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Spätestens seit Steven Spielbergs Film Schindlers Liste glaubt man, über Oskar Schindler Bescheid zu wissen: Er war der Mann, der unter Lebensgefahr und unter Aufopferung seines Vermögens selbstlos über tausend unschuldiger Mitmenschen vor dem Tod in den Konzentrationslagern der Nazis rettete. David M. Crowes monumentale Biographie zeigt, wie spannend, widersprüchlich und wechselhaft dieses außergewöhnliche Leben wirklich war. Denn Schindlers beispiellose Tat war das Ergebnis eines langes Weges: Schindler arbeitete zunächst als Spion für die Nazis, half bei den Kriegsvorbereitungen mit und…mehr

Produktbeschreibung
Spätestens seit Steven Spielbergs Film Schindlers Liste glaubt man, über Oskar Schindler Bescheid zu wissen: Er war der Mann, der unter Lebensgefahr und unter Aufopferung seines Vermögens selbstlos über tausend unschuldiger Mitmenschen vor dem Tod in den Konzentrationslagern der Nazis rettete. David M. Crowes monumentale Biographie zeigt, wie spannend, widersprüchlich und wechselhaft dieses außergewöhnliche Leben wirklich war. Denn Schindlers beispiellose Tat war das Ergebnis eines langes Weges: Schindler arbeitete zunächst als Spion für die Nazis, half bei den Kriegsvorbereitungen mit und lieferte die polnischen Uniformen, die beim Überfall auf den Sender Gleiwitz zum Einsatz kamen. Als Fabrikbesitzer hoffte er, in den von den Nazis besetzten Gebieten schnell zu Geld zu kommen. Doch als Schindler bemerkte, daß die Progrome der Nazis System hatten, begann er zunächst heimlich, dann immer offensiver seine jüdischen Arbeiter zu retten. Die Entstehung der berühmten Listen (David Crowe fand nicht nur eine, sondern mehrere Versionen davon) war jedoch viel komplizierter, als man bisher wußte. Sie wurden zwar in Schindlers Auftrag erstellt - aber er selbst hatte nicht bestimmt, welche Namen auf ihnen standen. Er saß damals bei der Gestapo in Haft.

Schindlers Leben nach dem Zweiten Weltkrieg klingt ebenfalls, als sei es der Feder eines Romanautors entsprungen: Vollkommen verarmt überlebte der gebrochene und vereinsamte Retter nun selbst nur durch die Hilfe seiner "Schindler-Juden" - verehrt und gewürdigt als ein Mann, der ohne Rücksicht auf sein Schicksal den Nazis die Stirn bot.

Autorenporträt
Bernd Leineweber, Jg. 1943, ist Soziologe. Er lebt als freier Schriftsteller in Heidelberg und Italien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2005

Oskar Schindler - Opportunist und Held
In seiner Biographie zeichnet der amerikanische Historiker David Crowe ein nicht immer vorteilhaftes Bild des Judenretters

Wer war Oskar Schindler? Ein Hasardeur, ein Opportunist, ein Geschäftemacher - und ein Held. Der dies Urteil ausspricht, der amerikanische Historiker David Crowe, hat den Judenretter nicht persönlich gekannt, ist aber dennoch so tief in die Persönlichkeit dieses seltsamen und ungewöhnlichen Menschen eingedrungen wie sonst wohl keiner vor ihm. Denn Crowe hat die ganze Geschichte des Oskar Schindler erforscht: von dessen Geburt am 28. April 1908 im tschechischen Zwittau (Svitavy) bis zu seinem Tod am 9. Oktober 1974 im Hildesheimer Bernward-Krankenhaus. Daraus ist ein Buch mit 855 Seiten entstanden: "Oskar Schindler".

Der Untertitel "Die Biographie" ist keineswegs übertrieben - nicht allein, weil bisher keine historisch fundierte Lebensbeschreibung dieses "deutschen Helden" vorlag, sondern auch, weil künftige Forscher Crowes monumentaler Arbeit wohl nicht mehr viel werden hinzufügen können. Der Historiker von der Columbia University in New York hat indes kein Heldenepos geschrieben, sondern das Bild eines zwiespältigen Mannes gezeichnet, der auch abstoßende Züge gezeigt hat: "Er war kein Good Guy", beschrieb Crowe bei der Vorstellung seines Buches im Frankfurter Museum Judengasse den frühen Schindler.

