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Auf der Suche nach Glück reist 1868 ein junger Student ins unbekannte Sibirien. In einer zwielichtigen Hafenstadt am Japanischen Meer wird er das Opfer eines zwielichtigen Anschlags. Er überlebt, aber eine Frage läßt ihn nicht los: Wer wollte ihn umbringen? In ihrem Roman, der Kriminalgeschichte, Historiengemälde und Abenteuerroman in einem ist, entführt uns Kristina Carlson ans Ende der Welt - und in die Tiefe der menschlichen Seele.

Produktbeschreibung
Auf der Suche nach Glück reist 1868 ein junger Student ins unbekannte Sibirien. In einer zwielichtigen Hafenstadt am Japanischen Meer wird er das Opfer eines zwielichtigen Anschlags. Er überlebt, aber eine Frage läßt ihn nicht los: Wer wollte ihn umbringen?
In ihrem Roman, der Kriminalgeschichte, Historiengemälde und Abenteuerroman in einem ist, entführt uns Kristina Carlson ans Ende der Welt - und in die Tiefe der menschlichen Seele.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2000

Wo Ziegelsteine grundlos fallen
Kristina Carlsons Debütroman "Ins Land am Ende der Welt"

Mord! Oder doch beinahe. Eines Abends wird Lennart Falk auf dem Heimweg von der Arbeit mit einem Ziegelstein niedergeschlagen. Er überlebt schwerverletzt, und die Frage, wer ihm heimtückisch nach dem Leben trachtete, läßt ihm keine Ruhe mehr. Ein Krimi also. Das Ganze spielt, mit dem Anschein dokumentarischer Treue, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Demnach ein historischer Roman. Schauplatz ist jene Weltregion, wo die Winter niemals zu enden scheinen und die Sommer kurz und intensiv sind. Nein, nicht Grönland ist gemeint, sondern Ostsibirien, Land des Amur und der ungeheuren Schneeschmelzen. Es ist die Zeit, in der wagemutige Expeditionen die Weiten Sibiriens erst erschließen, die kleine Hafenstadt, in der Lennart Falk lebt, ist ein Außenposten der Zivilisation, ein großer Teil der Einwohner besteht aus ehemaligen Sträflingen und Glücksrittern. Das hat ja viel von einer Abenteuergeschichte. Lennart hatte übrigens, vor der Sache mit dem Ziegelstein, Affären mit der Frau und dann auch noch der Tochter seines Chefs. Wenn das kein Liebesroman ist.

Ein solches Crossover der Romangattungen erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Man kalkuliert darauf, daß sich die Qualitäten und Spannungsfaktoren multiplizieren, aber diese Rechnung muß nicht aufgehen, wie "Ins Land am Ende der Welt", der Debütroman der 1949 geborenen finnischen Autorin Kristina Carlson, eindrucksvoll belegt. Auf diesem mit dem höchsten finnischen Literaturpreis ausgezeichneten Buch liegt eine zentnerschwere, graue Melancholie. Man kennt das von anderen Erzeugnissen nördlicher Kultur, den Filmen Kaurismäkis etwa, die allerdings zugleich das Gegenmittel parat halten: den skurrilen finnischen Humor.

Carlsons Figuren wirken alle so, als hätten sie den einen oder anderen Ziegelstein auf die Stirn bekommen. Lennart, der dem Trunk ergebene Jurastudent, wurde vom Vater mit Empfehlungsschreiben nach Sibirien geschickt, auf daß er sich dort in einem Verwaltungsposten bewähren möge. An Selbstkritik mangelt es dem jungen Mann nicht. "Ich bin keiner, der zupackend ans Werk geht", gesteht er. "Ob es in meinem Charakter ein Leck gibt?" Er leide an schwachem Willen und gegenstandsloser Sehnsucht, sei ein "Feigling", ein "Tropf", ein "Schafskopf". Anfangs denkt man noch, es handele sich um die halb kokette, halb komische Selbstdarstellung eines Décadents, bald aber muß man einsehen: er hat vollkommen recht. Bei der Liebeswerbung schadet ihm das jedoch nicht: "Ich plapperte wohl, wie ich es manchmal aus bloßer Schüchternheit tue, und Vera hörte mir zu, denn die Frauen lehrt man, auch den dümmsten Reden der Männer zuzuhören."

