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Familientyrann oder begnadeter Seelenarzt?
Selbstverliebter Egoist, Familientyrann, Frauenheld mit peinlichen Manieren und kindischen Ausbrüchen - an keiner Person in der Geschichte der modernen Seelenkunde scheiden sich die Geister wie an dem Schweizer C.G. Jung; keiner provozierte in gleichem Maße Hass und Bewunderung wie diese Ikone der Psychoanalyse.
»Ich bin, wie ich bin«, mit diesen Worten beschreibt Deirdre Bair das Selbstbild von C.G. Jung. Sie folgt den Lebensspuren jenes Mannes, der mitBegriffen wie »Anima« und »Animus«, »Archetypus«, »kollektives Unbewusstes« oder »Komplex«
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Produktbeschreibung
Familientyrann oder begnadeter Seelenarzt?

Selbstverliebter Egoist, Familientyrann, Frauenheld mit peinlichen Manieren und kindischen Ausbrüchen - an keiner Person in der Geschichte der modernen Seelenkunde scheiden sich die Geister wie an dem Schweizer C.G. Jung; keiner provozierte in gleichem Maße Hass und Bewunderung wie diese Ikone der Psychoanalyse.

»Ich bin, wie ich bin«, mit diesen Worten beschreibt Deirdre Bair das Selbstbild von C.G. Jung. Sie folgt den Lebensspuren jenes Mannes, der mitBegriffen wie »Anima« und »Animus«, »Archetypus«, »kollektives Unbewusstes« oder »Komplex« das heutige Bild von der menschlichen Seele geprägt hat. Deirdre Bair verbindet die faszinierende Entwicklung des Therapeuten und großen Gegenspielers von Freudmit seinem privaten Leben: seine angebliche Menage à trois mit Ehefrau Emma und der Geliebten Toni Wolff, die schwierige Beziehung zu seinen Kindern, sein gebrochenes Verhältnis zu gesellschaftlicher Konformität, seine ungebrochene Kindlichk
Autorenporträt
Die Amerikanerin Deirdre Bair hat mit ihren hochgelobten Biographien über Samuel Beckett und Simone de Beauvoir ihren souveränen Umgang mit komplexen Persönlichkeiten eindrücklich unter Beweis gestellt. An der Biographie über C.G. Jung recherchierte und arbeitete sie über sieben Jahre lang.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Der Schweizer der Archetypen
Er stritt sich mit Freud und vergaß über dem Sexuellen das Mystische nicht: Deirdre Bairs monumentale Biographie über den Psychoanalytiker C. G. Jung / Von Bettina Engels

Im Dezember 1916 rezensierte der Magier und Okkultist Aleister Crowley ein Buch C. G. Jungs für das Modemagazin "Vanity Fair". Nicht weniger als der populäre Ort der Veröffentlichung trug damals die schillernde Gestalt des Autors dazu bei, das bereits bestehende Interesse der Engländer an Jungs Ideen weiter zu vergrößern. Crowley, der sein geisteswissenschaftliches Studium am Trinity College in Cambridge nach der Entdeckung, selbst magische Kräfte zu besitzen, abgebrochen hatte, interpretierte die Psychologie des Unbewußten, wie sie Jung in "Wandlungen und Symbole der Libido" darstellt, als Triumph der Magie über die Wissenschaft. Daß Jung in dieser Schrift, die tatsächlich den Anfang vom Ende der Zusammenarbeit mit Sigmund Freud bedeutete, den Willen nicht mehr von der Sexualität abhängig macht, sondern ihn umgekehrt als "dynamischen Aspekt des Selbst" der Sexualität überordnet, bewertete der Engländer als Fortschritt für die Psychoanalyse. Die Wissenschaft, so Crowley, neige bei Jung aufs neue "ihre jungfräuliche Stirn voller Anmut vor ihrem alten Vater: der Magie".

Obwohl das Skandalöse des Aufsatzes heute generell nicht mehr mit magischen Praktiken in Verbindung gebracht wird, traf Crowleys Diagnose, Jung habe hier die Karten zwischen Sexualität, Wunsch und Willen neu gemischt und verteilt, durchaus ins Schwarze. Seine Libido-Schrift erschien ursprünglich als zweiteiliger Aufsatz in den ersten Heften des "Jahrbuchs für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen", als deren Redakteur Jung auf Freuds Wunsch hin fungierte. Gerade sechs Jahre war es her, daß der am renommierten Burghölzli-Hospital in Zürich angestellte Psychiater den Erfinder der Psychoanalyse in Wien kennengelernt und sich mit an die Spitze der psychoanalytischen Bewegung gesetzt hatte, und schon war der Bruch zwischen beiden nur noch eine Formsache. Offiziell vollzogen wurde er spätestens 1914, als C. G. Jung zunächst von seinem Amt als Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung zurücktrat und schließlich auch seine Mitgliedschaft in der Vereinigung aufgab.

