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Herkunft und Geschichte des Menschen (Mängelexemplar) - Olson, Steve
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Die Genetik hat in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen, den Werdegang der Menschheit besser nachvollziehen zu können. Die Möglichkeit, mit Hilfe der DNA genetische Stammbäume zurückzuverfolgen, eröffnet wahrhaft erstaunliche Einblicke in unsere Vergangenheit. Steve Olson erzählt die Geschichte unserer Herkunft ebenso verständlich wie spannend. Bei seiner Spurensuche greift er auf die neuesten Erkenntnisse keineswegs nur aus der Genetik, sondern auch aus der Archäologie oder der Sprachwissenschaft zurück. Olson begibt sich auf eine faszinierende Reise durch vier Kontinente und…mehr

Produktbeschreibung
Die Genetik hat in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen, den Werdegang der Menschheit besser nachvollziehen zu können. Die Möglichkeit, mit Hilfe der DNA genetische Stammbäume zurückzuverfolgen, eröffnet wahrhaft erstaunliche Einblicke in unsere Vergangenheit.
Steve Olson erzählt die Geschichte unserer Herkunft ebenso verständlich wie spannend. Bei seiner Spurensuche greift er auf die neuesten Erkenntnisse keineswegs nur aus der Genetik, sondern auch aus der Archäologie oder der Sprachwissenschaft zurück.
Olson begibt sich auf eine faszinierende Reise durch vier Kontinente und schildert, wie sich unsere Urahnen vor 150 000 Jahren - also vor rund 7500 Generationen - vom östlichen Afrika aus über den Erdball ausgebreitet haben, in den Nahen Osten, nach Asien, Europa und Amerika. Er stellt uns herausragende Wissenschaftler vor, die mit ihrer Forschung dazu beigetragen haben, diese komplexe genetische Geschichte zu entschlüsseln, und er vermittelt überraschende Details: Warum beispielsweise jeder von uns Julius Cäsar und Konfuzius als gemeinsame Vorfahren benennen könnte oder warum Neandertaler und Homo sapiens mehrere Jahrtausende nebeneinander lebten, ohne sich zu vermischen.
Nach und nach entwickelten sich einzelne Gruppen, die sich in ihrem Aussehen und in ihren Gebräuchen voneinander unterschieden. Eine entscheidende und faszinierende Erkenntnis der jüngeren Forschung ist laut Olson jedoch, dass ebendiese Unterschiede allenfalls oberflächlicher Natur und in genetischer Hinsicht vernachlässigbar gering sind. Insofern entbehren auch Vorstellungen, Menschen ließen sich in "Rassen" einteilen oder eine Gruppe sei einer anderen biologisch überlegen, jeglicher Grundlage.
Für Olson entstehen die Unterschiede, die wir in Bezug auf Menschen machen, lediglich in unseren Köpfen - und nicht in unseren Genen.
Autorenporträt
Steve Olson zählt in den USA zu den herausragenden Wissenschaftsautoren. Er schreibt regelmäßig Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften wie Science oder Atlantic Monthly. Darüber hinaus hat er für die National Academy of Sciences und für das Institute of Genomic Research in Washington, D.C., gearbeitet. Steve Olson lebt in Bethesda, Maryland.
Rezensionen
Mit Haut- und Haaranalyse

Die menschliche Art ist nicht in Rassen aufgeteilt: Steve Olson zerlegt eine Legende

Anthropologen des 19. Jahrhunderts trieben einen Riesenaufwand an Schädelvermessungen, an Haar- und Hautanalysen, um Menschengruppen aufgrund physisch-biologischer Kriterien gegeneinander abzugrenzen. Nicht alle gingen so weit wie Ernst Haeckel, der die Menschenfamilie in nicht weniger als vier Genera mit insgesamt zwölf Arten gliederte. Der Morphologe Haeckel setzte sich dabei großzügig über die Tatsache hinweg, dass alle Menschen in der Lage sind, sich miteinander zu paaren und fruchtbare Nachkommen zu zeugen, und stellte die von ihm als getrennte Arten betrachteten, außerhalb der sogenannten Zivilisation lebenden Menschengruppen als Übergangsformen vom Tier zum Menschen dar. Noch in den „Lebenswundern” von 1904 schrieb er: „Diese Naturmenschen (z. B. Australneger) stehen in psychologischer Hinsicht näher den Säugethieren (Affen, Hunden), als dem hochcivilisirten Europäer; daher ist auch ihr individueller Lebenswerth ganz verschieden zu beurtheilen.”

In der Regel versuchte man um die Jahrhundertwende immerhin, dem biologischen Artkriterium gerecht zu werden und sprach von „Menschenrassen”. Viele Genetiker des frühen 20. Jahrhunderts speisten die Erwartung, den Rassebegriff der Anthropologen genetisch untermauern zu können. Der mörderischste Rassenwahn des 20. Jahrhunderts, der nationalsozialistische, griff begierig nach dem Angebot eines vermeintlich wissenschaftlichen menschlichen Rassebegriffs, der zwischen biologisch minderwertigem und biologisch höherwertigem Erbgut unterschied.

