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Jährlich kommen geschätzt ca. 40.000 Behandlungsfehlervorwürfe zur Anzeige. Nur in einem kleinen Prozentsatz erhalten die geschädigten Patienten aber tatsächlich Recht. Für Michael Imhof wenig überraschend, denn der Patient steht einer mächtigen Lobby gegenüber, der er hoffnungslos unterlegen ist. Seine Erfahrung zeigt: Nicht die Fehler der Ärzte sind der eigentliche Skandal, sondern die Art und Weise, wie Gutachter, Anwälte, Versicherungen und Krankenhäuser damit umgehen. Sie bringen die Beteiligten in eine Ausnahmesituation, unter der Patienten wie Ärzte gleichermaßen leiden.

Produktbeschreibung
Jährlich kommen geschätzt ca. 40.000 Behandlungsfehlervorwürfe zur Anzeige. Nur in einem kleinen Prozentsatz erhalten die geschädigten Patienten aber tatsächlich Recht. Für Michael Imhof wenig überraschend, denn der Patient steht einer mächtigen Lobby gegenüber, der er hoffnungslos unterlegen ist. Seine Erfahrung zeigt: Nicht die Fehler der Ärzte sind der eigentliche Skandal, sondern die Art und Weise, wie Gutachter, Anwälte, Versicherungen und Krankenhäuser damit umgehen. Sie bringen die Beteiligten in eine Ausnahmesituation, unter der Patienten wie Ärzte gleichermaßen leiden.
Autorenporträt
Dr. med. Michael Imhof, Jahrgang 1951, absolvierte sein Medizinstudium an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er habilitierte über Pathophysiologie?/?Pathobiochemie entzündlicher Darmerkrankungen und neue Wege der chirurgischen Therapie. Bevor er sich als medizinisch-wissenschaftlicher Berater und Gutachter selbstständig machte, war er lange Jahre als Oberarzt an der Chirurgischen Uniklinik Würzburg tätig. Er hielt zahlreiche Vorträge im In- und Ausland über Grundlagen- und Tumorforschung sowie innovative chirurgische Techniken. Zu diesen Themen sind bereits mehrere Bücher und Fachpublikationen von ihm erschienen. Seit nunmehr vielen Jahren erstellt er Gutachten auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechtes mit dem Schwerpunkt operative Medizin und chirurgische Onkologie. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit stellt die Beschäftigung mit ethisch-philosophischen Grundfragen der modernen Medizin dar. Imhof versucht zudem in seiner Malerei diese Grundf

ragen darzustellen. Dabei ist es sein Ziel, medizinische Wissenschaft, Ethik der Medizin und bildende Kunst zu einer Einheit zu verbinden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2010

Überleben im Krankenhaus

Bei Behandlungsfehlern haben Patienten eine schwache Position. Aber auch Ärzte gehören zu den Verlierern einer zunehmend verrechtlichten Medizin, wie Michael Imhofs wichtiges Buch zeigt.

Es geht nicht nur um das sprichwörtliche Skalpell, das der Arzt im Körper des Operierten vergessen hat (realistischer sind Tupfer und Bauchtuch, die offenbar auch heute noch, trotz Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen, im Operationsgebiet vergessen werden). Es geht auch nicht nur darum, bei einer Hüft- oder Knieoperation die falschen Prothesen zu implantieren oder schlichtweg die Seiten oder gar den Patienten zu verwechseln. Das ist schneller passiert, als der Laie es sich vorstellen kann. Da braucht nur ein Schichtdienst den nächsten nicht zuverlässig informiert zu haben.

Man denkt an solche eher spektakulären Fälle, wenn man den Spruch hört, der unsicherste Ort der Welt sei noch immer das Krankenhaus. Doch die meisten Behandlungsfehlervorwürfe richten sich auf die schleichenden Desaster, auf vermeidbare Diagnoseverzögerungen und die mangelhafte Beachtung von alarmierenden Hinweiszeichen. "Diese mangelhafte Beachtung von Hinweiszeichen", so erklärt Michael Imhof in seinem Buch "Behandlungsfehler in der Medizin", "das Nichterheben von diagnosesichernden Befunden hat meist zusätzlich noch ein fehlerhaftes therapeutisches Regime zur Folge: Eine kleine Unachtsamkeit setzt nicht selten eine ganze Kette von Fehlbehandlungen in Gang." Als Gutachter in Arzthaftungsprozessen ist Imhof ein ums andere Mal auf diese verhängnisvolle Spirale gestoßen. An etlichen Beispielen kann er zeigen: Erst das Zusammenwirken von mehreren, für sich genommen vielleicht noch unscheinbaren Nachlässigkeiten führt zu den verheerenden Krankheitsverläufen, unter denen Patienten lebenslang zu leiden haben. Zu den häufigen Fehlern im Krankenhaus gehört ausgerechnet der Schlendrian mit Arzneimitteln, der viele Gesichter hat: "Falsche Medikamentendosierungen, falsche Anwendung, falsche Häufigkeit der Verabreichung, falsche Medikamentenwahl, Präparateverwechslungen wegen ähnlich aussehender Verpackungen, fehlende Labordaten und mangelndes Wissen über Co-Medikationen und Begleiterkrankungen sind die Hauptursachen für falsche Arzneimittel-Therapien im Krankenhaus." Der bunte Pillencocktail, der mehrmals täglich in den Schiebeschachteln ausgegeben wird, kann demnach nur mit gedrückten Daumen konsumiert werden.