Wie kurz die geistesgeschichtlich folgenreiche Zusammenarbeit zwischen dem Schweizer Psychiater und dem Wiener Nervenarzt letztlich dauerte, führt eine beeindruckende Jung-Biographie vor Augen. Das jüngste Werk der amerikanischen Wissenschaftsjournalistin Deirdre Bair, die schon für ihre Biographie des Dramatikers Samuel Beckett 1981 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde, rückt auf über eintausend Seiten manche Proportionen zurecht - zum Beispiel das Mißverständnis, C. G. Jung sei nur ein abtrünnig gewordener Schüler Freuds und die Analytische Psychologie, die er begründete, nur eine Spielart der Psychoanalyse. Doch gerade in ihrer Freud gegenüber kritischen, gelegentlich fast hämischen Darstellung läßt auch Bair keinen Zweifel daran aufkommen, welch einschneidendes Ereignis Freuds Psychoanalyse für Jungs Leben war.

Karl Gustav Jung wurde 1875 - übrigens im selben Jahr wie Aleister Crowley - als Sohn eines evangelisch-reformierten Landpfarrers auf der schweizerischen Seite des Bodensees geboren. Schon sein Großvater Carl Gustav, dessen Namensschreibweise C. G. Jung später übernahm, um stärker mit dem ruhmreichen Vorfahren assoziiert zu werden, widmete sich der Therapie mentaler Störungen. Der sowohl mit dem Naturforscher Alexander von Humboldt als auch mit dem Kotzebue-Attentäter Karl Ludwig Sand befreundete Arzt war Rektor der Basler Universität und Gründer der "Anstalt zur Hoffnung", eines Heims für geistig behinderte Kinder. Während Jung väterlicherseits an eine reformpsychiatrische Tradition anknüpfen konnte, beflügelte die mütterliche Verwandtschaft auf ganz andere Weise sein Interesse an der Psychologie. Die vielköpfige Familie seines Großvaters Samuel Preiswerk - der zugleich protestantischer Pastor und Professor für hebräische Sprache und Literatur war - hatte eine starke Neigung zum Okkulten: Halluzinatorische Erfahrungen, der Verkehr mit Geistern oder das unwillkürliche Sprechen in verschiedenen "Unterpersönlichkeiten" scheinen in seinem Haus an der Tagesordnung gewesen zu sein.

Eines der größten Verdienste von Bairs Biographie ist ihre facettenreiche Schilderung, wie Jung aus diesem verrückten Milieu heraus gewissermaßen von zwei Seiten auf die Schizophrenie gestoßen wurde - einerseits in Nachfolge seines berühmten Großvaters durch das Studium der Psychiatrie, andererseits durch die Atmosphäre des Übersinnlichen, in der sich das Familienleben mütterlicherseits vollzog. Zu einer ersten, auch nach außen hin sichtbaren Synthese führte Jungs doppelter Zugang zu den Phänomenen des Wahns, als die Zürcher Universität iom Jahr 1901 seine Dissertation "Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene" akzeptierte. (Fünf Jahre darauf folgte eine weitere Studie über die "Psychologie der Dementia praecox" oder Schizophrenie, die Jung in Fachkreisen viel Anerkennung brachte.) Das Material der ersten Fallstudie bildeten spiritistische Sitzungen im Haus einer Tante, an denen Jung bis zum Ende seines Medizinstudiums in Basel 1899 regelmäßig teilnahm. Daß seine Cousine Helly, die in diesen Séancen als "Medium" auftrat, angeblich in Jung verliebt war, spielte bei Jungs psychologischer Analyse ihrer Visionen und Persönlichkeitsspaltungen Bair zufolge keine Rolle.

