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Das Buch schildert die Entwicklung der Pönalisierung korruptiven Verhaltens seit dem franz. Code pénal von 1810. Der Autor analysiert die Gesetzesfassungen bis hin zu den heutigen §§ 331 ff. StGB unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Reformdiskussion, wobei auch die seit Mitte des 19. Jahrhunderts praktizierte zweigleisige Ahndung korruptiver Verhaltensweisen einerseits durch das Strafrecht und andererseits durch das Disziplinarrecht aufgezeigt und problematisiert wird. Die Längsschnittuntersuchung offenbart die stetige Fortentwicklung (Stichwort: Kontinuität) der Vorschriften durch die…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch schildert die Entwicklung der Pönalisierung korruptiven Verhaltens seit dem franz. Code pénal von 1810. Der Autor analysiert die Gesetzesfassungen bis hin zu den heutigen §§ 331 ff. StGB unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Reformdiskussion, wobei auch die seit Mitte des 19. Jahrhunderts praktizierte zweigleisige Ahndung korruptiver Verhaltensweisen einerseits durch das Strafrecht und andererseits durch das Disziplinarrecht aufgezeigt und problematisiert wird. Die Längsschnittuntersuchung offenbart die stetige Fortentwicklung (Stichwort: Kontinuität) der Vorschriften durch die verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte und die sich stetig abzeichnenden Kriminalisierungstendenzen (Stichwort: Kriminalisierung) sowie die fortschreitende Verwässerung des Rechtsguts (Stichwort: Subjektivierung). Die Würdigung zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf. Die Arbeit richtet sich gleichermaßen an Juristen aus Wirtschaft und Praxis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2009

Danke, es läuft wie geschmiert

Immer mehr Praktiken werden als Bestechung geahndet. Korruptionsstrafrecht ist ein ständig wachsender Rechtsbereich. Zwei Bücher führen durch das Gelände.

Korrupt sein bedeutet Grenzen zu überschreiten und anstößige Vermengungen vorzunehmen. Aber wo liegt die Grenze? Neben Moralisierungen und Politisierungen des Diskurses gibt es auch ein handfestes rechtliches Betätigungsfeld. Wie der moderne Staat Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsgewährung kriminalisiert und auf welches rechtsstaatliche Glatteis er sich dabei zunehmend begibt, diskutieren zwei ebenso kompetente wie pointiert geschriebene Bücher.

Als "symbolisches Strafrecht" geißelt die rechtshistorische Studie Jürgen Duryneks weite Teile der jüngeren Normsetzung. Das Buch konzentriert sich nahezu ganz auf die Gesetzgebungsgeschichte der vergangenen 150 Jahre, soziale Praktiken und nichtjuristische Diskurse kommen nur peripher vor. Vielleicht könnten Historiker, Politologen und Ökonomen den Zuschnitt aufs juristische Kerngeschäft dennoch schätzen. Denn Durynek erzählt diese Dogmengeschichte nicht nur mit handwerklicher Sachkunde im Strafrecht, sondern er verbindet damit auch eine erfrischende rechtspolitische Kritik.

Durynek zeigt, wie die juristischen Korruptionstatbestände sich stetig erweitert haben. Immer mehr Praktiken wurden gesetzgeberisch geächtet. Die Ausdehnung der personellen und sachlichen Anwendbarkeit der Normen ist nur ein Aspekt, hinzu kommen expandierende Vorstellungen von dem, was "Entgelt" und "Vorteile" sind, ferner höhere Strafdrohungen, eine Vorverlagerung der Strafbarkeit und ein früher Zeitpunkt der Vollendung der Tat. Die Europäisierung und Internationalisierung tun ein Übriges, um neue Regeln ins deutsche Recht zu schwemmen.

Das klingt zunächst nach entschiedenem obrigkeitlichen Bekämpfungswillen. Durynek bezweifelt diesen Anschein und macht eine andere Rechnung auf: Wäre es dem Gesetzgeber bitterernst mit der Parole der Prävention durch Normsetzung, dann würde er zu subtileren Instrumenten greifen. Mit guten Gründen argumentiert Durynek, dass das Disziplinarstrafrecht effektivere Waffen zur Verfügung stellt, die aber nicht oder zu wenig genutzt werden. Auch flankierende Maßnahmen wie die Einführung von Vergaberegistern für die Meldung von Verfehlungen sowie Veröffentlichungs- und Anzeigepflichten für Beraterverträge und Mitgliedschaften seien vielversprechend. Stattdessen werde wohlfeil und öffentlichkeitswirksam vergesetzlicht, ohne die praktische Umsetzbarkeit des neuen Rechts zu bedenken.

Maßstab für Duryneks Kritik am Kriminalisierungsschub sind liberale rechtsstaatliche Prinzipien: Das Strafrecht muss letztes Mittel bleiben; es muss seine Tatbestände in unmissverständlicher Klarheit formulieren, es hat dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu folgen. Zu jedem dieser Punkte liefert Durynek kritische Gegenbeispiele aus dem jüngsten Korruptionsstrafrecht. Sie tragen in ihrer opaken Regelungstechnik das Ihre dazu bei, das Rechtsgut "Lauterkeit des öffentlichen Dienstes" noch diffuser anmuten zu lassen, als es ohnehin schon ist.

