Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 4,05 €
  • Gebundenes Buch

Aus Iwan Bunins bester Zeit, den Jahren 1916 bis 1944, stammen die Novellen dieses Bandes. Als Kosmopolit wider Willen kannte er die Cote d'Azur und das algerische Constantine so gut wie die sommerlichen Boulevards von Moskau und die Absteigen und Gerichtssäle von Sankt Petersburg. Kleinstädte am Ende der Welt, dunkle Alleen, kaukasische Kurorte sind die Schauplätze der plötzlichen Leidenschaften und der unerklärlichen Verbrechen, von denen er erzählt. Und immer wieder findet sich der Leser an Bord eines Schiffes, eines Wolga-Dampfers, der träge dahingleitet, in einer Luxuskabine auf der Fahrt…mehr

Produktbeschreibung
Aus Iwan Bunins bester Zeit, den Jahren 1916 bis 1944, stammen die Novellen dieses Bandes. Als Kosmopolit wider Willen kannte er die Cote d'Azur und das algerische Constantine so gut wie die sommerlichen Boulevards von Moskau und die Absteigen und Gerichtssäle von Sankt Petersburg. Kleinstädte am Ende der Welt, dunkle Alleen, kaukasische Kurorte sind die Schauplätze der plötzlichen Leidenschaften und der unerklärlichen Verbrechen, von denen er erzählt. Und immer wieder findet sich der Leser an Bord eines Schiffes, eines Wolga-Dampfers, der träge dahingleitet, in einer Luxuskabine auf der Fahrt zur Krim oder mitten im Bürgerkrieg auf einer Arche Noah voller verzweifelter Flüchtlinge.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2001

Lesetipp zum Wochenende
Nächte des „Nie mehr”
Eine Gelegenheit, den Erzähler Iwan Bunin kennen zu lernen
Das Abenteuer beginnt auf einem Wolga-Schiff: Ein Mann lernt eine Frau kennen, verbringt die Nacht mit ihr in einem Provinzhotel. Eine leidenschaftliche Begegnung, an die sich beide später immer wieder erinnern werden – „weder der eine noch der andere hatte so etwas je erlebt. Am Morgen um zehn – es war ein sonniger, heißer, glücklicher Morgen, die Kirchenglocken läuteten, auf dem Platz vor dem Hotel wurde Markt gehalten, und es roch nach Heu, Teer und wiederum jenem unbestimmbaren Düftegemisch, worin eine russische Kleinstadt atmet – reiste sie ab, sie, die namenlose kleine Frau, die ihren Namen nicht verraten, sich im Scherz die schöne Unbekannte genannt hatte. ” Zurück bleibt der Mann, der am Abend vorher heiter dem unerwarteten Abenteuer entgegensah, und der nun erkennt, dass er vom Blitz der Liebe getroffen ist. Als er seine Reise fortsetzt, fühlt er sich um Jahre gealtert. Er hat in dieser Nacht „ein zu großes Glück” erlebt – und gleich wieder verloren.
Immer wieder begegnen uns in den Novellen von Iwan Bunin Menschen, deren augenblicklicher Affekt, deren momentane Einsicht oder Empfindung ihr ganzes Leben prägen wird, ohne dass sie Einfluss nehmen könnten auf den Lauf ihres Schicksals. Ein Mann erinnert sich an seine Jugend, in der mit ihm im Hotel ein stiller Mensch wohnte, unauffällig und kurios, der plötzlich von einer entschiedenen Leidenschaft für seinen neuen, hochwohlgeborenen Zimmernachbarn gepackt wurde. Nichts Aufsehenerregendes passiert: ein Mensch, der stets früh zu Bett ging, bleibt plötzlich bis nachts um zwei Uhr wach, weil da der andere erst nach Hause kommt und mit ihm noch ein paar belanglose Worte wechselt. Er ahmt den Bewunderten nur in unwesentlichen Kleinigkeiten nach, und doch verändern sie alles. Der Erzähler weiß nicht, was aus dem stillen Kauz geworden ist noch aus dem selbstbewussten Nachtschwärmer. Ihn schmerzt, dass er sie nie wieder sehen oder fragen wird, dass er damals, im Augenblick des jugendlichen Abschieds nicht eine Sekunde gedacht hatte, dieser Verlust könne ihn erschreckt ausrufen lassen „Man denke nur – nie mehr!” Mit diesem Bewusstsein der Vergeblichkeit menschlicher Begegnungen und Empfindungen schließt die Novelle von 1922, die sich auf beeindruckende Weise nicht schert um die Erwartungen ihrer Leser.
Auf die Frage, welcher literarischen Richtung er sich selbst zurechne, antwortete Iwan Bunin: „Es ist doch alles Unsinn mit diesen Richtungen! Wozu haben mich nicht schon die Kritiker gestempelt: zum Dekadenten, Symbolisten, zum Mystiker und Realisten, Neorealisten, Gottsucher, Naturalisten, wer weiß was für Etiketten haben sie mir noch angehängt, dass ich zuletzt wie ein Koffer aussah, der eine Weltreise hinter sich hat und voll bunter schreiender Aufkleber ist. Kann denn dies alles nur im mindestens meine Eigenart als Künstler ausdrücken? In keinem Fall! Ich bin eben ich, einmalig, nicht wiederholbar, wie jeder auf dieser Erde lebende Mensch, und das ist der ganze Kern dieser Frage. ”
Iwan Bunin, der unvergleichliche russische Dichter, wurde 1870 geboren und starb 1953. Im Jahr 1933 bekam er als erster Schriftsteller seines Landes den Nobelpreis. Da lebte der entschiedene Gegner der Bolschewisten bereits 13 Jahre im französischen Exil und betonte in seiner Stockholmer Dankesrede: „Ohne diesen Feiertag verdüstern zu wollen, den ich für immer in unauslöschlicher Erinnerung behalten werden, erlaube ich mir dennoch zu sagen, dass die Leiden, die ich in den letzten fünfzehn Jahren erfahren habe, meine Freuden weitaus überwogen. Und diese Leiden waren keine persönlichen, durchaus nicht!”
Bunin, Anhänger von Tolstoi, Freund von Tschechow und Gorki, war Anfang des Jahrhunderts ein anerkannter und viel gelesener Autor. Die Oktoberrevolution zerstörte Ruf und Anerkennung für lange Zeit in seiner Heimat. Erst in den Sechzigern erschien in der Sowjetunion eine Gesamtausgabe seiner Werke. Aber auch bei uns ist Iwan Bunin, der von Thomas Mann ebenso bewundert wurde wie von Hermann Hesse oder Vladimir Nabokov, kein gelesener Autor. Die schöne Novellenausgabe bietet eine Gelegenheit, diesen Meister der wahren Empfindung kennen zu lernen. Der Band reicht von 1916 bis 1944, enthält autobiografische und biografische Texte, Erinnerungen an und von Bunin, für den der Traum von Reichtum unter anderem darin bestand, ein schmutziges Hemd nicht waschen zu müssen, sondern es einfach wegzuwerfen, „weil es weit interessanter und leichter sei, ein neues zu kaufen. ”
MANUELA REICHART
IWAN BUNIN: Liebe und andere Unglücksfälle. Novellen. Eichborn Verlag, Frankfurt 2000. Die Andere Bibliothek. 400 Seiten, 49,50 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr