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Die Entdeckung unbekannter Länder und Kontinente brachte im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur das Weltbild des Alten Europa ins Wanken, sie löste auch eine schier unglaubliche Sammelleidenschaft und Neugierde auf alles Fremde und Exotische aus. Vom Fürsten bis zum Gärtner, vom Forscher bis zum Abenteurer und Spekulanten waren alle von dieser Leidenschaft erfasst. Der Handel mit fremdartigen Tieren und Pflanzen boomte: tot oder lebendig, getrocknet, gepresst oder in akribischen Zeichnungen festgehalten, kamen sie nach Europa und bereiteten einer neuen Kunstgattung den Weg - der…mehr

Produktbeschreibung
Die Entdeckung unbekannter Länder und Kontinente brachte im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur das Weltbild des Alten Europa ins Wanken, sie löste auch eine schier unglaubliche Sammelleidenschaft und Neugierde auf alles Fremde und Exotische aus. Vom Fürsten bis zum Gärtner, vom Forscher bis zum Abenteurer und Spekulanten waren alle von dieser Leidenschaft erfasst. Der Handel mit fremdartigen Tieren und Pflanzen boomte: tot oder lebendig, getrocknet, gepresst oder in akribischen Zeichnungen festgehalten, kamen sie nach Europa und bereiteten einer neuen Kunstgattung den Weg - der naturwissenschaftlichen Illustration. Deren Entwicklung und die schönsten, auch kuriosesten Blätter aus dem reichen Fundus der Royal Library at Windsor Castle stellt dieser Band vor. Den Bilderreigen eröffnet Leonardo da Vinci (1452- 1519), der zwar noch keine"Exotica"zeichnete, mit seinen auf Beobachtung beruhenden Naturstudien aber den Grundstein für die wissenschaftlich exakte Darstellung legte. Cassiano
dal Pozzo (1588-1657), der erste Enzyklopädist, sammelte in seinem"Papier- Museum"rund 7000 Blätter u.a. zur Naturgeschichte von der Antike bis zur Neuzeit, einschließlich der ersten Entdeckungen. Alexander Marshal (ca. 1620-1682) ließ in seinem mehrbändigen Florilegium die Saat der von weither eingeführten Sorten bereits in den heimischen Gärten Englands aufgehen. Maria Sybilla Merian (1647- 1717), die berühmteste Pflanzenillustratorin und Etymologin ihrer Zeit, war auch die erste Frau, die auf Expedition ging - 1699 erforschte sie in Surinam, damals Holländisch Guayana, vor Ort Blumen und Insekten und hielt sie in wunderschönen Aquarellen fest. Der Brite Mark Catesby (1682-1749) schließlich brachte die Flora und Fauna Nordamerikas nach Europa; die Ausbeute von zwei mehrjährigen Reisen veröffentlichte er in seiner dreibändigen, reich illustrierten Natural History of Carolina, Florida and the Bahama Islands.
Autorenporträt
David Attenborough, in Leicester geboren, kam 1952 zur BBC. Er widmete sich ab 1973 ganz seinen berühmten Tierfilmen, für die er weltweit mehrfach preisgekrönt wurde. "Das geheime Leben der Vögel" ist seine erste ausführliche Dokumentation einer einzigen Tiergruppe und zugleich eine aufwendige und umfassende im Fernsehen ausgestrahlte Naturgeschichte der Vögel. Sir David ist Vizepräsident der Royal Society for the Protection of Birds, Kurator des British Museum, Ehrenmitglied des Clare College und Mitglied der Royal Society. Auf dt. erschienen: "Lebensräume der Natur" (1989), "Spiele des Lebens" (1991), "Die Erde lebt" (Video, 1990), "Das geheime Leben der Pflanzen" (1995).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2008

Von Äffchen und Blumen
Ein Band mit Naturdarstellungen aus der königlichen Sammlung auf Schloss Windsor

Welch eigenartiges Albumblatt: zwei gelbblaue Papageien oder doch nur einer in zwei Posen, eine Wespe, eine Libelle, verschiedene Raupen, das einzelne Pflanzenblatt am unteren Bildrand, dann noch ein Krebs und zwei Windhunde. Alles akkurat nach dem Vorbild der Natur gezeichnet und aquarelliert, überwiegend wohl nach lebenden Exemplaren, nur der leuchtend rote Krebs ist offensichtlich schon gekocht, so wie manche seiner Verwandten auf Stilllebenarrangements.

