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Männer in Uniform gehen von Haus zu Haus, hämmern an Türen, erteilen den Befehl zusammenzupacken. Fischerboote werden konfisziert, Menschen aus ihren Häusern getrieben. Auch Bins Familie, seine Geschwister Hiroshi und Keiko, seine Eltern, werden eines frühen Morgens, zu Beginn des Jahres 1942, abgeholt und weit fortgebracht, fort von ihrem Haus auf Vancouver Island, fort von dem Leben, das ihres war. Frances Itani widmet sich einem bislang wenig bekannten Kapitel kanadischer Geschichte: der Internierung aller Bürger japanischer Abstammung nach dem Angriff auf Pearl Harbor. Tausenden wurden…mehr

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Produktbeschreibung
Männer in Uniform gehen von Haus zu Haus, hämmern an Türen, erteilen den Befehl zusammenzupacken. Fischerboote werden konfisziert, Menschen aus ihren Häusern getrieben. Auch Bins Familie, seine Geschwister Hiroshi und Keiko, seine Eltern, werden eines frühen Morgens, zu Beginn des Jahres 1942, abgeholt und weit fortgebracht, fort von ihrem Haus auf Vancouver Island, fort von dem Leben, das ihres war.
Frances Itani widmet sich einem bislang wenig bekannten Kapitel kanadischer Geschichte: der Internierung aller Bürger japanischer Abstammung nach dem Angriff auf Pearl Harbor. Tausenden wurden Heim und Lebensgrundlage genommen, sie wurden in entlegene Teile des Landes verfrachtet und ihrer Freiheit beraubt. Fünfzig Jahre später macht sich Bin Okuma auf, das Land zu durchqueren und zum Lager am Fraser River zurückzukehren, dorthin, wo sein Vater einst, nach Jahren der Entbehrung und Not, eine Entscheidung traf, die sein Leben für immer veränderte. Ein Roman über eine Familie, die in die Fährnisse der Geschichte geriet, ein Roman von großer elegischer Kraft.
Autorenporträt
Patricia Klobusiczky, 1968 geboren, studierte Literaturübersetzen, arbeitete lange als Lektorin und ist seit 2006 freie Übersetzerin, Moderatorin und Lektorin. Sie übersetzt Werke von u.a. Lorrie Moore, Frances Itani, William Boyd und Louise de Vilmorin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gerührt zeigt sich Ulrich Baron, wenn Frances Itani in ihrem Roman von der Internierung japanischstämmiger Kanadier nach der Bombardierung von Pearl Harbor erzählt. Baron vergleicht das Buch mit David Gutersons "Schnee, der auf Zedern fällt" und stellt fest, dass die Autorin, anders als Guterson, weniger kammerspielartig erzählt, als in einer Synthese aus Privatem und Distanz. Die persönliche und die allgemeine Tragik verschmelzen laut Baron in der Geschichte um die Internierten und ihren Widerstand. Verdrängte Geschichte wird für den Rezensenten sichtbar vor dem Hintergrund der Weite Kanadas.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2015

