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Vielfalt charakterisiert das Hochmittelalter. Die kulturellen Prägungen Europas durch unterschiedliche Religionen - Christentum, Judentum, Islam - werden ebenso gewürdigt wie die Pluralität politisch-gesellschaftlicher Organisationsformen von der Monarchie bis zur Stadt.
Professor Michale Borgolte lehrt Mittelalterliche Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Das Handbuch der Geschichte Europas (HGE) umfasst 9 Bände in chronologischer Abfolge. Alle Bände folgen der gleichen Gliederung:
- Charakter der Epoche
- Geschichte der europäischen Länder
- Europäische
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Produktbeschreibung
Vielfalt charakterisiert das Hochmittelalter. Die kulturellen Prägungen Europas durch unterschiedliche Religionen - Christentum, Judentum, Islam - werden ebenso gewürdigt wie die Pluralität politisch-gesellschaftlicher Organisationsformen von der Monarchie bis zur Stadt.

Professor Michale Borgolte lehrt Mittelalterliche Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Das Handbuch der Geschichte Europas (HGE) umfasst 9 Bände in chronologischer Abfolge. Alle Bände folgen der gleichen Gliederung:

- Charakter der Epoche

- Geschichte der europäischen Länder

- Europäische Gemeinsamkeiten, gegliedert nach Verfassung

und Recht, Politik und internationale Beziehungen, Gesellschaft

und Wirtschaft, Kultur und Religion

- Forschungsstand

- Bibliographie
Autorenporträt
Borgolte, Michael
Prof. Dr. Michael Borgolte hatte den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I an der HU Berlin inne. Seit seiner Pensionierung im Jahre 2016 ist er Senior-Researcher ebenda.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2003

Die Alte Welt
hat keine Identität
Michael Borgoltes Biographie
Europas im Mittelalter
Genauer lässt sich der Ursprung dessen, was wir Europa nennen, nicht eingrenzen. In scrinio pectoris, im Brustkasten eines Menschen soll sich die erste aller Revolutionen vollzogen und der besondere Weg der europäischen Geschichte seinen Anfang genommen haben. Nachdem sich Papst Gregor VII. im Jahr 1075 zum Herrn über den Kaiser aufgeschwungen und die bestehenden Hierarchieverhältnisse umgekehrt hatte, war in Europa eine Reichsbildung wie in anderen Hochkulturen nicht mehr möglich. Der Rhythmus der Revolutionen bestimmte von nun an das Tempo der europäischen Geschichte.
Niemand wird der Theorie der „Papstrevolution”, die Eugen Rosenstock 1931 in seinem Buch „Die europäischen Revolutionen” ausbreitete, in ihrer Zuspitzung zustimmen. Dennoch hat sie sich bis in die Gegenwart als anregend erwiesen. Sie hebt eine Institution hervor, die sich nicht wegdenken lässt, wenn man den Gang der europäischen Geschichte verstehen will: das Papsttum. Und sie führt mitten in eine Zeit, in der diese Geschichte eine eigentümliche Dynamik entwickelte: Spirituelle Erneuerung, Wiederentdeckung des Rechts, Aufschwung der Städte, Aufstieg der westlichen Monarchien – damit sind nur die wichtigsten Prozesse benannt, die in den zwei Jahrhunderten nach Gregor VII. dem Kontinent ein neues Gesicht gaben.Die epochalen Veränderungen in der Physiognomie Europas während dieser Zeit beschreibt Michael Borgolte. Das Buch bildet den dritten Teil eines zehnbändigen „Handbuchs der Geschichte Europas”, das an die Seite des gewichtigen, von Theodor Schieder initiierten „Handbuchs der europäischen Geschichte” tritt. Beiden Reihen ist gemeinsam, dass sie eine räumlich umfassende Geschichte Europas anstreben. Sie sind zunächst chronologisch in verschiedene Bände gegliedert; innerhalb der einzelnen Bände dominiert eine geographische Unterteilung des Stoffes. Schon das Schieder-Handbuch hatte eine vergleichende Perspektive eröffnen wollen, in der Praxis dient es jedoch eher als Nachschlagewerk. Kaum jemand dürfte auch nur einen einzigen Band von vorn bis hinten durchgelesen haben. Genau dies aber könnte den Bänden des neuen Handbuchs, für die jeweils nur ein Autor verantwortlich zeichnet, passieren. Zumindest diesem dritten Band, der fesselnde Lektüre bietet.
Gegen Ketzer und Lepröse
Michael Borgolte zeigt uns das Europa des Hochmittelalters aus der Vogelperspektive. Er stellt mit gleicher Gewichtung das westliche Imperium der byzantinischen Basileia gegenüber. In beiden Reichen beobachtet er eine Erosion des Kaisertums. Aber während Byzanz allmählich durch neue Staaten an seinem Rand territorial aufgefressen wurde, wurde das westliche Kaisertum von anderen Kräften in seinem Kreis überflügelt, namentlich von den neuen Monarchien, den Städten und dem Papsttum. Borgolte vergleicht Frankreich mit England und die oberitalienischen Kommunen mit dem „Freistaat” Island. Er beobachtet Wales, Irland und Schottland, fliegt von Spanien nach Skandinavien, vom normannischen Sizilien nach Ungarn.
Einzig die Römische Kirche, ihre „angemaßte Hegemonie”, wird nicht in einem vergleichenden Kapitel dargestellt. Und das mit Grund. Denn die Emanzipation der Hierarchie von der weltlichen Gewalt, die sich seit dem 11. Jahrhundert in Westeuropa vollzog, war weltgeschichtlich etwas Unvergleichliches. Der Herrschaftsanspruch des Papsttums, dessen Legaten bis zu den Mongolen reisten, hat zur Einigung des Kontinents beigetragen. Doch man darf sich das nicht harmonisch vorstellen. Einheit bedeutet auch Zwang. Borgolte unterschlägt nicht, dass Europa damals Züge einer „verfolgenden Gesellschaft” annahm, die Ketzer, Lepröse und Homosexuelle mit Ausschluss und Tod bedrohte. Zugleich bildeten sich die ersten Verwerfungen in der europäischen Tektonik: die Spaltung der Christenheit in Ost und West und die Verdrängung des Islam.
Dem ersten, regional gegliederten, der Politik- und Verfassungsgeschichte gewidmeten Teil schließt sich ein zweiter an, der sich mit raumübergreifenden Phänomenen auseinandersetzt, mit den Kreuzzügen, den Religionen – wobei neben Christentum, Islam und Judentum auch abweichende Strömungen gewürdigt werden –, mit Wissenschaft und Bildung, Wirtschaftsweise und Technik.
Methodische Reflexionen schließen das Buch ab. Es werden die wichtigsten Versuche der letzten Jahrzehnte, das europäische Hochmittelalter auf einen Begriff zu bringen erörtert. Am Ende plädiert Borgolte für den Verzicht auf Identität. Das Wesen Europas liege gerade darin, nicht identisch mit sich zu sein. Europa als Einheit des Mannigfaltigen: Es ist der alteuropäische Systembegriff, der hier aufscheint. Und er steht dem jugendlichen Antlitz des Kontinents nicht einmal schlecht. Zwar stolpert man gelegentlich über hölzerne Formulierungen, auch tritt die Kultur- und Geistesgeschichte ein wenig an den Rand, doch das schmälert das Verdienst des Verfassers nicht. Ihm ist eine bestechende Synthese gelungen, die nicht zuletzt durch ihren klaren, nüchternen Duktus überzeugt.
CHRISTIAN
JOSTMANN
MICHAEL BORGOLTE: Europa entdeckt seine Vielfalt 1050-1250. UTB Handbuch der Geschichte Europas Band 3. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2002. 462 Seiten, 11 Karten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2003