Im Blick auf die noch immer "tabuisierte Fehlerkultur" in deutschen Hospitälern ist Imhof ein aufrüttelndes Werk gelungen. Seit Jahren erstellt er Gutachten auf dem Gebiet des Medizinrechts; nun hat er bei Schulz-Kirchner seine Erfahrungen in Buchform veröffentlicht. Es dürfte keine zweite ähnlich lebendige, kenntnisreiche und faktengesättigte Studie zu diesem Thema geben, das ein Thema ist, von dem prinzipiell jeder betroffen sein kann, der wegen irgendwelcher Beschwerden ins Krankenhaus kommt. Imhof stellt sich einerseits entschieden auf die Position der Patienten: "Ihre schwache Stellung in der Auseinandersetzung mit Gerichten, Haftpflichtversicherungen und ärztlichem Standesdünkel macht es in vielen Fällen unmöglich, Schadenersatz für erlittenes Unrecht zu erhalten." Andererseits sieht der Autor auch die Ärzte als Opfer: "Die zunehmende Klageflut, die Bereitschaft und Rücksichtslosigkeit mancher Patienten, auch kleinste und unbedeutendste Störungen des Heilungsverlaufs nicht als gegeben zu akzeptieren, stellt einen weiteren Grund für die Entfremdung zwischen Arzt und Patient dar."

Es ist diese nicht skandalisierende, jede Sensationsheischerei strikt vermeidende Fähigkeit Imhofs, die Rationalität aller Parteien zu gewichten, die seiner Expertise Autorität verleiht. Eigentlich kann es sich kein (potentieller) Patient, können es sich kein Arzt und kein Medizinstudent leisten, dieses Buch nicht gelesen zu haben. Und als vertrauensbildende Maßnahme gehört es mit zwei, drei Exemplaren in jedes Wartezimmer.

Imhofs Feinde, gegen die er leidenschaftlich zu Worte zieht, sind die Haftpflichtversicherungen. Er nennt sie "die heimlichen Herren des Verfahrens", ignorant und skrupellos gegenüber dem einzelnen Schicksal "mit seiner nicht anerkannten Querschnittslähmung, einer nicht anerkannten Bauchfellentzündung, einer falsch implantierten Knie- oder Hüftendoprothese". Imhof berichtet von der Methode, trotz eines für den Patienten positiven Gutachterkommissionsbescheids nicht in Haftung zu gehen, jahrelange Hinhaltetaktik zu betreiben oder "geradezu unanständig geringe" Entschädigungszahlungen anzubieten. "Selbst bei eindeutigen Sachverhalten wie einer Seitenverwechslung haben sich Versicherungen schon geweigert, den Schaden anzuerkennen."

Imhof lässt uns in die Abgründe der Versicherungsmanager blicken und macht mit seinen intimen Kenntnissen plausibel, was der Laie nicht für möglich hielt: Selbst wenn der Klageweg für Versicherungen im Einzelfall wenig Aussicht auf Erfolg habe, so verdiene das Unternehmen doch mit jedem Aufschub der Zahlungen Geld. Denn Schadenersatzforderungen können als Verluste steuerlich geltend gemacht und als finanzielle Rückstellungen zinsbringend angelegt werden. "Jeder gewonnene Tag bedeutet also bares Geld. So funktioniert das System. So sieht es aus!" Die durch Behandlungsfehler ohnehin schon geschlagenen Patienten "werden in den jahrelangen Verfahren ausgelaugt und von den Hinhaltemanövern der Versicherungen so lange gequält und niedergerungen, bis der letzte Wille zur Gegenwehr erlischt".

Dabei lässt Imhof keine Gelegenheit aus, den Patienten über den Unterschied aufzuklären zwischen Behandlungsfehlern und grundlegenden Gesundheitsrisiken, die mit jedem Eingriff verbunden sind. Dieses Nebeneinander von Risiken, die einerseits von der Krankheit des Patienten ausgehen, andererseits aber auch durch das Tun oder Unterlassen des Arztes verursacht sein können, macht das typische Gepräge von Arzthaftungsfällen aus. Eine Komplikation, sogar mit Todesfolge, kann mithin nicht automatisch als Beleg für einen Behandlungsfehler gelten. Es geht um die von Imhof haarfein ausgelotete Frage, ob eine Kausalität zwischen der möglicherweise falschen Behandlung und den Folgen nachweisbar ist oder nicht. Mit anderen Worten: Der Patient muss beweisen, dass der Schaden bei einer einwandfreien Behandlung nicht eingetreten wäre. Das ist naturgemäß etwas anderes, als lediglich den Schaden nachzuweisen, dessen Ursache ja nicht in mangelhafter ärztlicher Sorgfalt zu liegen braucht. Womit die Beweisnot auf Patientenseite auf der Hand liegt.