Das Blatt stammt von Alexander Marshal, der in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts im Kreis wohlhabender englischer Naturliebhaber für seine Kunst vor allem der Pflanzendarstellung hoch geschätzt wurde. Die Gartenpassion griff damals in der besseren Gesellschaft um sich. Seit Ende des sechzehnten Jahrhunderts gelangten Pflanzen aus aller Welt in die europäischen Gärten, in Holland erlag man schon einige Jahrzehnte zuvor dem Tulpenfieber, und die Zahl der nicht länger bloß an medizinischen oder anderen Nutzanwendungen ausgerichteten Florilegien wuchs, selbst wenn Marshals Album im England seiner Zeit die Ausnahme blieb.

Eine Ausnahme war auch der Maler selbst, der nicht als Künstler nach Auftrag arbeitete, auch nicht naturkundliche Entdeckungen dokumentierte, sondern seinem Vergnügen nachging. Ein Gentleman-Maler, der auch eine beeindruckende Insekten- und Vogelsammlung anlegte und mit den hervorragendsten englischen Botanikern seiner Zeit befreundet war. Als er 1682 starb, hinterließ er über hundertfünfzig Blätter mit Pflanzenporträts. Eindrucksvoll jedes von ihnen und nicht zuletzt jene, auf denen er vom Pfad botanischer Tugend abwich. Dann tauchen plötzlich fliegende Graupapageien oder Äffchen unter den Blumen auf, sitzt in eigenartiger Größenverkehrung ein Windhund unter einer monumental wirkenden Sonnenblume, liegt ein toter Eichelhäher in plastischer Trompe-l'oeil-Manier am Fuß eine Blattes mit einer im Übrigen recht ordentlichen Blumengalerie.

Marshals Blätter gelangten später in die Sammlungen des englischen Königshauses. Aus ihr hat der Naturforscher und Tierfilmer David Attenborough gemeinsam mit Kuratoren der Royal Collection knapp achtzig Blätter mit Naturdarstellungen von der Renaissance bis ins achtzehnte Jahrhundert ausgewählt und zu einer beeindruckenden Bildergalerie zusammengestellt, die von Essays und Bildkommentaren erläutert wird. Neben Marshal fiel dabei die Wahl auf drei weitere Künstler und ein großes italienisches Albumprojekt.

Leonardo da Vincis berühmte Blätter aus der Sammlung auf Schloss Windsor - Tiere, Pflanzen, Landschaften, Anatomien - machen unweigerlich den Anfang. Aber mit einigen schönen Beispielen aus dem riesigen Konvolut des "Papiermuseums" von Cassiano dal Pozzo aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts ist dann gleich ein etwas weniger frequentiertes Gebiet erreicht.

Cassiano trat 1623 als Sekretär in den Dienst Kardinal Francesco Barberinis, dessen Onkel im selben Jahr als Urban VIII. zum Papst aufstieg. Damit war er im römischen Patronagesystem ebenso wie in den künstlerischen und intellektuellen Zirkeln Roms gut verankert, wovon sein Naturalienkabinett und die rasch wachsende Sammlung von Zeichnungen und Drucken profitierte. Um Kunst ging es dabei allerdings nicht, sondern um minutiöse Dokumentation; ob nun von Zeugnissen der Antike, denen sein antiquarisches Interesse galt, oder von Pflanzen, Tieren, Pilzen, Mineralien und Fossilien, die auf den zweitausendfünfhundert naturkundlichen Blättern festgehalten sind.

Auf der möglichst genauen Darstellung von Formen, Texturen und Farben lag dabei ein bis dahin unbekannter Nachdruck. Diese Art der Darstellung sollte neue Möglichkeiten der Naturkenntnis eröffnen, indem sie die immer schon bereitstehenden Klassifikationen und Erklärungen der tradierten Naturphilosophie empirisch unterlief. Das entsprach dem Programm der von Federico Cesi 1603 gegründeten Academia dei Lincei, der "Luchsäugigen". Ihr bekanntestes Mitglied war Galileo Galilei, der ein Mikroskop stiftete, das für die Darstellung vergrößerter Details verwendet wurde. Sie zählen zu den frühesten Zeichnungen, die mit dieser Technik hergestellt wurden.

