Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 7,50 €
  • Gebundenes Buch

»Die Angst vor dem Friendly Fire«_Deutsche Berichte über den Bombenkrieg in Deutschland gibt es viele - aber wie ging es ausländischen Journalisten, die in Berliner Luftschutzkellern saßen, während Hitlers Hauptstadt bombardiert wurde, woran dachten Schweden, die in einen Feuersturm kamen, was empfanden amerikanische Kriegsgefangene, wenn ihre Kameraden die Sprenglasten über ihnen entluden, was Bomberpiloten, die unter sich ein Flammenmeer aufgehen sahen?_Oliver Lubrich hat eine Expedition in dieses bisher unbekannte Terrain unternommen, seine Funde sind erstaunlich: Die Liste seiner Autoren…mehr

Produktbeschreibung
»Die Angst vor dem Friendly Fire«_Deutsche Berichte über den Bombenkrieg in Deutschland gibt es viele - aber wie ging es ausländischen Journalisten, die in Berliner Luftschutzkellern saßen, während Hitlers Hauptstadt bombardiert wurde, woran dachten Schweden, die in einen Feuersturm kamen, was empfanden amerikanische Kriegsgefangene, wenn ihre Kameraden die Sprenglasten über ihnen entluden, was Bomberpiloten, die unter sich ein Flammenmeer aufgehen sahen?_Oliver Lubrich hat eine Expedition in dieses bisher unbekannte Terrain unternommen, seine Funde sind erstaunlich: Die Liste seiner Autoren reicht von berühmten Schriftstellern wie Céline, Malaparte und Vonnegut bis zu großen Reportern wie Murrow, Shirer und Gellhorn. Anhand ihrer - in Deutschland oft noch unveröffentlichten - Zeugnisse zeichnet er den Luftkrieg gegen Deutschland nach: von den Anfängen, als man über die Wirkungslosigkeit der einzelnen britischen Bomber noch scherzte, bis zur totalen Zerstörung des Deutschen Reichs.
Autorenporträt
Oliver Lubrich, geboren 1970 in Berlin, ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Bern. (Mit-)Herausgeber u. a. der Werke Alexander von Humboldts, u.a. Kosmos (2004). In seinem aktuellen Forschungsprojekt dokumentiert er die Berichte internationaler Autoren über das nationalsozialistische Deutschland.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.07.2007

Der alliierte Luftkrieg und die Moral
Die Kritik an den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg wird oft der Komplexität des Themas nicht gerecht
Die schweren Bombenangriffe auf Berlin im Herbst 1943 erlebte Paul Stämpfli nicht im Luftschutzkeller, sondern in seiner Gefängniszelle
in Plötzensee. Der Schweizer war bei einer Geschäftsreise nach Deutschland verhaftet und wegen „Landesverrats” zum Tode verurteilt worden. Durch die
Bombardements gerieten Stämpfli und seine Mitgefangenen in einen schrecklichen Zwiespalt: Die Angst, umzukommen, ging einher mit der Hoffnung, „dass nun Berlin endlich zusammengeschlagen werde und sich dadurch die Aussicht auf unsere Rettung verbessere”.
Stämpfli kam Ende Oktober 1943 im Zuge eines Häftlingsaustauschs frei und konnte über seine Erlebnisse berichten. Er ist insofern ein untypischer Augenzeuge, als Erfahrungen, wie er und manche andere sie machen mussten, nur selten in jene Erinnerungskultur eingeflossen sind, die sich in der Nachkriegszeit in Gestalt unzähliger lokal- und regionalhistorischer Publikationen herausgebildet hat – entgegen der Legende vom „tabuisierten” oder „verdrängten” Bombenkrieg. Auszüge aus Stämpflis Text, der erstmals 1945 veröffentlicht wurde, finden sich jetzt in einem der aufschlussreichsten Bücher, das die neuere Debatte über den Bombenkrieg hervorgebracht hat. Die von Oliver Lubrich herausgegebene Anthologie versammelt Texte von Ausländern, die den Luftkrieg in Deutschland erlebten. Deren gab es viele: nicht nur Häftlinge oder Zwangsarbeiter, auch Korrespondenten, Geschäftsleute, Diplomaten, Flüchtlinge. 30 Zeugen lässt Lubrich zu Wort kommen und ordnet ihre Texte auf einer Zeitachse von 1939 bis 1945 an.
