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Erotische Intrigen, auf immer verlorener Ruhm und seine ungeduldigen Gläubiger lassen dem österreichischen Komponisten Gottlieb Pertl nur einen Ausweg: die Flucht. Unter dem Namen Chrisostomos Mazarini flieht er 1791 aus Wien, wo man ihn tot glaubt, nach Italien. Die Französische Revolution hat das Abendland erschüttert, und nun fällt Napoleon über Europa her. Mazarini taucht als fahrender Musikant und Glücksspieler in diesen Wirren unter, doch seine Verfolger sind ihm auf der Spur. Über Triest und Venedig führt ihn sein Schicksal an den Kriegsschauplatz Korfu, wo er dem Dichter Andreas Roilos…mehr

Produktbeschreibung
Erotische Intrigen, auf immer verlorener Ruhm und seine ungeduldigen Gläubiger lassen dem österreichischen Komponisten Gottlieb Pertl nur einen Ausweg: die Flucht. Unter dem Namen Chrisostomos Mazarini flieht er 1791 aus Wien, wo man ihn tot glaubt, nach Italien. Die Französische Revolution hat das Abendland erschüttert, und nun fällt Napoleon über Europa her. Mazarini taucht als fahrender Musikant und Glücksspieler in diesen Wirren unter, doch seine Verfolger sind ihm auf der Spur. Über Triest und Venedig führt ihn sein Schicksal an den Kriegsschauplatz Korfu, wo er dem Dichter Andreas Roilos begegnet, der auf der Insel im Exil lebt und zwischen Sympathie für die Franzosen und romantischer Vaterlandsliebe schwankt. Die beiden Künstler, in denen Orient und Okzident aufeinandertreffen, verbindet neben den aufgeklärten Idealen und der Auseinandersetzung mit ihrer Kunst eine bodenlose Schuld: Liebschaften, die gegen alle Gesetze verstießen und unschuldige Opfer forderten. Als d ie russisch-türkische Koalition die Insel besetzt, fliehen die Abenteurer mit einem Kamel aufs Festland. In den griechischen Bergen geraten sie in die Hände von Freiheitskämpfern, werden gerettet und gelangen schließlich an den Hof des aufgeklärten Tyrannen Ali Pascha in Jannina. Diese spannende, mediterrane Scharade spielt in einem authentischen historischen Rahmen zur Zeit der napoleonischen Kriege und erzählt viele unwahrscheinliche, grausame und komische Geschichten in einer. Vor einer sinnlich-orientalischen Kulisse behandelt Alexis Panselinos mit ironischem Augenzwinkern Themen wie Identität und Nation und entwirft einen utopischen Vorschlag zu deren Überwindung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2002

Wir sind hier nicht in Wien, Wölfi
Mozart auf Welttournee: Ein Historienroman von Alexis Panselinos

Unter Literaten scheint ein geheimes Abkommen zu bestehen, dem zufolge waschechte historische Romane mindestens ein halbes Tausend Seiten Umfang aufweisen müssen. Auch der dritte, unlängst auf deutsch erschienene Roman des 1943 in Athen geborenen Alexis Panselinos hält sich an diese Regel. Mit "Zaide oder Das Kamel im Schnee", dessen neugriechisches Original bereits 1996 vorlag, entführt der gelernte Jurist die Leser in die Zeit der Napoleonischen Feldzüge kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert, die auch das türkisch besetzte Griechenland heftig in Aufruhr versetzten und mit den Ideen der Aufklärung infiltrierten.

Panselinos' Protagonist, der Komponist Gottlieb Pertl, verläßt, getrieben durch unglückliche Amouren, Schulden und die politischen Umstände, das westliche Europa über Venedig und Triest. Die Bekanntschaft mit zwei homosexuellen Italienern, die ihr Heil im Osten suchen wollen, bringt Pertl dazu, unter dem Namen Chrisostomos Mazarini sein altes Leben hinter sich zu lassen und einem neuen, orientalischen entgegenzutreiben. Auf Korfu, der ersten Station auf griechischem Boden, trifft Mazarini dann seinen Konterpart, den Dichter Graf Roilós, der durch die Kriege zwischen Franzosen, Russen und Albanern ebenfalls zum Vertriebenen geworden ist.

Vor dem Hintergrund der Kriegswirren zeichnet Panselinos die Entwicklungen seiner Protagonisten nach. So verwandelt sich Mazarinis unfreiwillige Reise allmählich in einen Bußgang, dessen abenteuerliche Prüfungen ihm scheibchenweise Ablaß für seine unmoralische Vergangenheit gewähren. Roilós' Versuche wiederum, in Anknüpfung an die antike Literatur zu einer "neuen" Dichtung zu gelangen, zeitigten erst Erfolge, nachdem er die todesmutigen Freiheitskämpfer in den Bergen verstehen gelernt hat, die er zu den Helden seiner zukünftigen dramatischen Dichtungen erklärt.

Im Angesicht der islamischen Kultur werden beide immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob Kunst zur Völkerverständigung taugt. Nicht das vermeintliche Esperanto der Mazarinischen Musik, sondern die klassizistische Poesie Roilós' vermag dies zu leisten, dessen griechische Sprache von sämtlichen Ethnien des Kriegsgebietes verstanden wird, während die Tonkunst vor allem als regionalistische Angelegenheit erscheint. Nachdem damit gleichsam die Nation aus der Literatur geboren wird, stehen sich beim Showdown schließlich die beiden Prinzipien Musik und Dichtung erneut gegenüber. Auf Umwegen in die Stadt Jannina auf dem griechischen Festland gelangt, vereinen sich schließlich im Angesicht der voll erblühten orientalischen Besatzerdekadenz die Rivalen "Libretto" und "Partitur", und während vor dem großen Bassa das Singspiel "Zaide" aufgeführt wird, arrangieren die Helden gleichzeitig eine Entführung aus dem Serail. Der Streit "prima le parole, dopo la musica" und vice versa wird um des höheren Zweckes willen aufgelöst.