Stellt ein Sachverständiger jedoch einen groben Behandlungsfehler fest ("Verstoß gegen die medizinischen Standards"), so kann dies zur Umkehr der Beweislast führen: Geklärt werden muss dann lediglich, ob dieser Fehler "geeignet" war, einen "Gesundheitsschaden" herbeizuführen, wie er bei dem Patienten vorkam. Imhof führt uns in die subtilen Unterscheidungen seines Sujets ein: "Geeignet" sei ein sehr spitzfindig formulierter Begriff, der nur noch die bloße Möglichkeit voraussetze, dass der Behandlungsfehler für den Schaden ursächlich gewesen sein könnte. Der Rest ist Routine: "Der beklagte Arzt wird in einer solchen Situation normalerweise nicht belegen können, dass keine solche Möglichkeit besteht."

In düsteren Farben skizziert Imhof die schleichende Ausbreitung einer Defensivmedizin, die in erster Linie darauf ausgerichtet ist, möglichst keine Angriffspunkte für gerichtliche Klagen zu bieten. Immer häufiger sei zu beobachten, dass leitende Ärzte schon zu Beginn von Ermittlungsverfahren suspendiert werden, wenn ihre "Schuld" noch gar nicht erwiesen ist. "Wie will ein leitender Arzt seinen Beruf mit Hingabe ausüben, wenn in seinem Vertrag eine Klausel steht, die die sofortige Auflösung der Dienstverhältnisse im Falle eines Behandlungsfehler-Verfahrens vorsieht? Wie handelt jemand, der Tag für Tag eine solche unsichtbare Zeitbombe mit sich herumträgt? Wird nicht im Zentrum seiner Überlegungen und seines Handelns - ob bewusst oder unbewusst - an erster Stelle das Prinzip der Absicherung gegen juristische Auseinandersetzungen stehen und nicht das Ziel des auf lange Sicht für den Patienten besten Heilverfahrens? Wird nicht eine Art Defensivmedizin die zwangsläufige Folge sein?"

Imhof war selbst jahrelang als Oberarzt an einer Chirurgischen Uniklinik tätig und weiß, was eine derartige Defensivmedizin nach sich zieht: Vertrauensverlust und Übertherapien um jeden Preis. Stattdessen müssten Risikomanagement und Fehlerkultur verbessert werden. Statt erzwungener Null-Fehler-Attitüde sollten etwa nicht strafende Meldesysteme nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten ausgebaut werden, in denen man Fehler nach dem Prinzip "no shame, no blame, no name" (keine Schande, kein Tadel, kein Name) mitteilen könne. Um Kausalitäten festzustellen, bedarf es nicht notwendig der von Juristen aufgetürmten Aktenberge. Es geht auch schneller, billiger und dem Heilungsverlauf zuträglicher. Imhofs Gutachten lässt da hoffen.

CHRISTIAN GEYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

So hat Rezensent Christian Geyer noch nicht gelesen, welche Risiken, welche Gefahren und welche Fehler mit der modernen Medizin einhergehen. So sachlich informativ, nüchtern und ohne jede Sensationsheischerei, wie Michael Imhof in seinem Buch "Operation Gesundheit" in seinem Buch schreibt, das Geyer im Aufmacher des Feuilletons nachdrücklich für jedes Wartezimmer empfiehlt. Was er gelernt hat ist zum Beispiel, dass die meisten Behandlungsfehler ganz unspektakulär daherkommen: Nicht die vertauschten Prothesen oder die verwechselten Organe sind das Problem, sondern die falsche Medikamentendosierung, die falsche Verabreichung, Fehler eben, die passieren, wenn es hektisch wird, die Schichtdienste wechseln, die Informationen nicht richtig weitergegeben werden. Auch wenn Imhof die Ärzte gegen allzu anspruchsvolle Patienten in Schutz nimmt, die Störungen im Behandlungsverlauf nicht hinnehmen wollen, so beklagt er doch die schwache Position der Patienten, wenn es darum geht, auch für gravierende und nachweisbare Fälle Entschädigungen zu erhalten. Hier sieht Geyer - mit Imhof - ganz klar die Haftpflichtversichungen in der Schuld, die Zahlungen auf Teufel komm raus verzögern, denn jeder Tag Aufschub bringe ihnen bares Geld.

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