Insofern mag es fast als eine Ironie der Wissenschaftsgeschichte erscheinen, wenn der amerikanische Wissenschaftsautor Steve Olson in seinem neuen Buch über Herkunft und Geschichte des Menschen die Ergebnisse der molekulargenetischen Diversitätsuntersuchungen der letzten vier Jahrzehnte in der provokanten Frage zusammenfasst: „Was, wenn das unterschiedliche Erscheinungsbild von Menschengruppen ein historischer Zufall ist, ein biologischer Witz, der nicht mehr Substanz besitzt als Masken bei einem Kostümfest?” Es sieht so aus, als wäre es ausgerechnet dem entschiedenen Betreiben molekularer humangenetischer Analyse zu verdanken, dass sich der Begriff biologischer Menschenrassen am Ende eines langen genetischen Jahrhunderts in Nichts auflöst; ein Spuk, den uns eine Wissenschaft bescherte, die nun dabei ist, sich mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Die genetische Varianz innerhalb von Gruppen ist, wo man die Grenzen auch zieht, größer als die genetische Distanz zwischen solchen Gruppen.

Steve Olson gibt uns einen faszinierenden Einblick in den Stand der wissenschaftlichen Diskussion über die Geschichte des modernen Menschen. Bei der Untersuchung dessen, was die Gene über unsere Vergangenheit verraten, hat der italienische, in den USA lebende und arbeitende Molekulargenetiker Luca Cavalli-Sforza Pionierarbeit geleistet. Von der rasanten Entwicklung der Gentechnologie profitierend, haben Chromosomen- und Mitochondrienanalysen der letzten Jahrzehnte die Vermutung erhärtet, dass sämtliche heute lebenden Menschen von einer kleinen Gruppe von modernen Menschen abstammen, die vor etwa 100 000 bis 200 000 Jahren irgendwo in Ostafrika lebten. Von hier aus breiteten sie sich in mehreren Wanderungswellen über den afrikanischen Kontinent und über den Nahen Osten einerseits nach Europa und andererseits nach Südostasien bis Australien und gegen Norden über die Beringstraße schließlich bis nach Nord- und Südamerika aus.

Diese Wege können durch DNA-Analyse annäherungsweise verfolgt werden. Dabei hat sich besonders die Untersuchung von bestimmten Sequenzmustern auf der mitochondrialen DNA als aufschlussreich erwiesen. Diese ringförmige DNA von etwa 16 500 Bausteinen kommt in den „Kraftwerken” der Zelle – den Mitochondrien – vor und vererbt sich ausschließlich mütterlicherseits über das Eiplasma. Im Laufe der Jahrtausende ist es beim modernen Menschen durch Flaschenhalseffekte und geographische Isolation von Populationen wohl zu genetischen Sonderentwicklungen gekommen, jedoch kam es ebenso oft zu erneuter Durchmischung aufgrund von Gruppen- und Völkerwanderungen.

Ob sich der moderne Mensch mit archaischen Menschen jemals paarte, etwa in Europa mit dem Neandertaler, bleibt umstritten. Anthropologen vertreten heute eher die Meinung, dass die archaischen Homo-Arten in Sackgassen endeten oder vom modernen Menschen verdrängt wurden. Svante Pääbo mit seiner Gruppe vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig kommt aufgrund der Analyse mitochondrialer DNA aus Neandertaler- Knochen zu dem Ergebnis, dass die Verzweigung der beiden Linien, die zum Neandertaler und zum modernen Menschen führten, vor etwa einer halben Million Jahren stattgefunden haben muss.

Die Analyse menschlicher DNA wirft neues Licht auf die Menschheitsgeschichte der letzten 200000 Jahre. Neben die Paläanthropologie und die Linguistik ist die Molekulargenetik getreten. Sie lehrt uns, dass alle heute lebenden Menschen aufs Engste miteinander verwandt sind. Das Problem der Ethnizität darf grundsätzlich nicht biologisch, sondern nur kulturell verstanden werden. Es kann deshalb auch nicht biologisch, sondern nur kulturell gesteuert werden. Nicht nur die Verwendung eines biologischen Rassebegriffs zur Erklärung kultureller Leistungen, von Claude Lévi-Strauss als die „Erbsünde” der Anthropologie bezeichnet, wäre somit obsolet, sondern der biologische Rassebegriff überhaupt in seiner Anwendung auf den heutigen Menschen.

Das ändert natürlich nichts an der Realität individueller genetischer Unterschiede. Wie gehen wir mit ihnen um? Olson hat das humangenetische Dilemma wie folgt formuliert: „Einerseits können wir nur verstehen, wie ähnlich wir uns sind, wenn wir herausfinden, inwiefern wir uns unterscheiden. Andererseits kann die Erforschung menschlicher Unterschiede aber auch jenen in die Hände spielen, die diese Unterschiede in den Vordergrund rücken wollen.” Wer solche Unterschiede erforscht, bleibt also aufgerufen, deren Hypostasierung zu verhindern.

HANS-JÖRG RHEINBERGER

STEVE OLSON: Herkunft und Geschichte des Menschen. Was die Gene über unsere Vergangenheit verraten. Berlin Verlag, Berlin 2003. 422 Seiten, 22 Euro.

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