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Panikin ist ein russischer Unternehmer der ersten Stunde. Mit zwölf spekulierte er mit Fußballeintrittskarten. Später sammelte er Erfahrungen im Straßenhandel. Geld wird für Panikin mit der Zeit aber immer unwichtiger. "Der Gewinn ist kein Ziel, sondern ein abstraktes Instrument zur Erlangung eines größeren Maßes an Freiheit." Das Gorbatschowsche Gesetz zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit in den Kooperativen eröffnet ihm den Weg in die Betriebe. Panikin wird zum ersten legalen Unternehmer Russlands, lässt seine Textilfirma in Berlin registrieren und bildet ein Joint Venture mit sich selbst.…mehr

Produktbeschreibung
Panikin ist ein russischer Unternehmer der ersten Stunde. Mit zwölf spekulierte er mit Fußballeintrittskarten. Später sammelte er Erfahrungen im Straßenhandel. Geld wird für Panikin mit der Zeit aber immer unwichtiger. "Der Gewinn ist kein Ziel, sondern ein abstraktes Instrument zur Erlangung eines größeren Maßes an Freiheit." Das Gorbatschowsche Gesetz zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit in den Kooperativen eröffnet ihm den Weg in die Betriebe. Panikin wird zum ersten legalen Unternehmer Russlands, lässt seine Textilfirma in Berlin registrieren und bildet ein Joint Venture mit sich selbst. Panikin ist den anderen immer einen halben Schritt voraus, denn "Bewegung heißt Überleben, Stille bedeutet freien Fall". Sein Werdegang ist die russische Variante des American Dream.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Lesenswert, so Dorothee Wenner, sei diese Autobiografie des russischen Unternehmers Panikin allemal. Der Lebensweg führt vom Theaterdirektor zum Verkäufer von Wandmasken und schließlich zum überaus erfolgreichen Textilfabrikanten. Zur Durchsetzung kapitalistischer Methoden in der Sowjetunion habe es eines abenteuerlichen "Pioniergeistes" ebenso bedurft wie "brillanter Schlitzohrigkeit". Sympathisch sei ein gewisses Maß an Bescheidenheit, das Panikin, neben dem krummen Lebenslauf, von westlichen Erfolgsstrebern wie Lee Iacocca unterscheide.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2000

Ich kann mir meine Welt selber basteln
Für Alexander Panikin wurde der Reichtum zur Quelle nie versiegenden Ärgers mit den Behörden

Das Buch beginnt mit einem Purgatorium: "Die Geldscheine brannten lichterloh. Das Feuer knisterte nicht, sondern verschlang lautlos Bündel um Bündel. An die Wohnungstür wurde ununterbrochen geklopft. Ein paar Minuten später war alles zu Ende. Fünf Lebensjahre waren in Flammen aufgegangen." Im Leben von Alexander Panikin, dem Chef eines der größten russischen Textil-Konzerne, "Paninter", folgen Triumphe und Niederlagen stets in raschem Wechsel. Dass er aber als Sowjetbürger sein eigenes Vermögen hatte verbrennen müssen, damit es die Behörden nicht als das begriffen, was es war, nämlich ein Beweis für seinen Erfolg, das geht ihm noch heute so nah, dass er mit dieser Szene sein Buch beginnt. "Das Maß der Freiheit", seine schwungvolle, von Andrej Bitow leider etwas lustlos eingeleitete Autobiografie, eröffnet mit der Negierung des Gewinnstrebens schlechthin.

Der Aufstieg des vaterlosen Jungen aus Krasnodar, der mit acht Jahren Kopeken aus Münztelefonen fischte und mit sechzehn nur die Flucht aus der Armut im Kopf hatte, ist damit so wenig aufzuhalten wie der Abstieg der Planwirtschaft. Heute gilt Panikin als "erster legaler Unternehmer Russlands". Jeder fünfzigste Russe, so heißt es, trägt ein Hemd oder eine Hose aus seiner Fabrik. Dabei lagen seine Anfänge auf ganz anderem Gebiet. In Heimarbeit fertigte er Gipsmasken, Schmetterlingsbroschen und Plastikmäuse, verkaufte seinen Kitsch in Metro-Tunneln. Mit fünfundzwanzig berauschte er sich an der Möglichkeit, "Geld auszugeben, fast ohne es zu zählen".

Dass Luxus für ihn nie Selbstzweck war, sondern stets Instrument für ein "größeres Maß an Freiheit", das unterscheidet den Manager von den einstigen Funktionären und Fabrik-Direktoren und den heutigen Politikern, die Russland als ewigen Quell eigenen Reichtums betrachten. Nicht der "Gelderwerb" treibe ihn, so schreibt er, "sondern die Schaffung meiner eigenen Welt". Seine Energie ist unerschöpflich. Neben dem aufreibenden Alltag als fliegender Händler absolvierte er eine künstlerische Ausbildung an renommierten Hochschulen und schien auf dem Sprung zu einer Karriere in der Theater-Verwaltung, eine ironische Volte der sowjetischen Nischen-Existenz. Die ungezählten Schriftsteller, die einem Brotberuf nachgingen und für die Schublade schrieben, gehören zum festen Kanon sowjetischer Künstler-Schicksale. Mit Panikin aber überwinterte ein Jung-Manager im Kulturbetrieb.