Zum modernen naturphilosophischen Programm gehörte auch die Aufmerksamkeit für Missbildungen: Wo die Natur aus dem Gleis sprang, sollten sich ihre verborgenen Mechanismen und Bauprinzipien leichter erraten lassen. So kann man etwa merkwürdig gestaltete Zitrusfrüchte oder Melonen bestaunen. Wenn man nicht gleich zu den faszinierenden Tierbildern blättert, zum Beispiel zu einem Rosapelikan, um die Farbgebung seines Schnabels zu bewundern. Cassiano beschreibt sie selbst in einer seiner handschriftlich zirkulierenden kurzen Abhandlungen "wie ein Wunder, denn die Farben verliefen in Wellen oder Bändern und flossen ineinander - Fleischrosa, Gelb und ein Azur, das fast einem blassen Indigo gleichkam".

Die genaue Beobachtung der Tiere in ihrem natürlichen Umfeld zeichnete Maria Sibylla Merian aus, die als Naturforscherin von Rang gelten darf und mit schönen Blättern vertreten ist. Die meisten datieren nach ihrer Rückkehr von einem zweijährigen Aufenthalt in Surinam, der sich ihr 1705 erschienenes Werk über die Metamorphose dort heimischer Tag- und Nachtfalter verdankte. Unter ihnen findet man auch den Laternenträger, jenes spektakuläre Insekt mit dem langen, hohlen Kopffortsatz, der unstreitig dem Kopf eines winzigen Krokodils ähnelt. Zwar leuchtet diese "Laterne" nicht, wie Merian behauptete, aber Rätsel gibt die Herausbildung dieses Merkmals bis heute auf.

Fast verspielt und ornamental wirken die Inszenierungen von Merians Bildern, vergleicht man sie mit den Aquarellen ihres jüngeren englischen Zeitgenossen Mark Catesby, die den Band beschließen: Vorarbeiten für sein großes Werk über die Flora und Fauna an der Ostküste Nordamerikas. Der Autodidakt fand manchmal zu verblüffenden Kompositionen.

Die Tafeln für sein Werk gab Catesby nicht eigens bei Stechern in Auftrag, sondern eignete sich diese Technik selbst an. Nicht ohne einige Veränderungen an ihr vorzunehmen, wenn er auf das Schraffieren verzichtete und "lieber dem Gefüge der Federn folgte, was aufwendiger ist und, wie ich hoffe, zweckdienlicher". Womit er noch einmal die Maxime der naturgetreuen Darstellung zum Ausdruck brachte. Sie ließ, das zeigen die Bilder in diesem Band, immer noch genügend Raum für ganz verschiedene Auffassungsweisen und Handschriften.

HELMUT MAYER

David Attenborough: "Wunderbare seltene Dinge". Die Darstellung der Natur im Zeitalter der Entdeckungen. Mit Essays von David Attenborough, Susan Owens, Martin Clayton und Rea Alexandratos. Illustrationen von Leonardo da Vinci, Cassiano dal Pozzo, Alexander Marshal, Maria Sibylla Merian und Mark Catesby. Aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp. Verlag Schirmer/Mosel, München 2008. 223 S., 88 Farbtafeln, Abb., geb., 49,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fasziniert zeigt sich Helmut Mayer von David Attenboroughs Band mit Naturdarstellungen aus den Sammlungen des englischen Königshauses. Die Auswahl von Illustrationen von der Renaissance bis ins achtzehnte Jahrhundert, die der Naturforscher und Tierfilmer gemeinsam mit Kuratoren der Royal Collection getroffen hat, ist für ihn eine "beeindruckende Bildergalerie", die von Essays und Bildkommentaren ergänzt wird. Bei der naturgetreuen Darstellung von Tieren, Pflanzen, Mineralien und Fossilien - der Band versammelt Illustrationen von Leonardo da Vinci, Cassiano dal Pozzo, Alexander Marshal, Maria Sibylla Merian und Mark Catesby - ging es Meyer zufolge nicht um Kunst, sondern um "minutiöse Dokumentation", die auf Naturerkenntnis zielte.

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