Auch Lennarts Chef, der Hafenkapitän und Magazinvorsteher Petrow, ist ein Mann, dem es "an Fähigkeiten mangelt", eine echte Niete, die nur durch Beziehungen an ihr Amt gekommen ist und sich nur durch Bestechung darin hält. Er "kann nicht rechnen", er "vermag die Ziffern nicht in Spalten einzutragen", und so sieht die Buchhaltung dann auch aus. Eine weitere wichtige Figur ist der Arzt Gantz, bei dem der verstörte Lennart in den letzten Wochen seines Lebens wohnt. Er ist der Rahmenerzähler, der nicht loskommt vom Schicksal des Ziegelsteinopfers, denn Lennart hat ihm "seine schmerzenden Zehen hinterlassen". Hier ist eine Erklärung nützlich. Dieser Arzt hat nämlich eine Theorie entwickelt, die ebenfalls auf ein Leck im Charakter schließen läßt. Er glaubt, daß "nach dem Tod die vom menschlichen Leib befreiten Atome umherschweben, auf der Suche nach einem Kraftfeld, an dem sie sich erneut festmachen und ihre Existenz fortsetzen können. Ich habe Lennarts Zehen abbekommen". Und diese Zehen, die der vorherige Eigentümer sich einst stark verkühlt hatte, geben keine Ruhe. Immerhin mal ein neuer Grund, warum jemand zu erzählen beginnt.

Beweisen solche Episoden doch noch den skurrilen finnischen Humor, der sich in der möglicherweise spröden Übersetzung nur nicht richtig entfalten kann? Gehören zu diesem Humor auch die Sprachbilder und Vergleiche? Da zeigt ein Mädchen zum Beispiel eine "beängstigende Leidenschaft, so als ob sie ihren Schatten verschluckt hätte". Humorvoll ist vielleicht auch die Auflösung des Kriminalfalls gemeint. 188 Seiten lang hat Lennart und mit ihm der unwillige Leser gegrübelt, wer ein Motiv gehabt haben könnte, ihn zu ermorden. War es Petrow? Waren es, Eifersucht macht Mörder, die Mutter oder die Tochter? War es einer der Glücksritter, der mit Lennart eine dubiose Bergbaugesellschaft gründen wollte? Am Ende werden die verschiedenen Mordtheorien noch einmal gründlich und systematisch aufgeführt, um dann sämtliche Sinnkonstruktionen (scherzhaft?) ins Leere laufen zu lassen. Der Ziegel war für einen anderen Kopf bestimmt, Lennart kam nur im unpassendsten Moment vorbei. In einer Kriminalgeschichte wäre ein solcher Schluß "nicht akzeptabel", sinniert die Erzählerin. Ist das nun komisch?

Ein Lachen stecke mitunter auch diejenigen an, die den Witz nicht gehört haben, heißt es an einer Stelle dieses zähen Buches. Vielleicht hat die Autorin zu sehr auf diesen Effekt vertraut.

WOLFGANG SCHNEIDER

Kristina Carlson: "Ins Land am Ende der Welt". Roman. Aus dem Finnischen übersetzt von Stefan Moster. Alexander Fest Verlag, Berlin 2000. 190 S., geb., 34,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Klaus Böldl ist von diesem Roman, in dem ein gescheiterter Student 1868 von Helsinki nach Sibirien geschickt wird und dort einem Mordanschlag zum Opfer fällt, dem er allerdings nicht sofort erliegt, völlig in Bann geschlagen. Er ist beeindruckt von der Fähigkeit der finnischen Autorin mit "beiläufigen Impressionen eine versunkene Welt neu zu erschaffen" und preist die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der sie ihre Geschichte entfaltet. An keiner Stelle verfalle Carlson in ein "schales Entdeckerpathos" oder trumpfe mit "Exotik" auf, lobt der Rezensent, den es überhaupt nicht wundert, dass die Autorin für diesen Debütroman den renommierten finnischen Literaturpreis erhalten hat. Dieser Roman wirkt nach, so der begeisterte Rezensent, und noch lange nach der Lektüre müsse man immer mal wieder an den "seltsamen Weltwinkel" zurückdenken, den der Roman so eindringlich beschreibe.

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