Grenzen überschreitende Blicke
So entsteht ein denkbar weites Spektrum unterschiedlicher Erinnerungen; nicht nur Ort und Zeitpunkt der Erlebnisse sind von Belang, auch die konkreten Lebensumstände, die nationalen, politischen, beruflichen Hintergründe beeinflussen die Wahrnehmungen und Urteile. Die von Lubrich mit großer Sorgfalt und Kompetenz kommentierte Auswahl enthält neben Texten bekannter Journalisten und Schriftsteller, wie Edward Murrow, William Shirer oder Kurt Vonnegut, auch Aufzeichnungen weniger prominenter oder in Vergessenheit geratener Zeitzeugen. Die – im Wortsinn – Grenzen überschreitenden Blicke auf den Bombenkrieg verfügen fast durchweg über hohe analytische Qualität und ein bemerkenswertes Reflexionsniveau. Aufs Ganze gesehen formen sie sich zu einem multiperspektivischen Bild des Bombenkrieges, das die Komplexität des Geschehens einfängt und sich vorschnellen, pauschalen Urteilen widersetzt.
Solche Zurückhaltung hätte man sich auch von zwei Büchern gewünscht, die sich eine „moralphilosophische” Beurteilung der Bombenangriffe vorgenommen haben. Das eine stammt von dem Briten A.C. Grayling. Als es in deutscher Übersetzung erschien, reagierte Bild geradezu euphorisiert: „Erster britischer Kriegsforscher gibt zu: Bomben auf deutsche Städte waren ein Verbrechen!” Auch von britischen Medien ist das Buch überwiegend freundlich aufgenommen worden. Und dies, obwohl sich Grayling mehrfach im Ton und in der Sache vergreift. So vergleicht er die großen Städtebombardements des Zweiten Weltkriegs mit den Anschlägen des 11. September 2001. Oder er postuliert, „in einer idealen Welt” hätten die Mitglieder des britischen Bomber Command, von denen mehr als 55 000 im Luftkrieg umgekommen sind, ihre Einsatzbefehle verweigern sollen. In einer „idealen Welt” hätte es freilich auch keinen nationalsozialistischen Angriffskrieg gegeben . . .
Graylings Kernaussagen lauten: Der Krieg der Alliierten gegen Nazi-Deutschland und Japan war zweifellos legitim, die Flächenbombardements der britischen Royal Air Force gegen deutsche Städte, ihre direkt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Angriffe hingegen nicht. Sie mögen zwar – rein legalistisch betrachtet – zum damaligen Zeitpunkt keine Kriegsverbrechen gewesen sein, doch sie waren „moralische Verbrechen”. Zudem waren die Angriffe weder militärisch notwendig noch verhältnismäßig. Das Ziel, die Moral der deutschen Bevölkerung zu brechen, wurde nicht erreicht – im Gegenteil. Ethisch unbedenklich und zugleich wesentlich wirksamer wären Präzisionsangriffe auf kriegswichtige Einrichtungen gewesen, wie sie in der Regel von den US-Luftstreitkräften praktiziert wurden (allerdings nur in Europa, nicht im Krieg gegen Japan).
Auch wenn man die Frage nach Wirkung und Notwendigkeit der Flächenbombardements nicht mit der gleichen Eindeutigkeit beantwortet wie Grayling, sind seine Kernaussagen zweifellos gut begründet. Dennoch kann das Buch insgesamt nicht überzeugen. Das liegt zunächst daran, dass Grayling seine Kritik der Flächenbombardements nach Art einer Gerichtsshow inszeniert, in der er selbst sowohl den Ankläger als auch den Richter gibt, ja sogar die Argumente der Verteidigung antizipiert und – selbstverständlich – widerlegt. All dies mit dem Anspruch, ein „endgültiges”, letztinstanzliches Urteil zu fällen. Das ist eine schwer erträgliche Anmaßung, die alle Regeln eines offenen wissenschaftlichen Diskurses konterkariert.
Auch die theoretischen Grundlagen von Graylings Argumentation sind zuweilen fragwürdig. So skizziert er die Völkerrechtsentwicklung nach 1945, die zu einem stetig verbesserten Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen geführt habe und die Flächenbombardements des Zweiten Weltkriegs gleichsam rückwirkend zum Unrecht erkläre. Weitgehend undiskutiert bleibt allerdings das eklatante Missverhältnis, in dem die von Grayling zitierten Abkommen zur Realität moderner Kriege, erst recht zur Möglichkeit eines atomaren Krieges stehen. Noch irritierender ist der Umstand, dass Grayling seine Argumentation in weiten Teilen auf die Lehre vom „gerechten Krieg” aufbaut – ein vor allem von mittelalterlichen Moraltheologen geprägtes Konzept, das im modernen Völkerrecht keine Rolle mehr spielt; dieses postuliert vielmehr die Ächtung des Krieges und erlegt eine Pflicht zum Frieden auf.
