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Eine Romreise leitet den neunzehnjährigen Studenten Karl Jaspers auf neue Lebenswege. An einer unheilbaren Krankheit leidend, kämpft Jaspers als Patient in polemischen Gesprächen gegen den diagnostizierenden Arzt. In Briefen an die Familie erkennen wir den Vorwärtsstrebenden, der die Würde des Menschen verteidigt. Die Italienbriefe zeigen Jaspers als geübten Zeichner und Kunstliebhaber. Seine Beobachtungsgabe ist auf den Menschen gerichtet; der Student zeigt einen Hang zur Karikatur. Jaspers’ Briefe zeichnen den Weg zu einer Kommunikationsdynamik, wie sie sich ausgebildet und systematisch…mehr

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Produktbeschreibung
Eine Romreise leitet den neunzehnjährigen Studenten Karl Jaspers auf neue Lebenswege. An einer unheilbaren Krankheit leidend, kämpft Jaspers als Patient in polemischen Gesprächen gegen den diagnostizierenden Arzt. In Briefen an die Familie erkennen wir den Vorwärtsstrebenden, der die Würde des Menschen verteidigt. Die Italienbriefe zeigen Jaspers als geübten Zeichner und Kunstliebhaber. Seine Beobachtungsgabe ist auf den Menschen gerichtet; der Student zeigt einen Hang zur Karikatur. Jaspers’ Briefe zeichnen den Weg zu einer Kommunikationsdynamik, wie sie sich ausgebildet und systematisch erfaßt im späteren Werk des Philosophen entfalten wird.

»Um diese Weisung des Hausarztes Fraenkel entspinnt sich eine komplexe Kommunikation zwischen Karl, seinen Eltern und dem Arzt selbst, in deren Verlauf Jaspers seine Gesprächspartner mit viel Umsicht und Takt schließlich für sein römisches Reisevorhaben gewinnt.«
(Christian Geyer in der FAZ, 10.7.2006)
Autorenporträt
Karl Jaspers, am 23. Februar 1883 in Oldenburg geboren und am 26. Februar 1969 in Basel gestorben, studierte Jura, Medizin und Psychologie. Ab 1916 Professor für Psychologie, ab 1921 für Philosophie an der Universität Heidelberg. 1937 wurde er - bis zu seiner Wiedereinsetzung 1945 - seines Amtes enthoben und war von 1948 bis 1961 Professor für Philosophie in Basel. 1958 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2006

Italien, du hast es besser
Frühe Versehrtheit: Karl Jaspers' Briefe seiner römischen Reise

Eine reizvolle Frage: Was läßt sich aus der Urlaubsplanung für die Lebensplanung eines Menschen ableiten? Was läßt sich den Briefen, die der neunzehnjährige Karl Jaspers vor und von seiner Italienreise schrieb - was läßt sich diesen Briefen für sein späteres Denken als Psychiater und Philosoph entnehmen, für den Stil seiner Existenzphilosphie, welche ihn als Lehrstuhlinhaber in Heidelberg und, nach Kaltstellung durch die Nazis, in Basel berühmt machte? Jaspers hat als junger Student im Frühjahr 1902 eine Italienreise unternommen, eine Romreise mit Stationen in Mailand, Genua, Venedig und Florenz. In Vorbereitung dieser Reise schrieb er seinen in Oldenburg wohnenden Eltern zahlreiche Briefe aus Heidelberg, beinahe täglich ließ er dann auf der Reise brieflich von sich hören, und alle diese Briefe inklusive einiger Eltern-Antworten sind jetzt von Suzanne Kirkbright in einem sehr lesbaren Bändchen ediert.

Was man dieser frühen Korrespondenz entnehmen kann, ist vor allem dies: daß sich da einer mit einer unheilbaren Krankheit als der Grundtatsache seines Lebens vertraut macht. Neunzehnjährig sucht Jaspers sein Dasein unter den Bedingungen dieser Krankheit einzurichten, in seinen eigenen Begriffen gesprochen: aus der Grenzsituation heraus seine Existenz zu bestimmen. Schon von frühester Kindheit an litt Jaspers unter chronischen Bronchiektasien und sekundärer Herzinsuffizenz - ein Leiden, mit dem man man damals eine geringe Lebenserwartung verknüpfte. Älter als dreißig, hieß es, werde wohl auch Jaspers nicht werden, der schließlich achtundsiebzigjährig 1969 in Basel starb.

