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Fragen nach Recht und Ordnung des politischen Gemeinwesens durchziehen die europäische Geistesgeschichte. Der bekannte Jurist und ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde legt hier einen Gang durch diese Geschichte vor. Der Leser begegnet Denkern wie Sokrates, Platon, Augustinus oder Thomas von Aquin. Im Mittelpunkt steht die Frage danach wie das Denken über Recht und politische Ordnung im jeweiligen historischen Kontext zu beurteilen ist und worin dessen Grundlage und Rechtfertigung, dessen Aufgabe und Sinn liegt.

Produktbeschreibung
Fragen nach Recht und Ordnung des politischen Gemeinwesens durchziehen die europäische Geistesgeschichte. Der bekannte Jurist und ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde legt hier einen Gang durch diese Geschichte vor. Der Leser begegnet Denkern wie Sokrates, Platon, Augustinus oder Thomas von Aquin. Im Mittelpunkt steht die Frage danach wie das Denken über Recht und politische Ordnung im jeweiligen historischen Kontext zu beurteilen ist und worin dessen Grundlage und Rechtfertigung, dessen Aufgabe und Sinn liegt.
Autorenporträt
Ernst-Wolfgang Böckenförde war o. Professor für Öffentliches Recht, Rechts- und Verfassungsgeschichte und Rechtsphilosophie an den Universitäten Heidelberg, Bielefeld und Freiburg; sowie von 1983 bis 1996 Richter des Bundesverfassungsgerichts.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002

