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In einem Roman von enormer Kraft und Ausstrahlung blickt Margaret Atwood in eine Zukunft, die sehr viel näher liegt, als man gerne glauben würde. Es ist eine Zukunft der Umweltkatastrophen. Die Menschheit hat, da die Meere dramatisch angestiegen sind, ihre großen Küstenstädte verloren. New New York ist in großer Entfernung von den drohenden Wassern des Atlantik neu erbaut worden. Die unglückliche neue Welt der Vereinigten Staaten besteht aus einer zweigeteilten Gesellschaft: den wenigen Privilegierten, die in streng bewachten Industriekomplexen leben, und den Massen, die in verfallenden…mehr

Produktbeschreibung
In einem Roman von enormer Kraft und Ausstrahlung blickt Margaret Atwood in eine Zukunft, die sehr viel näher liegt, als man gerne glauben würde. Es ist eine Zukunft der Umweltkatastrophen. Die Menschheit hat, da die Meere dramatisch angestiegen sind, ihre großen Küstenstädte verloren. New New York ist in großer Entfernung von den drohenden Wassern des Atlantik neu erbaut worden. Die unglückliche neue Welt der Vereinigten Staaten besteht aus einer zweigeteilten Gesellschaft: den wenigen Privilegierten, die in streng bewachten Industriekomplexen leben, und den Massen, die in verfallenden Städten hausen. Oryx und Crake spielt in einem dieser Komplexe, einer Forschungsinstitution, in der Crake, ein Genie genetischer Manipulation, an der Entwicklung neuer Medikamente arbeitet, welche die Menschheit gegen die Epidemien im Gefolge der Umweltkatastrophen immunisieren sollen, aber er verfolgt darüber hinaus ganz eigene Pläne ...
Wie der berühmte Report der Magd, dessen Bild eines neuen Fundamentalismus sich heute wie eine Prophezeiung liest, ist Oryx und Crake ein wundervoll intelligenter Blick in die Zukunft, und seine Schilderung des Wettlaufs gegen den Untergang der Menschheit macht ihn zu einem Roman von fast unerträglicher Spannung. Oryx und Crake ist reine Brillanz.
Autorenporträt
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, ist eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas. Ihre Werke liegen in über 20 Sprachen übersetzt vor und wurden national und international vielfach aus gezeichnet. Neben Romanen verfasst sie auch Essays, Kurzgeschichten und Lyrik. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Booker Prize, dem kanadischen Giller Prize und mit dem Prinz-von- Asturien-Preis (2008),mit dem Nelly-Sachs-Preis (2009) und dem PEN Pinter Prize (2016).
Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Leuchtenmüller findet, dass "Kanadas bedeutendste Autorin" in diesem Roman eine grandiose Anti-Utopie beschrieben hat: In einer unfernen Zukunft vegetiert da der letzte Mensch auf einem Baum, und macht sich entweder Sorgen um die nächste Mahlzeit oder meditiert darüber, wie es soweit kommen konnte, erzählt unser Rezensent. Er bewundert, wie elegant die "achronologischen Rückblicke" eingeflochten sind. Vor der Katastrophe lebte der Protagonist in einer Dreiecksbeziehung mit der Ostasiatin Oryx und dem genialen Genmanipulator Crake. Leuchtenmüller ist besonders fasziniert von dem "sprachlichen Feuerwerk", mit dem die "trainierte Wortakrobatin" Atwood ihre "erkenntnisfördernde Satire" unterlegt. Sie sei jedoch immer darauf bedacht, dass ihre Erfindungen, darunter ein sprechender Toaster, "in ähnlicher Form schon heute existieren". Gerade weil Atwood die Extreme meidet, erscheinen die geschilderten Entwicklungen dem Rezensenten so beängstigend plausibel.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2003

Der Untergang schnarcht
Nicht jede Zukunft ist willkommen: Margaret Atwoods Mahnroman

Fragen, derentwegen wir nachts nicht schlafen können, samt Antworten:

Erstens: Was ist die Gentechnik? Die Gentechnik ist ein Fluch, der in naher Zukunft zu nichts Gesünderem führen wird als Hühnern, die nur noch aus Brustpartien bestehen, Menschen ohne Gesichtsbehaarung und künstlichen Krankheiten, die als viehvernichtende Vorschlaghämmer von verblödeten Technokraten mit Gusto geschwungen werden.

Zweitens: Was ist die Kommunikationsgesellschaft? Die Kommunikationsgesellschaft ist ein überdrehter, zynischer Glasfaserkabel-Pipifax, der in naher Zukunft zu nichts Zuträglicherem führen wird als Tierverstümmelungs-Websites, Computerspielen nach Motiven grausiger Untaten und von jedem Umgang mit anderen Menschen unbeleckten, quasiautistischen Teenagern ohne allen Mutterwitz.