Der Briefverkehr mit seinen Eltern im Jahre 1902 kreist um die Frage, ob er die Romreise antreten kann oder aus gesundheitlichen Gründen lieber zur Kur nach Meran soll. Sein Hausarzt, Doktor Fraenkel, der die Krankheit im Vorjahr diagnostiziert hatte, plädierte für Meran und damit für eine Fortsetzung der in Badenweiler begonnenen sogenannten Bäder- und Mastkur für den gelegentlich fiebernden und stark untergewichtigen Studenten Jaspers, der dann nach seiner Italienreise das Fach wechseln und Medizin statt weiter Jura studieren wird. Um diese Weisung des Hausarztes Fraenkel entspinnt sich eine komplexe Kommunikation zwischen Karl, seinen Eltern und dem Arzt selbst, in deren Verlauf Jaspers seine Gesprächspartner mit viel Umsicht und Takt schließlich für sein römisches Reisevorhaben gewinnt. Klug bringt Jaspers sein Anliegen zur Geltung, ohne die Autorität der Eltern, die ihm die Reise finanzieren, und des Arztes zu untergraben. Allein die Kraft des besseren Arguments sollte siegen, und als Jaspers also gewonnen hatte, war das für ihn auch das, was er Existenzerhellung durch Kommunikation nannte.

Tatsächlich war sein briefliches Ringen um die Italienreise auch ein Haltsuchen in der, wie Jaspers schrieb, "vernünftigen Überlegung"; es war ein Orientieren im Denken jenseits der unberechenbaren Eingebungen seines Hausarztes, der sich mal für und mal gegen Rom aussprach. "Er mag nun alles ganz gut meinen", schrieb Jaspers seinen Eltern über den Doktor Fraenkel, "doch ich habe ihn wirklich etwas in Verdacht, daß er sich ganz wohl fühlt in seiner Macht, daß er mir bestimmen kann, wohin ich soll, und sich erfreut an seinen wohldisponierten, sophistischen Darlegungen über den Nutzen eines Kurortes und die Schädlichkeit eines jeden anderen Aufenthaltes." Das Gefühl, eine Existenz zu führen, die sich nur durch eiserne Disziplin, durch Vorkehrungen und Vorsichtsmaßnahmen vor dem Absturz bewahren läßt, jedenfalls nicht durch Abgleiten ins Unmittelbare - dieses Gefühl ist prägend für Jaspers von Kindheit an und klingt in den Briefen immer wieder durch. Es gibt kein Kraftzentrum, von dem aus sich die Existenz von selbst organisiert: Man muß sich zusammennehmen, damit man nicht auseinanderläuft. Geradezu panisch wird aus der Erfahrung von Badenweiler der Sog nach unten beschrieben, der mit einer Bäderkur für Jaspers verbunden wäre - das Lockerlassen der Kur als Bedrohung für die gefährdete Existenz: "Das Badeleben ist, das weiß ich positiv sicher, ungeheuer schädlich für mich; dann ist es immer noch besser, daß ich nach Oldenburg komme, wo ich ja auch ruhig lebe und doch was tun kann; aber da ist dann die Luft zu schlecht. Sicher ist es kein Mangel an Energie und Arbeitslust, wenn man im Kurort die Bücher fortwirft; das kann nicht anders kommen, wenn man den ganzen Tag auf dem Liegestuhl verbringt und seine ganze Kraft für die Verdauung verwendet, und wo dann alle Menschen um einen herum faulenzen und keine Anregung geben. Ich denke, daß es euch einleuchtet, daß das ein sehr verkehrter Einfall von Herrn Dr. Fraenkel ist." Jaspers unterstreicht gegenüber den Eltern sein Recht, "mich nicht nach ihm zu richten, sondern das zu tun, was dem Gefühl und der vernünftigen Überlegung nach das Richtige für mich ist".