Grayling laviert zwischen zwei Argumentationsebenen. Zum einen hält er der alliierten Kriegsführung vor, „dass es bereits unmoralisch war, Zivilpersonen überhaupt ins Visier zu nehmen”, zum anderen prüft er die „Notwendigkeit” von Flächenbombardements und verneint sie. Was aber, wenn seine Prüfung ergeben hätte, dass Flächenbombardements notwendig gewesen wären, um Nazideutschland zu besiegen? Oder dass sie den Krieg merklich verkürzt, also nicht nur Zivilisten geopfert, sondern auch gerettet hätten? Auch solch hypothetische Fragen bedürfen einer Antwort. Doch die moralischen Grauzonen und Ambivalenzen seines Themas lotet Grayling nur ungenügend aus.
Schleier der Moralphilosophie
Die gleichzeitig erschienene Arbeit von Lothar Fritze argumentiert zwar in moralphilosophischer Hinsicht präziser als Grayling, doch ansonsten führt sein Buch auf ziemlich düstere Abwege. Ohne den deutschen Angriffskrieg und die Verbrechen Nazideutschlands irgendwo in Abrede zu stellen, bringt Fritze gleichsam unterhalb dieser Schwelle jedes noch so fadenscheinige Argument an, um die deutsche Politik zu entlasten, die britische und auch die amerikanische zu belasten. Da geraten nicht allein der Bombenkrieg, sondern auch die alliierte Forderung nach „bedingungsloser Kapitulation”, das Bündnis der Westmächte mit der UdSSR, die Vertreibung und manches andere auf den Prüfstand. Wer etwa aus der Lektüre dieses Buches die Erkenntnis mitnimmt, dass Hitler den Krieg zwar begonnen, Churchill ihn aber ohne klar erkennbare Not und vermutlich aus rein nationalem Interesse eskalieren habe lassen, dürfte eine der wesentlichen Botschaften des Autors recht gut erfasst haben.
Unter dem Schleier der Moralphilosophie schüttet Fritze, Mitarbeiter des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts, den ganzen Vorrat rechts-revisionistischer Argumente, Behauptungen und Ressentiments vor dem Leser aus. Bei alledem zeigt er kaum Berührungsängste nach ganz rechts. Und er findet nichts dabei, sich auf Autoren zu berufen, die – wie der Historiker Walter Post – ihrerseits nichts dabei finden, der National-Zeitung Interviews zu gewähren. ULRICH TEUSCH
OLIVER LUBRICH (Hg.): Berichte aus der Abwurfzone. Ausländer erleben den Bombenkrieg in Deutschland 1939 bis 1945 (Die Andere Bibliothek, Bd. 266). Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007. 479 S., 30 Euro.
A.C. GRAYLING: Die toten Städte. Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen? C. Bertelsmann Verlag, München 2007. 414 S., 22,95 Euro.
LOTHAR FRITZE: Die Moral des Bombenterrors. Alliierte Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg. Olzog Verlag, München 2007. 347 S., 29,90 Euro.
Der durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstörte Frankfurter Römer, aufgenommen einige Wochen nach den verheerenden Angriffen der Alliierten im März 1944. Im Bomben-hagel wurde das alte Frankfurt/Main völlig zerstört. 1001 Menschen kamen ums Leben. Insgesamt fielen den Bombenan- griffen in Deutschland – die Angaben variieren stark – zwischen 300 000 und 600 000 deutsche Zivilisten zum Opfer. Über die Berechtigung und mögliche kriegsentscheidende Bedeutung des Luftkriegs wird nach wie vor in Historikerkreisen gestritten. Foto: ddp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Nur teilweise interessant findet Rezensentin Renee Zucker den vorliegenden Band des Literaturwissenschaftlers Oliver Lubrich, der Berichte von ausländischen Bobachtern des Bombenkriegs in Deutschland 1939 bis 1945 versammelt. Während ihr die Einleitung des Buchs überaus profund und instruktiv scheint, hält sie einen Teil der folgenden Texte eher für "belanglos". Es bestätigt sich für sie, dass nicht jeder, der über die Bombardierung Deutschlands schrieb, auch etwas zu sagen hatte. Immerhin lernt sie bei der Lektüre, dass der "embedded journalist" nicht erst für den Irakkrieg erfunden wurde, sondern bereits im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Einige Texte findet Zucker dann aber doch interessant, zum Beispiel Curzio Malapartes Geschichte über sein Treffen mit Luise von Preußen, Ausschnitte aus Kurt Vonneguts "Slaughterhouse-Five" und aus Romanen Celines sowie das neu übersetzte Stück Martha Gellhorns "Wir waren niemals Nazis". Insgesamt bewertet sie den Band als eine "ordentliche Fleißarbeit für Spezialisten".

© Perlentaucher Medien GmbH