Crowe hätte auch sagen können: "Er war ein Spion und ein Nazi." Jedenfalls bis zu seinen Rettungstaten. In Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste", durch den der Name Schindler weltweit bekannt wurde, trägt dieser ein NSDAP-Abzeichen. Was man bei Spielberg nicht erfährt, was aber Crowe bei seinen Recherchen herausgefunden hat: Schindler galt den Nationalsozialisten als vorbildlicher Kämpfer für die großdeutsche Sache. Denn zwei Jahre lang hatte er als V-Mann der deutschen Abwehr das Eisenbahnnetz der Tschechoslowakei ausspioniert und so die Besetzung des Landes durch die Wehrmacht vorzubereiten geholfen. Schindler war außerdem indirekt am Überfall auf Polen beteiligt. Er hatte polnische Uniformen besorgt, die in Berlin dann nachgeschneidert wurden für jene deutschen Soldaten, die am 31. August 1939 einen polnischen Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz vortäuschten. "Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen", verkündete Hitler danach am 1. September im Reichstag - der Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Apropos "Schindlers Liste". Die gibt es nicht. Vielmehr gibt es mehrere Listen. Der Historiker Crowe hat bei seinen Recherchen mehr als ein Dutzend entdeckt, wie er im Museum Judengasse berichtete. Auch war Schindler faktisch nicht an der Erstellung der Listen beteiligt, auf denen die Namen jener Juden verzeichnet waren, die bei der Verlagerung von Schindlers Fabrik von Krakau ins tschechische Brünnlitz mitkommen durften und so der Ermordung entgingen. Vermutlich aus dramaturgischen Gründen ließ Spielberg in seinem Film Schindler die Namen seinem Berater Itzhak Stern diktieren. In Wirklichkeit hat, wie Crowe herausfand, Marcel Goldberg, ein bestechliches Mitglied des jüdischen Ordnungsdienstes im Lager Plaszów, die Namen zusammengestellt und mehrmals verändert, um ihm gefällige Häftlinge aufzunehmen.

Die Deutsche Emailwarenfabrik, ein ehemaliges jüdisches Unternehmen, in dem die Schindler-Juden arbeiteten, hatte Schindler nur deshalb pachten können, weil er beste Verbindungen zur deutschen Abwehr und zur lokalen SS-Führung besaß. Sein Ziel war es, Geld zu machen und dem Waffendienst zu entgehen. Beides ist ihm gelungen. Für den Biographen Crowe lautet eine der entscheidenden Fragen, wie und warum aus dem Hasardeur, dem Opportunisten, dem Nazifreund Schindler der Judenretter Schindler geworden ist. Die Veränderung habe sich schrittweise vollzogen, über einen längeren Zeitraum hinweg, glaubt der amerikanische Forscher. Den einen entscheidenden Augenblick, da sich ihm die Augen geöffnet hätten, Schindler sehend geworden sei, habe es nicht gegeben. Gewiß war eines der Schlüsselerlebnisse Schindlers die Räumung des Krakauer Ghettos im März 1943. Er sah das Massaker im dortigen Kinderheim oder hörte zumindest davon, daß die SS-Leute, um Munition zu sparen, die Mädchen und Jungen sich so aufstellen ließen, daß sie mit einer Kugel gleich mehrere Kinder töten konnten. Itzhak Stern berichtet: "Schindler hat sich über Nacht verändert und war nicht mehr derselbe wie zuvor." Doch hatte seine Abkehr vom NS-System und seine Hinwendung zu "seinen" Juden schon früher eingesetzt und sich nach und nach verstärkt.

Seine entscheidende Tat, so sieht es Crowe, war die Verlagerung seines Werks nach Brünnlitz und die damit verbundene Rettung der Juden, wofür er sein ganzes in Krakau zusammengerafftes Vermögen aufbrachte. Schindler hätte auch seine Fabrik schließen und sich mit seinem Geld nach Westen absetzen können, argumentiert Crowe. Daß er es nicht getan habe, daß er statt dessen sein Vermögen eingesetzt und sein Leben riskiert habe für seine Arbeiter, belege, daß der ihm später in Israel verliehene Titel "Gerechter der Völker" völlig berechtigt sei.

