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Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Michael Zeller gebraucht, ehe er sich an diesen Stoff herantraute: den Selbstmord eines älteren Bruders zu erzählen. BRUDERTOD ist weit mehr als eine persönliche Bilanz geworden. Der Autor ist noch einmal hinabgestiegen in die fünfziger Jahre, hat die Orte der Kindheit aufgesucht, in Deutschland, in Polen, um nach Gründen dieser Tat zu suchen. Zeller hält sich dabei strikt an die Sichtweise eines Kindes und schafft es so, die einzelnen Stationen eines Scheiterns von innen auszuleuchten, bevor der Junge der Welt den Rücken kehrt, ohne ein Wort zu…mehr

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Produktbeschreibung
Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Michael Zeller gebraucht, ehe er sich an diesen Stoff herantraute: den Selbstmord eines älteren Bruders zu erzählen. BRUDERTOD ist weit mehr als eine persönliche Bilanz geworden. Der Autor ist noch einmal hinabgestiegen in die fünfziger Jahre, hat die Orte der Kindheit aufgesucht, in Deutschland, in Polen, um nach Gründen dieser Tat zu suchen. Zeller hält sich dabei strikt an die Sichtweise eines Kindes und schafft es so, die einzelnen Stationen eines Scheiterns von innen auszuleuchten, bevor der Junge der Welt den Rücken kehrt, ohne ein Wort zu hinterlassen. Gleichzeitig versteht es der erfahrene Erzähler, geschichtliche Ereignisse der Zeit in Deutschland lebendig werden zu lassen. Etwa wenn es um den Streit des Vaters mit seinem zeitweiligen Dienstherrn geht, Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister damals. Angesichts des brüderlichen Freitodes wird nichts geschont und nichts geschönt. Doch das unauflösbare Geheimnis dieser Tat bleibt in der
Erzählung immer gewahrt. Es hat den Autor sein Leben lang begleitet. Jetzt hat er ein Fenster geöffnet ins Freie. BRUDERTOD ist ein reifes Meisterstück des Erzählens. Jeder Selbstmord ist mir, soweit ich das behaupten darf, ein vertrautes Erleben. Brüderlich nah. Selbstmörder sind meine Brüder, alle. Etwas bricht dabei auf in mir und wirft mich auf das Modell für sämtliche Selbstmorde zurück, die Ur-Tat in der Küche des Bad Homburger Reihenhauses. Alle Gefühle von damals fallen über mich her, Jahrzehnte alt und im Alltag verstummt. Sind da und frisch wie gestern. Die Frage stellt sich wieder neu, auch wenn ich es weiß: Eine Antwort gibt es nie. Das hilft mir wenig. Im Gegenteil. Es zwingt mich nur, tiefer zu graben, wie im aktuellen Fall jetzt bei dem Bruder. Ab wann wußte er es? Und wie hielt er das durch?
Autorenporträt
MICHAEL ZELLER lebt als Freier Schriftsteller in Wuppertal. Aus meinen Provinzen, sein erster Gedichtband, erschien 1981 in Nürnberg. Zu den Hauptwerken von Zellers Schaffen zählen die Romane Follens Erbe, Der Wiedergänger, Café Europa, Die Reise nach Samosch, Falschspieler. Seine bisher letzte Auszeichnung war 2011 der Andreas Gryphius-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bewegend findet Andreas Platthaus Michael Zeller Spurensuche nach Gründen für den frühen Freitod des Bruders 1957. Wenn der Autor das Geschehen rekonstruiert und abtaucht in die Geschichte seiner Familie, in die Flucht und den Verlust des Vaters, entsteht für Platthaus zugleich ein Epochenbild. Dass der Band keinem Genre zuzuordnen ist, stört den Rezensenten nicht. Die besondere Beziehung des Autors zum Tod und seine lebenslange Beschäftigung mit dem Warum scheinen für Platthaus ein ganz eigenes Erkenntnispotenzial zu bergen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2014