Drittens: Was ist das postmoderne Privatleben? Das postmoderne Privatleben ist ein liebloser, freakiger Wahlverwandtschaftswanderzirkus voller Sextourismus, Kinderprostitution und verödeter Herzen, der in naher Zukunft zu nichts Flauschigerem führen wird als der platonischen Selbstverknotung des letzten Vertreters unserer Gattung - er heißt "Schneemensch", unter Anrufung flusiger Erinnerungen.

Viertens: Wo findet man die angeführten smarten Antworten, Lösungen und Auskünfte zu den genannten Fragen sowie eine Exnutte namens Oryx, einen tiefambivalenten Biowissenschaftler namens Crake und den besagten Schneemenschen, der eigentlich "Jimmy" heißt? Man findet sie, wenn man den Weg dahin nicht scheut, in der spannend spekulativen und kühn aus lauter schlimmen Hausfrauensorgen herausextrapolierten Fabelwelt der beliebten kanadischen Nachdenklichkeitsherstellerin und Problemporträtistin Margaret Atwood. Weil aber Frau Atwood außerdem nicht zum Fußvolk, sondern zu den Topfiguren der sorgenmachenden Industrie gehört, ist das sowohl packende wie gut abgehangene Buch, das jene Welt entwirft, "Oryx and Crake", selbstredend ein Bestseller.

Viele Menschen, heißt das, haben es gekauft und erfreuen sich jetzt an den oben skizzierten Zuspitzungen unseres täglichen Nachrichtenunheils - und darüber hinaus sicher auch an der virtuosen literarischen Vielstimmigkeit, mit der Atwood ihre Symphonie des Grauens instrumentiert hat: Dialoge mittels elektronischer Medien werden im Gegenschnitt normaler und kursiver Type abgebildet, Präsens und Imperfekt werden einander zur Herstellung oder Verweigerung von Unmittelbarkeit gegenübergestellt, als wäre diese markante Technik gerade erst erfunden worden, und wenn jemand sich mal was ausdenkt, erfahren wir davon gelegentlich auch im Konjunktiv - ganz abgesehen von waghalsigen Wortkreationen wie "MaddAddam", "Paradice" oder "BlyssPluss", die sich zur geistvollen Verfremdung und artifiziellen Zukunftssuggestion besonders deshalb extrem gut eignen, weil Werbetexter solchen angestrengten Quatsch seit mindestens fünf Jahren mit Recht als den ältesten Käse ihres Fachs verachten.

Aus den skizzierten Feuerproben auf Talent und Einfallsreichtum geht die Autorin mithin nicht unbeschadet hervor - ihr möglicherweise irgendwie sogar freiwillig windschiefer, unter Umständen nämlich swiftnah satirisch grotesk gemeinter Zukunftsroman enthält in seiner ganzen geschäftigen, witzlosen, quälenden Breite verblüffend wenig, was nicht von professionellen Science-fiction-Autorinnen und -Autoren wie H. G. Wells, Alfred Bester, Philip K. Dick, Ursula K. LeGuin, Walter M. Miller, Pamela Sargent, Nancy Kress und Elizabeth Hand, aber auch von dem offiziellen literarischen Kanon zugerechneten Gestalten wie Aldous Huxley, Wyndham Lewis, Doris Lessing, Arno Schmidt, John Updike und Virginia Woolf vor einer bis neun Dekaden besser gedacht, schöner geschrieben, leidenschaftlicher riskiert und sorgfältiger zusammengefügt worden wäre.

Tut nichts: Das Buch wird gebraucht und gemocht, weil sein Publikum sich davon zu sagenhaft ketzerischen Ideen ermutigen lassen kann - die Pharmaindustrie ist keine gemeinnützige Einrichtung, Klimakatastrophen sind pfui, Kunst ist was Feines, dessen Verlust die Welt ärmer machen würde, Krieg haut immer nur alles kaputt, so diese Richtung.

Daß es auf der Welt dermaßen viele Tröpfe gibt, die der Schöpfer nach dem peinlichen Bild eines bornierten Trottels aus der ersten Welt geknetet hat, welchem zum dummen Geldverdienen und Konsumieren bloß noch was fürs Herz fehlt und der seinen Zukunfts-Solidaritätsbeitrag deshalb qua Erwerb schwerfälliger Schwarten zum Thema "Der letzte Mensch ist ein trauriger Geselle" entrichtet, das möchte man zwar nicht gern glauben. Es ist aber offensichtlich wahr - und wäre, als trister Befund genommen, ganz sicher ein viel soliderer Ansatz für ein Schreckensbild der nahen Zukunft als dieser uninspirierte Griff in die verstimmten Saiten von Kassandras kaputter E-Gitarre.

DIETMAR DATH

Margaret Atwood: "Oryx und Crake". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Lüdemann. Berlin Verlag, Berlin 2003. 380 S., geb., 24,- [Euro].

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