Ach, du lieber Augustin
Ernst-Wolfgang Böckenförde packt die antike und mittelalterliche Rechtsphilosophie beim Kragen
Die schon länger erwartete „Geschichte” des emeritierten Freiburger Verfassungsrechtlers und ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst- Wolfgang Böckenförde liegt nun vor. Sie ist „all denen” gewidmet, „die noch oder wieder an Grundlagenwissen interessiert sind”.
Das ist eine pointierte Stellungnahme im aktuellen Kampf der Grundlagenfächer der Juristenausbildung gegen das vermeintlich Moderne und Nützliche. Böckenfördes erste Botschaft lautet: Keine ernsthafte Jurisprudenz ohne Orientierung auf die theoretischen und historischen Grundlagen des Rechts. Diese Botschaft ist dem Rezensenten aus dem Herzen gesprochen. Und die zweite könnte lauten: So wie in diesem Buch könnte die Orientierung im Bereich der Rechts- und Staatsphilosophie aussehen. Ein zweiter Band, der die Zeit von Machiavelli über Hobbes zu Locke, Rousseau, Kant, Hegel, Kelsen, Schmitt, H. L.A. Hart sowie etwa Rawls, Dworkin und Habermas umfassen müsste, ein solcher Band könnte und sollte dann folgen.
Aber künftige Hoffnungen sollen dem gegenwärtig Geleisteten nicht im Wege stehen. 2000 Jahre von der griechischen Polis bis zu Martin Luther solide zu überwölben, ohne Spezialist zu sein, ist ein Wagnis, wie Böckenförde selbst sagt. Dies zumal dann, wenn man den Anspruch erhebt, nicht nur textimmanent zu interpretieren, sondern auch das politische Umfeld der großen Philosophien im Umriss abzubilden. Da muss man den Mut haben, die Forschungsliteratur zusammenzufassen, Gipfelpunkte zu benennen und die entsprechenden „Täler” zu überspringen, also kleinere Autoren, Schulverzweigungen und das „Unbedeutende”, was immer es sein mag, beiseite zu lassen. Böckenförde hat diesen Mut.
Er führt den Leser zunächst durch die antike Rechts- und Staatsphilosophie, von den Vorsokratikern zu den Sophisten und Sokrates, zu Platon und Aristoteles, zur Stoa und schließlich zu dem an der Schnittstelle von Republik und Prinzipat, griechischer und römischer Kultur stehenden Cicero. Man erfährt die wichtigsten Lebensdaten, erhält eine Schilderung der „Ausgangslage” und kann dann in einem dichten Referat die jeweils markantesten Züge der einzelnen Philosophien oder Schulzusammenhänge nachvollziehen. Zusammenfassende Würdigungen schließen die Kapitel ab.
Nicht gesuchte Wallfahrtsorte
So verfährt Böckenförde auch im zweiten Teil, bei der christlichen Rechts- und Staatsphilosophie. Sie setzt mit dem großen Augustinus ein, springt dann achthundert Jahre zu Thomas von Aquin, dem der Autor sich besonders ausführlich widmet. Das ist ohne weiteres zu rechtfertigen mit Blick auf das Werk selbst, vor allem aber auf die tiefen Spuren die der kirchenamtliche „Thomismus” in der Sozialphilosophie bis ins 20. Jahrhundert hinterlassen hat. Zu diesen Spuren gehört auch die für das Völkerrecht so wichtige spanische Spätscholastik (Francisco de Vitoria, Francisco Suárez), die ein eigenes Kapitel erhält.
Dazwischen stehen die beiden kirchlichen Denker des Franziskanerordens, die vom Thomismus abweichend solche Positionen entwickeln, die schon die modernen Entzweiungen in sich tragen, nämlich die Zweifel an metaphysischen Wahrheiten, die quälenden Diskrepanzen zwischen Moral, Naturrecht und positivem Recht, die Unsicherheit über das Erkenntnisvermögen insgesamt, Johannes Duns Scotus also und Wilhelm von Ockham. Der eine ist in Köln, der andere in München begraben, und ihre Gräber könnten auch Wallfahrtsorte für die moderne Wissenschaftstheorie sein, wenn diese denn auf ihre historische Selbstreflexion Wert legte. Am Ende des Mittelalters steht, was konzeptionell überzeugt, der Augustinermönch Martin Luther, der mit seiner Orientierung am frühchristlichen Augustinus hinter die Scholastik zurückgeht und so die mittelalterliche Kirche weniger abschließt als aufsprengt. Luthers „Zwei- Reiche-Lehre” gibt, eher ungewollt, dem frühmodernen Staat sein eigenes Terrain, im Ergebnis nicht anders als die Lehren Machiavellis, der sich – an Fragen der Transzendenz nicht wirklich interessiert – völlig auf das politische Diesseits konzentriert.
Die auf diese Weise erreichte Verdichtung durch Konzentration auf große Rechts- und Staatsdenker hat allerdings auch ihre Kehrseite. Zunächst fallen dadurch die Lücken stärker auf. So taucht der gerade für die zunehmende Distanzierung von Kirche und Staat sowie für die Legitimierung von Recht durch Berufung auf den Volkswillen so wichtige Marsilius von Padua mit seinem ketzerischen „Defensor Pacis” (1324) nur in einer Fußnote auf. Von dem großen Theologen und Philosophen Nikolaus von Kues gibt es gar keine Spur. Und weiter: Die Kapitel stehen in sich geschlossen nebeneinander. Von der gewaltigen Fernwirkung eines Aristoteles bis in das 18. Jahrhundert, ja auf dem Feld der politischen Philosophie bis in die Gegenwart, erfährt man nur nebenbei. Auch Thomas von Aquins oder Ciceros Rolle im Ausbildungs- und Bildungskanon des Abendlandes wird nur angedeutet.
Die kürzlich in zweiter Auflage erschienene Geschichte des philosophischen Denkens im Mittelalter von Kurt Flasch, die ebenfalls mit Augustinus einsetzt und mit Machiavelli und Luther endet, macht es anders. Flasch verfolgt die Mäander der Philosophiegeschichte problemorientiert und „erzählend” bis in ihre Verästelungen, während Böckenförde mehr nach dem Freiburger Vorbild Erik Wolf große Rechts- und Staatsdenker in abgerundeter Form präsentiert. Grund für diesen Unterschied ist der Umstand, dass Böckenförde sich als Rechts- und Staatsphilosoph versteht, der nicht nur historischer Beobachter, sondern auch philosophierender Benutzer ist.
Diese Doppelrolle führt zu der durchaus legitimen Frage, was man denn mit dem Erkenntnisgewinn beim Studium alter Philosophen anfangen soll. Gefragt wird also nach der Relevanz, früher „Lebenswert” genannt, genauer: nach der Belastbarkeit der älteren Aussagen vor dem Forum moderner Philosophie und Wissenschaftstheorie. Ausgeführt werden diese Tests bei Böckenförde nicht, aber man spürt doch, dass den Fragen an die alten Texte eine Energie zugrundeliegt, die sich irgendwann ihren Ausgang in die rechtsphilosophischen Fragen der postindustriellen Gesellschaft bahnen wird.
MICHAEL STOLLEIS
ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE: Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2002. XIII, 462 Seiten, 21,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2007