Trotz aller Vorkehrungen - einmal holte er, grippekrank, mit einem Krankenwagen Geld aus einer Wohnung ab - nahmen die Schikanen zu. Sieben Monate lang ließ ihn die Miliz verhaften, bespitzeln und wieder vorladen. Doch Panikin wusste, dass der Druck der Behörden am Vorabend der Perestroika, an diesem "Bruch der Zeiten", mehr aus Angst denn Ideologie resultierte. Überdies verdankt er seinen Erfolg nicht nur einer Mischung aus Glück, Sturheit und einem an Hybris grenzenden Selbstbewusstsein, sondern auch dem Unvermögen zur Kapitulation. Am wohlsten fühlt er sich mit dem Rücken zur Wand, als Kletterer am Überhang: "Wer sich bewegt, bleibt unversehrt, wer erstarrt, stürzt ab." Panikin schildert den künstlichen Stillstand in aller Absurdität, und dass ihn sein Bewegungsdrang in Konflikt mit einem System bringen musste, das allein Mittelmaß und Stagnation förderte, dessen war er sich bewusst. So erstaunt seine fast naive Begeisterung wenig, als Michail Gorbatschow die ersten Kooperativen erlaubte, jene kurzlebigen unternehmerischen Sumpfblüten aus den frühen Perestroika-Jahren. "Trunken ohne Alkohol, vor Glück von Sinnen", gründete auch Panikin - inzwischen auf Babyschuhe und Skimützen spezialisiert - seine Näherei "Tschelnok", das "Weberschiffchen".

Natürlich lernte er, dass das Ende des Sozialismus nur die Qualität, nicht die Quantität der Probleme veränderte. Doch er ließ sich nicht unterkriegen. Ohne Baugenehmigung setzte er Etage um Etage auf seine Werkstätten. Als er erfuhr, dass er für ein Joint Venture einen ausländischen Partner brauche, gründete er in Berlin eine GmbH und bildete fortan ein Joint Venture mit sich selbst. Panikin zeigte seinem Volk, wie man den "Sprung von einem Jahrhundert ins nächste, von der Manufaktur in die Industrie" macht. Der Widerspruch zwischen seinen Fähigkeiten und dem Staat, in dem er lebte, schien aufgehoben. Es war seine beste Zeit.

Obwohl er heute zweitausend Angestellte beschäftigt und weit mehr beschäftigen könnte, obwohl er eine Schule für junge Unternehmer eingerichtet hat, obwohl er Gaidars Reformen überstanden hat, Kredit-Engpässe und einen Fabrik-Brand, liegt über seinen letzten Seiten ein Hauch trotziger Melancholie. Bürokratie, horrende Steuern und Korruption hindern ihn an der Entfaltung, wieder einmal. An die Stelle der alten Blutsauger sind neue getreten. "Endlich vorgestoßen zu märchenhaften Profiten, werden diese Raben weiterpicken, bis sie platzen", schreibt er bitter. Die Flucht in die "Schattenwirtschaft" scheint ihm der einzige Weg, um zu überleben. Die "freie Wirtschaft", das "wichtigste positive Resultat" der letzten zehn Jahre, ist Höherem verpflichtet als dem Gesetz - der Rettung Russlands.

Panikins Buch ist eine Chronik der Verschwendung. Was hätte Russland mit so viel Talent, Intelligenz und Fantasie alles anfangen können? Was hätte dieser Mann für Russland alles tun können? Doch zehn Jahre nach dem Ende des Kommunismus hat das Land zu seinen Unternehmern noch immer ein gespanntes Verhältnis. Und Panikin, der rastlose, gottesfürchtige Patriot, wartet ungeduldig auf die Zeit "danach". Bis dahin schreibt er Bücher und Zeitschriften-Artikel. In seiner Fabrik, so liest man in der Zeitung, lässt er sich nur noch selten blicken. Die Kultur muss dem Kapitalisten erneut Unterschlupf bieten.

SONJA ZEKRI

Alexander Panikin: "Das Maß der Freiheit". Lebensgeschichte eines russischen Millionärs. Aus dem Russischen von Rosemarie Tietze. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000. 192 S., geb., 32,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Das Buch meines Freundes Alexander Panikin ist ebenso eindrucksvoll, überraschend und interessant wie er selbst. Ich glaube, Alexander Panikin wird uns alle noch oft in Erstaunen versetzen." (Michail Gorbatschow)