Auch dem Nachkriegs-Schindler hat Crowe nachgespürt, also jenem Verlierer, dessen unternehmerische Ambitionen sämtlich scheiterten, nachdem er 1957 aus Argentinien nach Deutschland zurückgekommen war und in Frankfurt sein Glück versuchte. Klaus Binder, der Übersetzer von Crowes Buch, wies im Museum Judengasse darauf hin, daß Schindler nie zu einer bürgerlichen Existenz gefunden habe, und zwar schon vor dem Krieg nicht, als er mit seiner Guzzi Motorradrennen fuhr, später Autorennen, bis ihm das Geld ausging. Seine Abenteurernatur habe ihm während des Krieges geholfen, als die Verhältnisse Kopf standen und alles drunter und drüber ging. In der Aufbaugesellschaft von Adenauer-Deutschland seien seine unbürgerlichen Eigenschaften nicht mehr gefragt gewesen, Schindler habe die deutsche Gesellschaft nach dem Krieg schlicht nicht verstanden.

Hasardeur, Opportunist, Geschäftemacher - was ist von diesem Oskar Schindler zu halten? Crowes Urteil lautet: "Schindler war tief in seinem Herzen ein grundanständiger Mensch - trotz seiner Trunksucht und seiner Frauengeschichten. Ein Held war er auf jeden Fall. Denn wie heißt es im Talmud? ,Wer nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.'" Schindler hat viele Leben gerettet.

HANS RIEBSAMEN

David M. Crowe: "Oskar Schindler. Die Biographie". Eichborn Verlag, 34,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2006

