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Aglaja Rewkina ist glühende Bolschewikin und Stalinistin. Beherrscht von leidenschaftlicher Liebe zu Stalin, dem lebendigen wie dem steinernen, zeigt sie sich bereit, diese mit ihrer Karriere, mit ihrem persönlichen Leben und dem Leben überhaupt zu bezahlen. Aglaja Rewkinas Irrungen und Wirrungen zu folgen, und zwar bis in die Gegenwart hinein, erlaubt uns - ähnlich wie Thomas Brussigs Sonnenallee - einen völlig neuen Blick auf die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, auf die groteske Endfahrt in die sprichwörtliche ideologische Pleite und das bedrohliche Chaos eines gigantischen Neuanfangs. …mehr

Produktbeschreibung
Aglaja Rewkina ist glühende Bolschewikin und Stalinistin. Beherrscht von leidenschaftlicher Liebe zu Stalin, dem lebendigen wie dem steinernen, zeigt sie sich bereit, diese mit ihrer Karriere, mit ihrem persönlichen Leben und dem Leben überhaupt zu bezahlen. Aglaja Rewkinas Irrungen und Wirrungen zu folgen, und zwar bis in die Gegenwart hinein, erlaubt uns - ähnlich wie Thomas Brussigs Sonnenallee - einen völlig neuen Blick auf die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, auf die groteske Endfahrt in die sprichwörtliche ideologische Pleite und das bedrohliche Chaos eines gigantischen Neuanfangs.
Autorenporträt
Wladimir Woinowitsch wurde 1932 in Duschanbe, Tadschikistan, geboren. Er arbeitete als Hirte, Zimmermann, Flugzeugmechaniker, Eisenbahner und Radioredakteur. 1956 setzt die Veröffentlichung seines umfangreichen Werkes ein, das nahezu alle literarischen Genres umfasst und vielfach ausgezeichnet wurde. Als Reaktion auf seinen Roman Die denkwürdigen Abenteuer des Soldaten Iwan Tschonkin und seiner Unterstützung der Menschenrechtsbewegung wurde er 1974 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, 1980 zum Verlassen der Heimat gezwungen und 1981 ausgebürgert. Seither lebt er in München - nach seiner offiziellen Rehabilitierung 1990 auch wieder in Moskau. Seine Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Für Aglaja Rewkinas letzte Liebe erhielt er den russischen Staatspreis.
Rezensionen
Liebe und Selbstbetrug
Aglaja Rewkina widmet ihr ganzes Leben einem Stalin-Denkmal, das sie nach dessen Demontage in ihre Wohnung rettet, dort hegt und pflegt und - eben - lieben lernt. Woinowitsch gelingt in seinem als Groteske angelegten Roman das Kunststück, die absurde Liebe seiner Protagonistin als wahre Romanze zu schildern. Er schlägt einen Bogen von der politischen Tauwetter-Periode unter Chruschtschow bis in die postsozialistische Zeit, in der Kriegsgewinnler, Waffenhändler und Porno-Händler das Sagen haben - und setzt seine Heldin dabei allerhand aberwitzigen Verstrickungen aus. Stück für Stück enthüllt sich hinter Aglajas Lebenslüge die ganze Tragik einer Ewig-Gestrigen, die den Verrat an ihrem Leben nicht mehr begreifen kann. Poetisch und einfühlsam schildert der Moskauer Autor Wladimir Woinowitsch eine russische Liebesgeschichte der herben Sorte und durchstreift sprachgewaltig fast hundert Jahre russischer Geschichte. (www.parship.de)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2002

Mehr als Sprache
Wladimir Woinowitschs Roman
„Aglaja Rewkinas letzte Liebe”
Wladimir Woinowitsch sagte immer, was er dachte, und tat das, was er für richtig hielt. Dafür wurde der Autor des satirischen Epos „Die denkwürdigen Abenteuer des Soldaten Iwan Tschonkin” (1979), der die sowjetische Wirklichkeit „verunglimpfte” und selbst dem Heiligtum des Großen Vaterländischen Krieges keinen Respekt erwies, zum Dissidenten abgestempelt und ausgebürgert. Aber auch im Münchner Exil hielt er Distanz zu jedem Kollektiv, diesmal dem der exkommunizierten Andersdenkenden mit ihren Ideologien und geistigen Autoritäten. Im Westen wurde er nie heimisch, und Anfang der 90er Jahre kehrte er als einer der wenigen politischen Flüchtlinge nach Moskau zurück, wo er weiter als Schriftsteller tätig war. 2001 erschien „Aglaja Revkinas große Liebe” (im russischen Titel „Monumentalpropaganda”), für den er 2001 den „Staatspreis für Literatur” der Russischen Föderation, jene hohe Auszeichnung, die einst „Stalinpreis” hieß und regimetreuen Schreibtischtätern verliehen wurde, erhielt.
