe wird in diesem Roman die Mustertochter zum schwarzen Schaf, weshalb die Eltern vor Scham gleich von New York zurück nach Hongkong remigrieren. Für andere Eltern ist die Tatsache, daß die Tochter ihrem Lehrer erzählt hat, sie wolle sterben, noch schlimmer als die Suizidneigung selbst. Und eine Mutter, die längst die Homosexualität ihres Sohnes seufzend akzeptiert hat, faselt dennoch vor Verwandten von seiner "neuen Freundin".

In elf Episoden führt Chiu ein Panorama chinesischen Lebens in New York und Hongkong vor; einmal ist auch, eher zufällig, Sydney Ort der Handlung. Die einzelnen Geschichten, jeweils aus unterschiedlichen Ich-Perspektiven erzählt, sind vielfältig miteinander verknüpft. Hauptpersonen einer Geschichte tauchen als Nebenfiguren in anderen wieder auf, und auch einem bedauernswerten Goldfisch im viel zu kleinen Glas begegnet man immer wieder. Verbunden sind die einzelnen Figuren durch Nachbarschaft, Freundschaft und Liebe, vor allem aber durch weitverzweigte Verwandtschaftsverhältnisse: Von den etwa eins Komma zwei Milliarden Chinesen scheint mindestens eine Milliarde zur Familie Wong zu gehören.

Manchmal wirken die Verknüpfungen etwas bemüht, doch die subjektiven Sichtweisen kommentieren und korrigieren sich gegenseitig. So ergibt sich eine reizvolle literarische Zwischenform: nicht gerade ein Roman, aber auch keine bloß additive Reihung von Storys. Angesichts des Konstruktionsprinzips spricht der Klappentext in Anspielung auf Robert Altmans Film von "Shortcuts". Inhaltlich liegt der Gedanke an Filme von Ang Lee näher: Namentlich die Geschichte "Star" erinnert an dessen "Hochzeitsbankett".

Das Spektrum der Erzähler reicht vom jugendlichen Skateboarder aus Manhattans Chinatown bis zur greisen Matriarchin in Hongkong. Entsprechend wechseln die Tonfälle, aber nie verstellt die Autorin ihre Stimme so sehr, daß ihre eigene Sprache - vorzüglich übersetzt von Angela Praesent - nicht mehr wiederzuerkennen wäre. Ihr humoristisches Talent zeigt sie vor allem gegen Mitte des Buches, etwa in der Story "Gentleman", die in Hongkong am Tag der Übergabe der Kronkolonie an China spielt. Doch all ihren Erzählerfiguren verleiht Chiu poetische Kraft, so etwa auch Seymour, wenn er in "Dieb", der letzten Geschichte des Zyklus, das Haus beschreibt, in das er gerade eingebrochen ist: "Im ersten Stock lag das Schlafzimmer des Hausherrn. Schlafwarm. Die Wände mit einem glitschigen Stoff gepolstert. Wie in einem mit Seide gefütterten Sarg." Der gleiche Seymour sagt auch: "Jetzt geht's ums Ganze", und das gilt für alle Geschichten dieses sehr viel Talent verratenden Debüts.

HARDY REICH

Christina Chiu: "Schwarze Schafe und andere Heilige". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Angela Praesent. DuMont Buchverlag, Köln 2002. 300 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Sehr viel Talent" verrät dieses Debüt, findet Hardy Reich und hat sich offensichtlich sehr vergnügt mit der Lektüre der "elf Episoden", die allesamt locker miteinander verknüpft sind, so dass sich "die subjektiven Sichtweisen kommentieren und korrigieren" können. Manchmal fand der Rezensent die Verknüpfungen all der amerikanischen Chinesen der Großfamilie Wong miteinander zwar "etwas bemüht", aber alles in allem bieten sie ihm doch eine "reizvolle literarische Zwischenform" - kein Roman und auch keine nur zusammengesammelten Storys. Immer wird dem jeweiligen Erzähler-Ich ein eigener Tonfall gegönnt, schreibt Hardy Reich, ob es der "Skateboarder aus Manhattans Chinatown" ist oder die "greise Matriarchin in Hongkong": immer bleibe die Sprache der Autorin erkennbar, auch in der "vorzüglichen" Übersetzung von Angela Praesent, urteilt der Rezensent.

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