Als mein Bruder starb
Michael Zellers bewegende Rekonstruktion eines Suizids

Michael Zeller ist Schriftsteller. Aber nur in Vertretung: "Ich schreibe für ihn. An seiner Stelle. Ich fülle das Loch, das er gerissen hat, für alle. Mehr schlecht als recht. Kein Zweifel für mich, dass er der eigentliche, der talentiertere Schreiber war." Er - damit ist Hellmut Zeller gemeint, der sich 1957 im Alter von siebzehn Jahren umgebracht hat. Michael Zeller war da erst zwölf, heute ist er siebzig. Und steht immer noch im Schatten dieses Ereignisses, das er damals so wenig verstand wie heute. Aus dem Bedürfnis, diesen Suizid doch noch zu begreifen, hat Michael Zeller ein schmales Buch geschrieben, das den eigenwilligen Titel "BruderTod" trägt.

Die Binnenmajuskel macht die Sache doppeldeutig: Der Tod des Bruders ist genauso im Titel enthalten wie die seitdem bestehende besondere Beziehung Michael Zellers zum Tod. Was so weit geht, dass er im späteren Leben immer wieder mit Menschen zusammengekommen ist, die auch den Freitod suchen werden. Das letzte Drittel von "BruderTod" zählt weitere Fälle aus dem engeren Bekanntenkreis auf; es ist, als müsste Zellers Initialerfahrung sich immer wiederholen. Doch naturgemäß sind die Suizide von Freunden in ihrer Erschütterung nicht vergleichbar mit dem eines Bruders.

So widmet sich denn auch der größte Teil dieses zwischen allen Genres stehenden Buches der Rekonstruktion des Geschehens vom 31. Januar 1957. Hellmut war der mittlere von drei Brüdern, deren Vater, letzter deutscher Regierungspräsident von Niederschlesien, seit dem Vormarsch der Roten Armee auf Breslau verschollen ist. Frau und Kinder waren zuvor nach Mainfranken geschickt worden, wo die Flüchtlinge bei der Familie des Vaters aber keine gute Aufnahme fanden. Das luxuriöse Leben als Angehörige eines nationalsozialistischen Günstlings in der Großstadt Breslau musste vertauscht werden gegen ein ärmliches Dasein als bestenfalls Geduldete in der Kleinstadt Miltenberg. Michael Zeller nahm als neugeborenes Kind Flucht und neuen Status nicht als solche wahr, aber sein damals fünfjähriger Bruder Hellmut hatte wohl lebhafte Erinnerungen an die sorglose Zeit in Breslau.

Und auch an den Vater, der im Selbstverständnis der Familie weiterhin als lebendig galt, obwohl ihn die Mutter im Jahr 1950 für tot erklären ließ, um die Versorgung ihrer Kinder sicherzustellen. Erst als 1955, nach der Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus Russland, jede Hoffnung aufs Überleben des Vaters beseitigt war, mussten sich seine Hinterbliebenen einer abermals neuen Situation stellen. Aus Miltenberg zog man ins hessische Bad Homburg, um eine feste Existenz abseits der väterlichen Verwandtschaft aufzubauen. Nur wenige Monate danach brachte sich Hellmut Zeller um, ohne eine Nachricht an Mutter oder Brüder zu hinterlassen.

"BruderTod" ist nicht nur eine Selbstbefragung. Es ist bemerkenswert gebaute Literatur, die im ständigen Rückgriff auf frühere Zeitebenen das Bild einer Epoche am Beispiel einer Familie zeichnet. In Zellers Romanen war Hellmut schon immer präsent, mindestens durch die Benennung jeweils einer Figur. Wenn es wirklich der Tod des Bruders war, der Michael Zeller zum Schreiben gebracht hat, dann ist das der einzige Trost, den dieses bewegende Buch bereithält.

ANDREAS PLATTHAUS

Michael Zeller: "BruderTod".

Ein Kinderleben. Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 2014. 142 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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