Woinowitsch sollte die Ironie dieser Kontingenz besonders genießen. Denn seine Heldin Aglaja ist eine Betonstalinististin, die in ihrem schlichten Enthusiasmus und schonungslosen Kampf für die lichte Zukunft – als Beauftragte für Kollektivierung, als Partisanin, Parteivorsitzende und gar degradierte Leiterin des Kinderheims – vor keiner Brutalität zurückschreckt. In ihrer blinden Treue zu Stalin, dem sie nach dem Krieg in ihrem Städtchen ein Denkmal errichten lässt, ist sie so gedankenlos und eindimensional, dass man anfangs befürchtet, der Autor werde mit dieser als grobe Karikatur angelegten Gestalt künstlerisch scheitern. Doch die Bedenken lösen sich schnell auf. Der Leser wird allmählich vom Gewebe des jedem Sowjetmenschen vertrauten Nachkriegslebens eingesponnen. Woinowitschs Ziel ist nichts weniger als den „Kurzen Lehrgang der Geschichte der KPdSU”, das berüchtigte Standardwerk des Hochstalinismus, bis in die Gegenwart fortzuschreiben, natürlich aus der heutigen Perspektive und mit den Mitteln ironischer Verfremdung.
Wohnzimmer-Stalin
Der Autor vermutet nicht ohne Grund, dass die jüngere Generation inzwischen eine ziemlich vage Vorstellung davon hat, wie es damals zugegangen ist und was dieser oder jener Ausdruck in Parteichinesisch bedeutetet; deshalb bemüht er sich, das befremdliche Vokabular der 50er und 60er zu erklären. Das Drama der unbeugsamen Aglaja beginnt nach dem XX. Parteitag, als der Personenkult entlarvt und das Stalin-Denkmal abmontiert, sie selbst aus der Partei ausgeschlossen wird und der „Volksfeind”, der Jude Schubkin, nach seiner Rückkehr aus dem Arbeitslager eine Lehrerstelle im Kinderheim der Stadt bekommt. Aglaja gelingt es, den Traktoristen, der das Stalin-Denkmal zum Schrottplatz bringen soll, zu bestechen und das Ding in ihrem Zimmer in einer Kommunalwohnung aufzustellen. Der rehabilitierte Schubkin, treuer Marxist-Leninist, zieht ins Nachbarzimmer, wo er die Feindesstimmen – BBC und Radio Liberty – abhört. Am Beispiel Schubkins, der als einziger Dissident der Stadt vom KGB gefördert wird, arbeitet der Autor die Geschichte der dissidentischen Bewegung – von den frühen Illusionen über den ideellen Sozialismus bis zu Samisdat, Begeisterung für den orthodoxen Glauben und Emigration nach Israel – ironisch auf. Zusammen mit dem gusseisernen Stalin überlebt Aglaja nicht nur das Chruschtschowsche Tauwetter und die Breschnewsche Restalinisierung, sie muss auch Perestroika und Zusammenbruch des Sozialismus über sich ergehen lassen.