Alle zerren, alle ziehen, alle zögern
Souverän vom Gipfel herab: Michael Borgolte erzählt von Europa

Wenn Europa noch eine auszubeutende Ressource hat, dann ist das die Geschichte. Nicht nur darum, sondern auch angesichts des europäischen Einigungsprozesses ist es rühmlich, daß derzeit der Eugen Ulmer Verlag auf höchstem wissenschaftlichen Niveau das Konzept der Nationalhistorien aufgibt und sein zehnbändiges "Handbuch der Geschichte Europas" jetzt komplett vorlegt. Michael Borgolte hat den Band über das Hochmittelalter verfaßt, in welchem Europa, so der Titel, seine Vielfalt erst entdeckte. Doch worin bestand Europa zur Zeit der Kreuzzüge und des Lehnswesens, der norditalienischen Stadtkommunen und des Investiturstreites? Gab es zwischen 1050 und 1250 so etwas wie eine kontinentale Identität, während sich doch gerade erst nationale Wesenheiten wie die englische und französische im Keim entwickelten?

Borgolte geht das hochkomplexe Thema mit großer Souveränität an und redet erst gar keine falsche Einheit eines vorgeblich christlich-karolingischen Abendlandes herbei, wie man das bis in die Adenauer-Zeit gerne zu tun pflegte. Um Europa in seinen Schattierungen darzustellen, muß die neue Mediävistik, die Borgolte verkörpert, keine Epochengräben einebnen. Der Autor macht mit seinem Überblick gleich deutlich, daß der Kontinent mit den spanischen, süditalienischen und östlichen Muslimstaaten, mit der dezidierten Trennung von orthodoxer und päpstlicher Kirche seinerzeit bereits genugsam Diversität schuf.

Staunenswert ist schon allein, wie locker Borgolte sein Riesengebiet überblickt und bewältigt. Trotz der Beschränkungen eines Handbuches, das in erster Linie dem Lernpensum von Studenten zu dienen hat, und ohne irgendeine Strömung - ob Siedlungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Geistes-, oder Politikgeschichte - zu vernachlässigen, findet der Autor auch Freude am Detail, an fruchtbaren und überraschenden Konfrontationen. Dem inneren Ausbau einer Rechts- und Steuergesellschaft in Britannien geht er bis zu Stammeskriegen in Wales und irischen Unterkönigen nach, um dieselbe Entwicklung überraschenderweise auch im multikulturellen Ungarn der Arpaden zu belegen.