Die Ausweitungen bergen in ihrer teilweise missglückten Regelungstechnik aber auch handfeste Herausforderungen, die die heutige Rechtsprechung bewältigen muss. Das für die Praxis der Strafverteidigung geschriebene Buch von Bernsmann und Gatzweiler kritisiert die gesetzlichen Unsicherheiten mit der anspielungsreichen Formel von der "unbegrenzten Auslegung", die so mancher Wortlaut ermögliche. Zugleich nehmen es Bernsmann und Gatzweiler von der sportlichen Seite und deuten konsequent jede Unklarheit als juristische Chance für Verdächtige und Angeklagte. Interessanterweise hat man infolge des expliziten Praxisbezugs den Eindruck, dass die Lektüre gerade auch für jene Leser lohnt, die sich eher theoretisch für den Wandel der Staatlichkeit interessieren.

Denn noch jedes Korruptionsdelikt rekurriert auf zeitgebundene Vorstellungen von dem, was "Amt" und was "Staat" ist. Sogar Zivildienstleistende und Reinmachfrauen können vom Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte erfasst sein. Jüngst hat uns die umfassende Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben zudem einen Formenwandel beschert, den das Korruptionsstrafrecht erst zu fassen kriegen muss - oder vielleicht eher loslassen sollte. GmbHs und AGs sind allemal keine Behörden, können sie aber eine "sonstige (behördengleiche) Stelle" sein? Was ist mit den Mitarbeitern kommunaler Wohnungsbaugesellschaften oder der GEZ und der Bahn? Das Autorentandem warnt davor, dem Staat zu erlauben, sich umfassend privatrechtlicher Formen zu bedienen, die die Mitarbeiter schlechter stellen, ihnen dann aber schärfere Strafbarkeiten als Angestellten der freien Wirtschaft zuzumuten.

Wie Durynek beobachten sie misslungene Tatbestände, die erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich bringen. Ihr Buch ist aus einer wohltuenden Distanz geschrieben, die pointierte Kritik an Rechtsentwicklungen kundig mit der nüchternen Darstellung der Situation verbindet. Dabei werden auch die üblichen juristischen Abgrenzungsprobleme durchdekliniert: Fragen wie jene, wann Weiterbildungsveranstaltungen einen (materiellen) Vorteil bedeuten oder ob "flüchtige Zärtlichkeiten" eine strafbare (immaterielle) Vorteilsgewährung darstellen können.

Interessanter sind die spezifisch korruptionstypischen Herausforderungen der Verteidigung und ihr Praxisbezug im engeren Sinne. Letzteren stellt das Buch leider erst am Ende explizit her. Dabei wird deutlich, dass das Wirtschaftsstrafrecht eine Moralisierung erfahren hat, die für die Anwälte besondere Herausforderungen birgt. Sie müssen ihre Mandanten vor deren dringendem Bedürfnis schützen, sich durch gutgemeinte Rechtfertigungen - seien sie öffentlich oder vor den Ermittlern - selbst zu belasten; auch sollten sie den Druck der Staatsanwaltschaften und Richter zur Kooperation kühl ventilieren. Die Öffentlichkeit müssen die Verteidiger an Unschuldsvermutungen und gesetzlich normierte Rechte der Angeklagten erinnern, wo diese halbinformiert in Zorn schäumt und zu Vorverurteilungen neigt.

Ein besonderes kritisches Schlusslicht wird auf den Journalismus geworfen. Rechtsvergleichend lässt sich in Deutschland ein geringer Schutz vor dem Hineinwirken der Medien in Strafprozesse beobachten, und im Fall der Korruption lässt sich die Berichterstattung in heikler Weise instrumentalisieren. Es müssen nur ein paar Marginalien rechtswidrig aus den Akten durchsickern und die Akteure, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, sind stigmatisiert. Ermittlungen gegen die Amtsträger wegen Verletzung der Privatsphäre oder Geheimnisverrats laufen regelmäßig ins Leere. Den Journalisten wird ins Stammbuch geschrieben, dass sie sich nicht die Medienarbeit der Staatsanwaltschaft zu eigen machen sollen. Parteiisch, so der Wunsch der Strafverteidiger, darf und muss nur ihre eigene Zunft sein.

MILOS VEC

Jürgen Durynek: "Korruptionsdelikte (§§ 331 ff. StGB)". Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert. (Juristische Zeitgeschichte, Abt. 3., Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung - Materialien zu einem historischen Kommentar 31). Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008. 521 S., geb., 68,- [Euro].

Klaus Bernsmann, Norbert Gatzweiler: "Verteidigung bei Korruptionsfällen". (Praxis der Strafverteidigung 33). C. F. Müller Verlag, Heidelberg 2008. 302 S., br., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Milos Vec hat mit Interesse zwei Bücher zum Korruptionsstrafrecht gelesen, die gleichermaßen sein Wohlwollen finden. Jürgen Durynek widmet sich dem Thema in rechtshistorischer Hinsicht und untersucht das Korruptionsstrafrecht der letzten 150 Jahre, das besonders in der letzten Zeit weit reichende Veränderungen erfahren hat, lässt uns der Rezensent wissen. Was das Buch auch für Nichtjuristen interessant mache, sei seine "erfrischend" kritische Position gegenüber dem rechtspolitischen Umgang mit Korruption. So hat sich das Korruptionsstrafrecht zwar enorm ausgeweitet und es werden immer mehr Praktiken als Korruption gewertet, in der Praxis erweist sich allerdings der "obrigkeitliche Bekämpfungswille" als eher moderat, fasst Vec die Einwände des Autors zusammen. Durynek kritisiert die Ausweitung der Korruptionsgesetzgebung und plädiert stattdessen für die wirksamere Anwendung des Disziplinarstrafrechts bei Korruption, wie Vec zustimmend mitteilt.

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