Sensibel und unmoralisch
Die Geschichte des Juden-Retters Oskar Schindler
Dass er ein Trinker war, ein gewitzter Geschäftemacher, zeitweise ein Spion, ein galanter Gockel und ein Lebemann, der dauernd seine Frau betrog - ist das noch wichtig? Der Fabrikant Oskar Schindler hat fast 1100 Juden das Leben gerettet. Sein Einsatz war äußerst riskant, um ihn herum tobte die Mordmaschinerie der Nazis. Schindlers Menschlichkeit beeindruckt auch deshalb, weil er eben kein Heiliger war, kein lupenreiner Moralist oder politisch wacher Intellektueller. Er hatte „Fehler und Schwächen”, schreibt David Crowe, Historiker der Columbia Universität, in einer Biografie, die Schindlers Leben akribisch nachzeichnet und dabei die mitunter etwas freie Version von „Schindlers Liste” zurechtrückt, die Steven Spielberg in seinem Film erzählt.
Am Ende jedoch bleibt ein ähnliches Bild: Anfangs sah Crowe in Schindler einen „geldgierigen deutschen Glücksritter”, der sich nur bereichern wollte; der Historiker war „abgestoßen von Schindlers ständigen Affären und seiner Spionagetätigkeit für das NS-Deutschland”. Doch Schindler, der in Krakau eine Emailwaren-Fabrik eröffnete, wandelte sich. Je brutaler die Nazis wüteten, desto sensibler wurde er für das Leiden der Juden - „tief in seinem Herzen” sei er ein „grundanständiger Mensch” gewesen.
Detailverliebt wertet Crowe selbst unergiebige Quellen aus. So erfährt der Leser nicht nur, dass sich der junge Schindler für schnelle Motorräder begeisterte. Der Historiker liefert sogar den Streckenverlauf eines Rennens, das Schindler im Mai 1928 mit einer Moto Guzzi (250 ccm) bestritt. Crowe breitet Schindlers Ehekrisen ebenso aus wie dessen Arbeit als Agent der deutschen Abwehr in den dreißiger Jahren. Anders als viele Sudetendeutsche, die sich in den Dienst der Nazis stellten, soll Schindler nicht aus patriotischen, sondern aus finanziellen Motiven Spion geworden sein.
Die Kontakte, die Schindler zur Abwehr und Rüstungsinspektion aufbaute, halfen ihm später, seine Arbeiter zu versorgen und vor dem Tod zu bewahren. Der Geschäftsmann war 1943 sogar als Kurier für eine jüdische Untergrundorganisation unterwegs. Er versuchte, Nachrichten über die Judenvernichtung ins Ausland zu bringen: Aus dem Spion der Nazis war ein Agent des Widerstands geworden. Selbst seine Trinkfestigkeit hatte ihr Gutes: Mit Schnaps bestach Schindler SS-Aufseher; bei gemeinsamen Gelagen erwarb er auch das Vertrauen des monströsen Amon Göth. Als Kommandant herrschte Göth über das später in ein KZ umgewandelte Zwangsarbeitslager Krakau-Plaszow. Für Göth musste der Jude Itzhak Stern arbeiten (in Spielbergs Film von Ben Kingsley gespielt); in der Kinoversion diktiert ihm der Fabrikant die Namen der Juden, die Schindler für sein Werk in Brünnlitz anforderte, um sie zu retten - Schindlers Liste. Anschließend spielt Schindler mit Göth Karten um die Freiheit einer jungen Jüdin. Diese Filmszene ist indes „reine Fiktion”, schreibt Crowe. Kommandant Göth saß, als die Liste geschrieben wurde, längst im Gefängnis, weil die Nazis ihm Amtsanmaßung vorwarfen. Und Schindler habe die Namen keinesfalls alle persönlich kennen und diktieren können.
Mehrere Lagerinsassen haben die Liste getippt, Schindler hat sie nicht selbst diktiert, bestätigt Mietek Pemper. Der ehemalige Häftling ist einer der wichtigsten noch lebenden Zeugen. Im Lager musste der zweisprachig aufgewachsene Jude als Göths Schreiber fungieren; so war Pemper in engem Kontakt zu dem grausamen Kommandanten, aber auch zu Schindler. Um die Zahl der Charaktere zu reduzieren, ließ Spielberg Pemper in die Figur Sterns einfließen. Pempers nun veröffentlichte Erinnerungen zeugen vom großen und guten Einfluss, den Göths Stenograf auf das Schicksal der Häftlinge nahm.
Nüchtern und bescheiden erzählt Pemper die Geschichte des Lagers Plaszow. Schindlers Liste ging demnach ein anderes hochgefährliches Unternehmen voraus. Je mehr Verluste die Wehrmacht beklagte, desto weniger interessierten sich die Nazis für Lager, in denen keine kriegswichtigen Güter produziert wurden. Als Pemper die Gefahr erkannte, dass die Insassen von Plaszow liquidiert werden könnten, ließ er Produktionstabellen fingieren, die suggerierten, das Lager sei besonders kriegswichtig - ohne Pempers Liste hätte Schindler die Juden des Lagers Plaszow womöglich nicht mehr retten können. Der Überlebende erzählt dies aber nicht, um Schindlers Bedeutung zu schmälern. Die jüdischen Häftlinge konnten sich auf Schindler verlassen, schreibt Pemper. „Er ließ uns niemals im Stich.”
TANJEV SCHULTZ
DAVID M. CROWE: Oskar Schindler. Die Biographie. Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2005. 855 Seiten, 34,90 Euro.
MIETEK PEMPER: Der rettende Weg. Schindlers Liste - die wahre Geschichte. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005. 287 Seiten, 21 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Schindlers Liste habe es nicht gegeben! Für Rezensent Jan Süselbeck ist dies die Haupterkenntnis von Crowes Biografie. In einem einzigen Satz werde der Mythos zerstört. Weit weniger effizient seien dagegen Crowes Recherchen zum Leben Schindlers, da er sich aus Quellenmangel auf Thomas Keneallys Roman und Spielbergs Film beziehen musste, und dies auch im Vorwort einräume. Dies führt aus Sicht des Rezensenten zu einer viel zu umfangreich geratenen "Abgleichung zweifelhafter Quellen". Ein weiterer Kritikpunkt ist eine sehr distanzlose Perspektive auf Schindler, wenn der Autor ihn beispielsweise nur "Oskar" nenne. Den bekannten Sinneswandel vom Folterer und Nazi-Ideologen zum Judenretter könne Crowe allerdings differenzierter als bisher üblich darstellen, wobei im Vordergrund stehe, dass Schindler nach Stalingrad seine eigene Haut zu retten versucht habe. Die eigentlichen Stärken der Biografie lägen "paradoxerweise", so der Rezensent, in Crowes mehr erzählerischer Beschreibung des KZ Plaszow, aus dem Schindler die jüdischen Arbeiter bezog. Crowe liefere beispielsweise eine "beklemmenden Quellensammlung" zu den Taten des zweiten Protagonisten des Buches Amon Göth.

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