Daß Rom für Jaspers überhaupt ein derart unbedingtes Reiseziel war, hatte weniger mit bildungsbürgerlicher Gepflogenheit, schon gar nicht mit katholischer Frömmigkeit zu tun - Jaspers legte die Idee der Inkarnation als Absurdität beiseite -, hier kam vielmehr ein Hingezogensein zu den Formen antiker Überlieferung zum Ausdruck. Hier scheint früh ein Begriff von Tradition auf, der dann auch Jaspers' explizites Bekenntnis zur philosophia perennis leitete. Demnach geschieht Philosophieren immer im Dialog mit den "großen Philosophen", nicht durch ein vermeintliches neues Ansetzen jenseits des von den Vätern Ererbten. "Und wenn es ja nicht grade Lebenfrage ist, in Rom gewesen zu sein, so ist es doch von unschätzbarem Werte", schrieb Jaspers zusammen mit der stereotypen Bemerkung, sein Befinden sei brillant. Er maß der Romreise unschätzbarem Wert bei, weil er von ihr Formung für den Stil seines Denkens erwartete, für sein Sichbewegen in überlieferten Gehalten, für die Überzeugung, daß die wesentlichen Fragen der versehrten Existenz, denen sich die Philosophie zu widmen habe, sich nicht ändern.

Der Briefwechsel von 1902 dokumentiert Jaspers' sehr bewußtes, gegen Widerstände durchgefochtenes Vor-Anker-Gehen in Rom. Hier, in der antiken Überlieferung, machte er seine spätere Existenzphilosophie fest, die im Kern nicht etwas völlig Neues beanspruchen, sondern Grundeinsichten bewahren will. So hat es Jaspers später einmal selbst geschrieben, um sich von Heidegger abzusetzen.

Die ensprechende Notiz von 1951, die man an Jaspers' Todestag auf seinem Schreibtisch fand, sehen wir 1902 bereits vorgeformt. In ihr nennt Jaspers die folgenden vier entscheidenden Unterschiede zu Heidegger: "1. er beansprucht etwas völlig Neues, - sieht gnostisch einen Geschichtsprozeß des Seins - ich lebe in der Aneignung einer philosophia perennis, lege keinen Wert auf Neuerung, auf einen Schritt und Schnitt - 2. Heid. läßt fallen - ich möchte mit deren Sinn jeweils Wesentliches, - die Grundhaltung und Grundeinsichten, das Grundwissen bewahren und erneuern, wobei es ungewollt eine geschichtliche Wandlung des Kleides vollzieht. 3. Heid. verkennt die Wissenschaften - spricht genötigt dämonisch von der Technik (wie Jünger) - ich möchte Wissenschaften zur Bedingung der Menschenwürde aneignen, - und in Beidem erkennen - 4. Heid. ist hingerissen von einem mehr Geahnten - ich lebe in überlieferten Gehalten."

Der Boden, auf dem sich diese Frontstellung ein Philosophenleben hindurch einnehmen ließ, war für Jaspers der Boden der Antike, den er als Neunzehnjähriger betreten hatte.

CHRISTIAN GEYER

Karl Jaspers: "Italienbriefe 1902". Herausgegeben von Suzanne Kirkbright. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006. 111 S., geb., Abb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Sehr lesbar" findet Christian Geyer diese Edition von Karl Jaspers' Italienbriefen vor allem deshalb, weil sich in dem Briefwechsel des jungen Jaspers mit seinen Eltern für ihn bereits Merkmale von dessen späterer Existenzphilosophie erkennen lassen. Die frühe Prägung durch ein chronisches Leiden und durch die damit eingeforderte Disziplin wird Geyer bei der Lektüre ebenso ersichtlich wie das sich im von Jaspers vehement verteidigten Willen zur Italienreise offenbarende weitreichende Bekenntnis zur Antike: Der Boden, so Geyer, auf dem Jaspers Philosophenleben gründet.

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