Hinweis

RECHTS- UND STAATSPHILOSOPHIE. Ernst Wolfgang Böckenfördes zuerst 2002 erschienenes Buch zur Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie (F.A.Z. vom 8. Oktober 2002) liegt in erweiterter zweiten Auflage vor. Das Buch, Resultat jahrelanger Vorlesungstätigkeit, ist ein großer Wurf: Es zeichnet die antike und mittelalterliche Ideengeschichte der politisch-sozialen Ordnung nach und zeigt auf diese Weise, was für ein reiches geistesgeschichtliches Potential auch in den heutigen Fragen der rechtlichen und staatlichen Ordnung steckt. Sinnigerweise lautet die Widmung, die der Rechts- und Staatswissenschaftler seinem Buch vorangestellt hat: "All denen, die noch oder wieder an Grundlagenwissen interessiert sind." Die neue Auflage enthält ergänzende Ausführungen unter anderem zu Platons Gerechtigkeitsbegriff, zum Ursprung des Gedankens der Würde des Menschen in der Stoa und im Christentum, zur Diskussion um die lex naturalis bei Thomas von Aquin und neu die Darstellung der Lehre von Marsilius von Padua. Böckenförde selbst sieht sein im besten Sinne interdisziplinär verfasstes Buch als ein "reales Wagnis" an: "Darf sich jemand, der nur in einer Wissenschaft voll zu Hause ist, angesichts der Ausdifferenzierung und eines weltweiten Diskurses der Wissenschaften so etwas noch zutrauen? Nun, ich habe mir es, ohne zugleich auch Historiker, Philosoph oder Theologe vom Fach zu sein, zugetraut; den damit verbundenen Mut zur Lücke bitte ich mir zu konzedieren." Alle wirklich politisch und nicht nur parteipolitisch Interessierten werden diesen Mut zur Lücke zu schätzen wissen und Böckenfördes Buch mit großem Gewinn lesen - zumal Studierende der Rechts- und Staatswissenschaften, aber eben auch solche der Geschichte, Philosophie und Theologie. (Ernst-Wolfgang Böckenförde: "Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie". Antike und Mittelalter. Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2006. 499 S., geb., 21,90 [Euro].)

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine "meisterhafte Geschichte" der Rechts- und Staatsphilosophie erblickt Rezensent Otto Kallscheuer in diesem Buch. Formal wie inhaltlich charakterisiert er Ernst-Wolfgang Böckenfördes aus jahrelanger Vorlesungstätigkeit hervorgegangene Rechtsgeschichte als "historisch-politische Ideengeschichte". Böckenförde stellt die großen Systeme von der Antike bis zum ausgehenden Mittelalter dar, mit denen die normative Ordnung des menschlichen Zusammenlebens begründet und interpretiert wurde, berichtet Kallscheuer. In großen Linien zeichne der Autor die Veränderungen der philosophischen Architektonik der Begründung von Recht und legitimer politischer Ordnung von Plato bis Luther nach. Dabei kann er nach Ansicht Kallscheuers insbesondere deutlich machen, dass der in der Neuzeit aufbrechende Gegensatz von Faktizität und Geltung der Rechtsordnung, zwischen positivem und Vernunftrecht, auf eine der christlichen Philosophie innewohnende Spannung zurückgeht. Deutlich wird für Kallscheuer auch, dass sowohl der theologische Radikalismus der göttlichen Allmacht von Duns Scotus und Ockham als auch Luthers Pessimismus der moralischen Ohnmacht des Menschen ohne göttliche Gnade die Scheidung von menschlichem und göttlichem Recht Befördert haben. "Es ist zu hoffen", resümiert der Rezensent, "dass Böckenförde uns auch die Fortsetzung der Geschichte in der Neuzeit nicht schuldig bleibt."

© Perlentaucher Medien GmbH
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