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In erweiterter und aktualisierter Neuauflage zum 90-jährigen Jubiläum des Weinhauses Huth
Am 2. Oktober 2002 feierte des einzige "alte" Gebäude am Potsdamer Platz, das Weinhaus Huth, sein neunzigjähriges Jubiläum. Anlass für Autor und Verlag, das 1999 in erster Auflage erschienene vielbeachtete Buch noch einmal zu überarbeiten und zu diesem Jubiläum in aktualisierter und erweiterter Form aufzulegen.
Im Jahr 1912 erbaut, hatte das Weinhaus Huth einen Balkonplatz in der Geschichte, erlebte die Kaiserzeit und den Ersten Weltkrieg, die 20er Jahre, Kriegs- und Nachkriegszeit, den Bau der
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Produktbeschreibung
In erweiterter und aktualisierter Neuauflage zum 90-jährigen Jubiläum des Weinhauses Huth

Am 2. Oktober 2002 feierte des einzige "alte" Gebäude am Potsdamer Platz, das Weinhaus Huth, sein neunzigjähriges Jubiläum. Anlass für Autor und Verlag, das 1999 in erster Auflage erschienene vielbeachtete Buch noch einmal zu überarbeiten und zu diesem Jubiläum in aktualisierter und erweiterter Form aufzulegen.

Im Jahr 1912 erbaut, hatte das Weinhaus Huth einen Balkonplatz in der Geschichte, erlebte die Kaiserzeit und den Ersten Weltkrieg, die 20er Jahre, Kriegs- und Nachkriegszeit, den Bau der Mauer und schließlich auch deren Fall. Inmitten der modernen Architektur des Potsdamer Platzes wirkt es wie ein liebenswert anachronistisches Menetekel der Vergangenheit.

Rezensionen:
- Der "Biographie" dieses Hauses hat ... Wolf Thieme ein kurzweiliges Buch gewidmet ... Er rollt ein Kapitel Stadtgeschichte aus der Sicht der Küchenjungen, Dienstmädchen und Kaltmamsells auf, die Glanz und Elend des Hauses Huth mit ihrer eigenen Elle messen.
FAZ
- Thieme findet den richtigen Ton und er hat ein Gespür für die leisen Töne.
Der Tagesspiegel
- Dieses Buch war überfällig.
Berliner Zeitung
Autorenporträt
Wolf Thieme, Jahrgang 1937, ist in Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt) geboren und in Berlin aufgewachsen. Er war Reporter beim STERN sowie Chefredakteur der Zeitschriften ". nach längeren Aufenthalten in Rom, München und Hamburg lebt er heute als freier Auto in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2000

Deutsche Katastrophe à la carte
Biograph einer Institution: Wolf Thieme über das Weinhaus Huth

Seit der Potsdamer Platz in neuem Glanz strahlt, befindet sich das Weinhaus Huth wieder dort, wo es stets gestanden hat: im Widerspruch zu seiner Nachbarschaft. Eingezwängt zwischen den Terrakotta-Festungen und Glas-Palästen, ist die Muschelkalk-Fassade mit ihrem charakteristischen Türmchen die letzte Erinnerung an ein Berlin, das einmal war. Zwei Kriege, Bomben und Feuersbrünste hat das Haus überstanden, dank einer fabelhaften und zur Bauzeit hochmodernen Stahlskelett-Bauweise. Direkt vor der Mauer ragte es jahrzehntelang wie ein wunder Zahn aus der klaffenden Westberliner Brache - festgemauert zwischen den Zeiten und den Systemen.

Dass dieses letzte Gebäude des alten Potsdamer Platzes auch sein erstes war, gehört zu den vielen ironischen Begleitumständen des Berliner Städtebaus. Der "Biographie" dieses Hauses hat nun der Berliner Journalist Wolf Thieme ein kurzweiliges Buch gewidmet, dem der Leser allerdings einen Gefallen erweist, wenn er das erste Kapitel über Kindheit und Recherche überschlägt.

Als Wilhelm Huth sich 1912 entschließt, für seinen Weinhandel ein neues Gebäude zu errichten, ist die ungeheure Bausumme von 1,5 Millionen Mark eine absehbare Fehlinvestition. Der Potsdamer Platz, wo sich eben noch die neureichen Bauern aus den Dörfern drängten, verliert an Attraktivität gegenüber dem Kurfürstendamm. Seine Sentimentalität bezahlt Huth mit ständigen Geldnöten - noch 1968 ist das Haus nicht schuldenfrei -, obwohl in den eichenholzgetäfelten Sälen die Minister und Geheimen Räte, die Abgeordneten und Charité-Professoren manchen Toast ausbringen.