Die Einäugigkeit herkömmlicher Nationalgeschichten läßt Borgolte mit Leichtigkeit hinter sich, indem er beständig die oströmische Gesellschaft mit ihrem größeren Schatz an antiken Traditionen, allerdings auch mit geringerer Innovationskraft neben das okzidentale Zerren zwischen Kaiser, Papst und Nationalkönigen stellt. Auch dem europäischen Islam, der in Sizilien die Grundlagen für einen bürokratischen Zentralismus Friedrichs II. legte und in Andalusien für den Import revolutionärer Landwirtschaftstechniken verantwortlich war, trägt Borgolte Rechnung, indem er etwa die Reiche von al-Andalus bis in Geistesströmungen und bürokratische Verästelungen quasi von innen zu beschreiben imstande ist. So kann er dann auch mit der Mär von der vorgeblichen Toleranz der zivilisierteren Muslime aufräumen, die erst mit der Reconquista blutig erledigt worden sei. In Wahrheit verzeichnet die Epoche gerade im Granada des Jahres 1066 das erste blutige Pogrom, dem dann im Westeuropa der Kreuzfahrer allerdings weitere folgen sollten.

Die diskussionswürdige These des Mediävisten Robert Bartlett, daß Europa sich erst in der Kreuzzug-Expansion nach außen wie nach innen gewaltsam formierte, also quasi aus dem rüden Willen der gepanzerten Reiterkrieger erstand, nimmt Borgolte zu Recht ernst, stellt ihr aber auch die immer detailliertere Kenntnis der Handelsverbindungen von Hansekaufleuten zwischen Lübeck und Nowgorod, Köln und London zur Seite. Europa, was immer Ungestaltes der Kontinent politisch und gesellschaftlich um 1250 - also beim Tod des Stauferkaisers Friedrich II. - auch war, entwickelte sich eben aus unterschiedlichen, ja meist gegenläufigen Strömungen.

Mit Borgoltes Rundblick über die Wurzeln der Diversität läßt sich denn auch sehr viel besser begreifen, daß sich Europa immer nur als sein eigener Widerspruch, als ad hoc funktionierendes und erfundenes Gebilde in die Zukunft fortschreiben kann. Europas Nationen, so schreibt Borgolte, wachsen aus einem gemeinsamen Stamm von Grundübereinstimmungen wie Christianisierung, Feudalisierung, Städtewesen, Universitätsbildung. Aber zwischen diesen unterschiedlich ausgeformten Nationen gibt es einen beständigen Prozeß von Akkulturationen, der den Kontinent bis heute nachhaltiger prägt als jedes politische Einheitsversprechen. Europa, könnte man Borgolte pointieren, ist Kommunikation untereinander.

Indem er sich - mit geringen Vorbehalten - zur "Vielheit der Geschichte" bekennt, nimmt Borgolte auch Abschied von der überlebten deutschen Professoralhistorie des zwanzigsten Jahrhunderts, die von den wilhelminischen und nationalsozialistischen Hanse-Verherrlichern bis zum national verklärten Ottonen- oder Stauferkult, von den Ideologen der Ostsiedlung bis zu antipäpstlichen Kirchenkämpfern die Historie meist nur für eigene Zwecke zurechtgebügelt hat. Dieser Autor jedoch gehört einer neuen Historikergeneration an, die in Kenntnis der französischen Mentalitätsgeschichte, britischer Regionalhistorie, jüdischer und muslimischer Geistesgeschichte und gemeinsamer Technikhistorie das europäische Mittelalter als Schmelztiegel von Ideen und Methoden ernst nimmt. So kommt denn aus solch souveräner Gipfelperspektive eines staunenswert gebildeten Europa-Historikers Deutschland auch in der Geschichtsschreibung dort an, wohin es sowieso gehört: in der Mitte des Kontinents.

DIRK SCHÜMER

Michael Borgolte: "Europa entdeckt seine Vielfalt". 1050-1250. Handbuch der Geschichte Europas, Band 3. UTB/Eugen Ulmer Verlag , Stuttgart 2003. 462 S., 11 Karten, br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christian Jostmann ist voll des Lobes: eine überaus gelungene, klare und einsichtsvolle Studie, die - als dritter Teil eines zehnbändigen "Handbuchs der Geschichte Europas" erschienen - tatsächlich gelesen und nicht lediglich als Nachschlagewerk genutzt werden solle. Um den "Ursprung dessen, was wir Europa nennen", gehe es, und an selbigem residiere mehr als jeder andere Papst Gregor VII., der 1075 die Machtverhältnisse in Europa zugunsten des Vatikans wendete und so den Kontinent einigte - nicht als homogenes, harmonisches Gebilde, sondern als ein Widersprüche einschließendes Zwangssystem. Die auf die Gegenwart bezogene Schlussfolgerung des Autors Michael Borgolte: Man solle keine europäische Identitätspolitik betreiben, denn "das Wesen Europas liege gerade darin, nicht identisch mit sich zu sein".

© Perlentaucher Medien GmbH