„Der kurze Lehrgang der Sowjetgeschichte” von Woinowitsch lehrt nicht das Siegen. Vielmehr führt er eine aberwitzige Kontinuität des russischen Lebens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor Augen. Gewiss gelingt es ihm nicht immer, überflüssige Anhäufungen von Banalem zu meiden, manche langweilige Passagen hätte man gern gestrichen gesehen. Doch der Zauber des Romans liegt weniger an den fantasievollen Irrungen und Wirrungen der Handlung; der aberwitzigen Verstrickungen seiner kleinen Helden, die er handwerklich sicher zusammenfügt, als vielmehr in dem von ihm entfesselten Sprachelement, das der Verfasser selbst mitunter nicht zu kontrollieren vermag. Die virtuose Verschmelzung von Parteichinesisch mit den Umgangs- und Regionalsprachen, die ein wahnwitziges Wolapük hervorbringen, war schon immer Woinowitschs Stärke. Zugleich ist die von ihm kreierte Sprachsynthese eine wahre Herausforderung für den Übersetzer. Alfred Franz, der das Buch ins Deutsche übertragen hat, hat sie wunderbar gemeistert. Dennoch beherrscht Woinowitsch auch Sprachebenen, vor der jede Übersetzung kapitulieren muss. Sie entstehen da, wo die tradierten Erfahrungen der Leser im Sprachelement einen nicht unbedingt verbalen Ausdruck finden und ästhetisch sublimiert werden. In der Übersetzung mögen die Stellen exotisch, bizarr wirken, beim Einheimischen rufen sie ein glückliches Authentizitäts-, ja, Identitätsgefühl hervor. In Russland, dem ewigen Provisorium, fanden Menschen Zuflucht in dem grandiosen Sprachgebilde, das Volk, Intelligenzija, Partei, Terror und slawische Grammatik schufen. Sprache ist in Russland mehr als Sprache, und deshalb versteht man sich mitunter ohne Worte.
SONJA MARGOLINA
WLADIMIR WOINOWITSCH: Aglaja Rewkinas letzte Liebe. Aus dem Russischen von Alfred Frank. Berlin Verlag, Berlin 2002. 435 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der russische Titel "Monumentalpropaganda" trifft den Inhalt des Romans besser, behauptet Ulrich M. Schmid, geht es darin doch um eine stramme Parteigängerin und glühende Stalin-Verehrerin, die ein Stalin-Denkmal beiseite schafft und, anders als das Regime, die ständigen ideologischen Wechselbäder nicht verkraftet. Die Idee dieses Romans ist zugleich seine Stärke und Schwäche, führt Schmid aus: die Überlebensstrategien der Bevölkerung im Sozialismus würden auf amüsante Weise treffend beschrieben: Der ganze Roman sei von jenem süß-säuerlichen Zwiebelgeruch durchtränkt, der in Russland alle Lebensbereiche erobert habe und von der völligen Proletarisierung des Landes zeuge. Zugleich aber, meint Schmid, kommt der Roman mit dieser - zugegeben - bitter-amüsanten Geschichte hoffnungslos zu spät. Wen könne denn heute noch eine Abrechnung mit dem Stalinismus vom Hocker reißen? Da helfe es auch nicht, dass sich der Autor bemüht hat, die Geschichte bis in die postsozialistische Ära zu führen. Zumal ihm für diese Zeit nichts anderes als rivalisierende Mafiagruppen einfallen, die alle Hauptfiguren des Romans aus dem Weg Räumen, kritisiert Schmid. Dennoch: Rühmen müsse man diesen Roman. Er hat endlich den Russen in Sachen Vergangenheitsbewältigung den Humor zurückgegeben hat, erklärt Schmid. Bis dahin habe immer nur der hohe Ton der Anklage à la Solschenizyn Anklang gefunden.

© Perlentaucher Medien GmbH
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