"In Ägypten wird die Büste der Königin Nofretete gefunden und in die Reichshauptstadt gebracht. Ein Pfund Roggenbrot kostet 16 Pfennig. Im Reichstag ist der Bau von 41 Schlachtkreuzern beschlossen. Da hat der General von Tirpitz, Stammgast bei Huth, endlich was zu feiern." Auch im Huthschen Etablissement spürt man die historischen Erschütterungen - gerade hier. Im Restaurant, vulgo am Stammtisch, machen sich die Ängste, Hoffnungen und der Wahnwitz der Berliner Luft, schon damals.

Das unbestechliche Barometer für Wohl und Wehe der Stadt ist die Speisekarte. Im Ersten Weltkrieg darf man nur ein Fleischgericht pro Gast servieren. Im Zweiten schrumpft das einst hummer- und kaviargesättigte Angebot zusammen auf Eintopfsonntage, butterlose Tellergerichte, Dünnbier und ein markenfreies Stammgericht, das hart umkämpft ist. Fein abgeschmeckt nach der politischen Saison schickt Huth kalte Platten zur SS in die Prinz-Albrecht-Straße. Im Weinhaus Huth genießt man die deutsche Katastrophe à la carte.

Die französischen Weine, die geschätzt werden, obwohl man den "Franzmann" nicht liebt, könnte Huth an den "Führer" liefern, der auf seiner Kundenliste steht, aber sonst kommt kaum jemand in den Genuss, die Preise sind astronomisch, weil der Nachschub fehlt. Dass Huths Oberkellner ein gewisser Alois Hitler war, der den Aufstieg seines Bruders schon früh prophezeite, ist eine von vielen Trouvaillen, der Thieme freilich den Beigeschmack des Programmatischen nimmt: "Das Haus Huth ist deutschnational. Die Nazis sind den Huths zu ordinär." Die "Sozis" natürlich erst recht. Als Alois ein konkurrierendes Unternehmen am Wittenbergplatz eröffnet, ist Huths Welt längst untergegangen. Mit ihr war es schon seit 1918 vorbei.

Thieme etabliert nicht nur die Gastronomie als vernachlässigte Quelle der historischen Hilfswissenschaften. Er rollt ein Kapitel Stadtgeschichte aus der Sicht der Küchenjungen, Dienstmädchen und Kaltmamsells auf, die Glanz und Elend des Hauses Huth mit ihrer eigenen Elle maßen. Dass allein ihr Pragmatismus und Mut das Haus Huth noch einmal rettete, nachdem das Café Josty und der Pschorr-Bier-Palast Ruinen waren, daran lässt Thieme keinen Zweifel. Nach dem Krieg hält die Sektorengrenze die Gäste fern. Der Mauerbau macht das Geschäft zum "Niemand im Niemandsland", die Weinstube muss schließen.

Im Folgenden erliegt Thieme leider der Versuchung, die ereignislosen Jahre, als die neuen Mieter ihre einsame Adresse mal als Idylle, mal als Einöde empfinden, mit allerlei überflüssigem Chronisten-Wissen zu garnieren. Dass er aus Lothar de Maizière einen Ulrich macht, ärgert bei so viel Eitelkeit besonders. Erst als die Mauer fällt, als Bagger und Kräne anrücken, wird es ein letztes Mal spannend. Noch einmal lässt Thieme die ungenutzten Chancen zur Neubebauung des Potsdamer Platzes Revue passieren. Noch einmal reißen die Großkonzerne die Gestaltung des Stadtviertels an sich und drängen auch die Mieter des Weinhauses hinaus - durch Abfindungen oder Baulärm. Dann ist auch das Vergangenheit.

Für die neuen Nachbarn am Potsdamer Platz, die das Gedächtnis verloren zu haben scheinen, wirkt das Weinhaus heute wie ein Portal zu einer Zeitreise, steingewordene Lebenskunst an einem Ort, der vorgibt, sich aus dem Nichts geschaffen zu haben. Die außergewöhnliche Geschichte dieses Hauses, das erst in der Mitte, dann am Rand und nun wieder im Zentrum liegt, ohne sich einen Zentimeter bewegt zu haben, überlebt sogar die kleinen Schwächen des Buches.

SONJA ZEKRI

Wolf Thieme: "Das Weinhaus Huth am Potsdamer Platz". Die wechselvolle Geschichte einer Berliner Legende. Berlin Edition, Berlin 1999. 328 S., Abb., geb., 38,- DM.

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