Um aber auf die über fünfhundert Seiten seines Romans zu kommen, genügte es Panselinos bei weitem nicht, einen doppelten Entwicklungsroman vor dem Hintergrund der pränatalen griechischen Nation zu entblättern. In die bisweilen weitschweifigen Beschreibungen von erhabenen Landschaften und Stadtpanoramen im Cinemascope-Format gesellen sich immer wieder illustre Szenen und Figuren, die in langen Erzählungen abgehandelt werden - mögen sie die Handlung nun vorantreiben oder nicht. Wie der beschwerliche Weg über die Berge verläuft auch die Geschichte in Serpentinen, sie holpert und rastet, blickt in novellistische Abgründe, wird vom Sturmwind der Erzählwut weggefegt und von übermächtigen Phantasiebanditen gekapert. Dabei werden dann sämtliche Register einer ordentlichen Aventure gezogen: Vergewaltigung, Hinrichtung, Seeräuber, Freischärler, Türken, Christen, Juden, Naturkatastrophen, Krieg, Politik, Religion und Inzest geben sich ein Stelldichein.

Doch auch mit dem formalen Kaleidoskop ist es für Panselinos längst nicht getan: Noch eine weitere Ebene flicht er in seinen Text, die mit ständigen Hinweisen und Andeutungen auf die Literatur- und Musikgeschichte arbeitet. Die historischen Anleihen wirbeln bunt durcheinander, werden in postmoderner Manier vermengt und zu einem vor Anspielungen fast zerberstenden Rätsel montiert. So taucht an einer Stelle ein gewisser Herr von Hofmannsthal auf, der sich als dilettierender Librettist ausgibt, auch einen Gutsverwalter namens Benozzo Gozzoli - der allerdings nicht malt - hat Panselinos im Programm.

Im letzten Drittel des Buchs lüftet sich dann allmählich auch der Identitätsschleier des Pertl-Mazarini, in dem Panselinos doch tatsächlich Wolfgang Amadeus Mozart weiterleben läßt, der vor seiner Flucht aus Wien den eigenen Tod inszeniert haben will. Im schwülstig "Introitus" bezeichneten Vorwort wird diese obskure Idee gerechtfertigt. Ein mit dem Autor befreundeter Musikwissenschaftler stöberte angeblich auf einem Flohmarkt eine Reihe von Briefen jenes Mazarini auf, die dann als authentische Fundstücke ebenfalls in den Roman eingefügt werden.

Allerdings erscheint Panselinos' Mozart auf der Reise in den Orient ganz und gar nicht wie eine eigenständig weiterentwickelte literarische Figur, sondern als schief verklebte Collage zahlreicher Mozart-Texte, auf deren schamlos ausgeborgte Aura sich der Schriftsteller verläßt. Geradezu klischeehaft findet sich dann der ordinär-frivole Schreiber der Bäsli-Briefe wieder - wenn Mazarini etwa auf das "dies irae"-Thema des Requiems dichtet: "cunnilingus, cunnilingus / leck mein Ärschchen / mit deim lingus" -, der schließlich in den derangierten Titelhelden des "Amadeus"-Dramas mündet. Selbst das irre Kichern, das zum nervtötenden Erkennungszeichen des Achtziger-Jahre-Pop-Mozart geworden ist, bleibt nicht aus.

Warum es ausgerechnet eine blasse Literatur-Mozart-Kompilation sein muß, die den Leser als Cicerone in den Orient begleitet, bleibt unklar, zumal im Laufe des Textes das Collage-Montage-Prinzip ohnehin die Oberhand über die Handlung gewinnt. Damit überschattet der Autor die zerrissene Gestalt des Grafen Roilós, die ihrer Anlage nach zu nicht weniger als einem Denkmal der griechischen Nationalliteratur getaugt hätte, als brillant erfundener Ahnherr der jüngsten Schriftstellergeneration, zu der auch Alexis Panselinos selbst gehört.

CHRISTIAN WELZBACHER.

Alexis Panselinos: "Zaide oder Das Kamel im Schnee". Roman. Aus dem Griechischen von Theo Votsos. Berlin Verlag, Berlin 2001. 261 S., geb., 19,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Rezensent Christian Welzbacher findet historische Romane in der Regel zu lang. Diesen auch. Aber dass der Autor nahezu alles, was in diesem Genre so auftauchen kann, auch in den Roman stopft, ist für Welzbacher nicht das Schlimmste. Schließlich wechseln sich seiner Ansicht nach umständliche Beschreibungen durchaus mit bunten Szenen ab - auch wenn sie die Handlung nicht vorantreiben. Nein, dass schließlich auch noch permanent mit Andeutungen aus der Literatur- und Musikgeschichte gespielt werden muss, alles in "postmoderner Manier vermengt" werde und das "Collage-Montage-Prinzip die Oberhand über die Handlung" gewinne, das stört den Rezensenten weit mehr. Richtig schlecht aber findet er die "obskuren" Ideen des Autors, der z.B. Mozart seinen eigenen Tod inszenieren und dann weiter leben lässt, die nicht entwickelten Figuren, die unangemessene Verwendung von Mozart-Texten, auf deren "schamlos ausgeborgte Aura" sich der Autor verlasse, schimpft Welzbacher.

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