Staub liegt auf den Häusern
Frances Itani erzählt in ihrem Roman „Requiem“ von der Internierung japanischstämmiger Kanadier nach der Bombardierung von Pearl Harbor
„Ich bin sicher, das – die Ohren im Staub – macht er mit Absicht“, meint der Ich-Erzähler. Während der Maler Bin Okuma im kanadischen Ottawa mit seiner Schwester Kay telefoniert, verleiht sein sechzig Pfund schwerer Bassett-Hund Basil einem unaussprechlichem Kummer Ausdruck, indem er mit hängendem Kopf einen Putzlumpen durch die Wohnung schleift. Mit Kay hat Bin gerade über seinen Vater gesprochen, der in British Columbia lebt und immer wieder nach ihm fragt. Der Lumpen war Teil eines Sweatshirts, das seiner vor Kurzem verstorbenen Frau Lena gehört hat. Seitdem ihr gemeinsamer Sohn Greg zum Studium an die Ostküste gezogen und Lena einem Schlaganfall zum Opfer gefallen ist, hat Basil sein Rudel verloren. Und der Erzähler zum zweiten Mal seine Familie.
  Was jahrzehntelang verdrängt worden war, bricht nun wieder auf. Bin Okuma greift ein zweites Mal zum Hörer und sagt seinem Sohn, dass er nach Westen reisen werde. Dorthin, wo er und seine Angehörigen im Jahre 1941 zusammen mit Tausenden anderen japanischstämmigen Kanadiern in Zeltlagern interniert worden waren, nachdem man sie aus ihren Fischerdörfern am Pazifik abgeholt und ihr Hab und Gut Plünderern überlassen hatte.
  Von seinem Geburtsort hat Bin zwei Bilder im Gedächtnis bewahrt. Auf dem ersten schleppen eine hellhaarige jüngere und eine ältere Frau eine Singer-Nähmaschine und deren Deckel davon. Auf dem zweiten wuchten vier Männer das Klavier seiner Lehrerin auf einen Planwagen. Keiner würdigt seine ehemaligen Nachbarn, die auf ein Transportschiff verfrachtet worden sind, auch nur eines Blickes.
  Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor wurden die japanischstämmigen Bürger Nordamerikas, die vor allem als Fischer und Farmer an der Westküste gelebt hatten, massenhaft deportiert. Was David Guterson mit „Schnee, der auf Zedern fällt“ für die USA erzählt hatte, erzählt die mit einem japanischstämmigen Mann verheiratete Frances Itani nun für Kanada. Was bei Guterson der Kammerspielton eines Gerichtssaals ist, ist bei Itani eine Synthese von Privatheit und Distanz, von allgemeiner und persönlicher Tragik.
  Noch vor jenem Telefongespräch, das die 1997 spielende Gegenwartshandlung einleitet, steht eine Familienszene im Lager, bei dem die Familie noch komplett ist. Dann setzt die Gegenwartserzählung ein, in einem Haus, über das sich Staub und Trauer gelegt haben, und mit zwei Ferngesprächen, die räumliche wie zeitliche Distanzen überbrücken. Und so bricht ein Mann mit seinem Hund auf. Nach Westen in seine Vergangenheit.
  Basil fungiert als schlappohriges Stimmungsbarometer, in dem Melancholie und Bewegungsdrang konkurrieren. Der Tragik der Internierung steht die imponierende Tatkraft der Internierten gegenüber, die ihr Zelt- bald in ein Barackenlager verwandeln, Äcker pachten und einen florierenden Gemüsehandel aufbauen. Aber eines Tages hatte Bin nach einem Familienausflug erfahren, dass dies eine Abschiedsvorstellung gewesen war: „Mein Vater, dem zwei Söhne beschert waren, hatte den Entschluss gefasst, mich wegzugeben. Ich sollte fortan zu Okuma-san gehören, dem Mann, der am Ende unser Barackenreihe lebte, allein, und dem das Glück eines eigenen Sohnes, der den Familiennamen weitertragen würde, versagt geblieben war.“
  Mitten im allgemeinen, schon halbwegs bewältigten Unglück hatte den Erzähler hier ein ganz persönliches getroffen. Dabei ist der verwitwete Klavierlehrer Okuma-san ein guter Adoptivvater und Lehrer. Mangels Instrument hat er sich eine Klaviatur auf ein Holzbrett gemalt und spielt darauf, bis seine Finger in der Kälte aufplatzen. Er fördert Bins Zeichentalent und hilft ihm auf einem Weg, auf dem ihn sein „Erstvater“ nicht hätte unterstützen können.
  So rettet dieser Mann das, was mit dem Diebstahl jenes Klaviers zu verklingen gedroht hatte, doch wie hätte ein Kind, das sich verstoßen fühlte, das begreifen können? Die Klaviatur, auf der Okuma-san spielt, als ginge es um sein Leben, ist stumm. So geht es bei der Bildung seines Ziehsohnes darum, ihn hören und sehen zu lehren, was andere Menschen weder zu hören noch zu sehen fähig sind. Wie Guterson überspielt auch Itani die politische Brisanz ihrer Hintergrundgeschichte durch eine Erzählung über Menschen, die auf ihre ganz eigene Weise unglücklich geworden sind. Und zugleich auch glücklich, denn als Sohn des Klavierlehrers hat Bin Okuma werden können, was er als Sohn eines ehemaligen Fischers kaum geworden wäre: ein erfolgreicher Künstler. Mit seinem eigenen Sohn wird Bin später einen Fluss belauschen und das Polarlicht beobachten.
  Jedem Zauber wohnt auch ein Abschied inne. Und was beschäftigt den Maler und Zeichner Bin Okuma besonders? Flüsse sind es, die er auch während seiner Reise, seiner Rückkehr zum Vater auf Papier zu bannen sucht, Kanadas Flüsse und was dort fließt. So ist Frances Itanis „Requiem“ nicht nur ein Roman über verdrängte Geschichte und persönliche Tragik, sondern auch ein Buch, das die unendlich anmutenden Weiten Kanadas ausmisst und sie mit Wörtern, Bilder, Klängen erfüllt, das dem Augenblick Dauer zu verleihen sucht und der verfließenden Zeit, der man hinterher zu müssen meint.
ULRICH BARON
  
Frances Itani: Requiem. Roman. Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky. Berlin Verlag, Berlin 2014. 351 Seiten, 19,99 Euro. E-Book: 15,99.
Internierungscamp in British Columbia.
Foto: Library and Archives Canada
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"Frances Itanis 'Requiem' ist ein einfühlsames Buch über eine ungewöhnliche Familiengeschichte, über Liebe, Mitgefühl, Verdrängung und Versöhnung. Es schildert ein kleines Stück Geschichte am Rande des großen Weltgeschehens.", Wochenspiegel, 21.11.2015