Während Jungs Vorgesetzter am Burghölzli, Professor Eugen Bleuler, die Schizophrenie für unheilbar erklärte, suchte Jung nach neuen Möglichkeiten, sie psychotherapeutisch zu behandeln. Er tastete das vermeintlich "irre Geschwätz" der Anstaltsinsassen auf Anzeichen logischer Kohärenz ab, um einen Kontakt zu der in gewissem Maße "normalen" Person hinter der kranken herstellen zu können. Zu Jungs größter Verwunderung zeigte Freud, als er ihm im Herbst 1908 einen Besuch in Zürich abstattete, wenig Interesse für die psychotischen Patienten, mit denen Jung "Stunden und Tage verbrachte". Weil er hoffte, Freud die "schönen Wahnideen" seiner Lieblingspatientin Babette S. auf diese Weise doch noch näherzubringen, gab er ihm ein Buch zu lesen, das er selbst für seine Schizophrenie-Theorie herangezogen hatte: Daniel Paul Schrebers "Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken". Doch auch Freuds Reaktion auf dieses Buch enttäuschte Jung. Die "Psychoanalytischen Bemerkungen zu einem autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia", die Freud einige Jahre später zu Papier brachte, hielt er für einen "fürchterlichen" Irrtum. Schrebers Wahn auf eine verleugnete homosexuelle Bindung an den Vater zurückzuführen, hieß für Jung nichts anderes, als den "Geist der Schizophrenie" gründlich zu verkennen. "Er war", so bilanzierte Jung Anfang der fünfziger Jahre, "was Psychiatrie betraf, wirklich ein Laie."

So wie es Deirdre Bair schildert, muß Freud schon bei ihrem allerersten Treffen gewußt haben, daß Jung dem zentralen Dogma seiner Lehre von der sexuellen Verursachung psychischer Pathologien skeptisch gegenüberstand. Doch Freud war nicht nur persönlich fasziniert von dem temperamentvollen Schweizer, er hatte auch ein doppeltes strategisches Interesse daran, Jung als Vorkämpfer für die psychoanalytische Bewegung zu gewinnen: Einerseits bedeutete ihm die Anerkennung der etablierten Wissenschaft, die Jung als führender Arzt einer der angesehensten psychiatrischen Kliniken repräsentierte, nach langen Jahren der Isolation vom wissenschaftlichen Betrieb außerordentlich viel. Durch Jungs Einfluß hoffte er anfangs, auch Bleuler, der wiederholt Sympathie für die Freudschen Ideen bekundet hatte, ganz auf seine Seite zu ziehen. Vielleicht noch wichtiger als Jungs Ruf innerhalb der Schulmedizin aber war für Freud wohl dessen protestantischer Stammbaum ("ein Christ und Pastorensohn!"). Er beanspruchte für die Psychoanalyse universale Gültigkeit, und da die meisten seiner Anhänger wie er selbst Juden waren, machte er sich darüber Sorgen, daß sie zu einer "jüdisch nationalen Angelegenheit" verkommen könnte.

Auf die eine oder andere Weise stand neben der Sexualität auch die Religion, oder allgemeiner: das Spirituelle immer als potentieller Konfliktstoff zwischen Freud und Jung. Nach Jungs Ansicht hatte Freud das Sexuelle an die Stelle dessen gesetzt, was er selbst "das Mystische" nannte. Während der Atheist Freud die monotheistischen Weltreligionen nicht weniger für eine neurotische Projektion hielt als die Parapsychologie, an der Jung so gelegen war, wollte dieser gerade umgekehrt religiöse Symbole zur Erklärung individueller Psychopathologien heranziehen: "Der Schlüssel zur Dekodierung der Bedingungen für Neurosen und Psychosen", glaubte Jung, sei "durch das Studium der Kulturgeschichte und die Erforschung der verschiedenen Mythologien zu finden." Aus ihnen destillierte er die berühmten "Archetypen", eine Reihe universeller "Urbilder", durch die das Unbewußte des einzelnen mit dem "kollektiven Unbewußten" der gesamten Menschheit in Verbindung stehe. Seiner Theorie der Individuation (oder Selbstverwirklichung, wie man heute sagen würde) zufolge, die Jung erst in den zwanziger Jahren vollständig formulierte, ist die Integration dieses archaischen Erbes eine Bedingung für psychische Gesundheit und Reife.

In einem viel konkreteren Sinn aber scheidet eine Frage mit religiösem Hintergrund in der bis heute erbittert geführten Freud-oder-Jung-Debatte die Geister, nämlich die nach Jungs möglichem Antisemitismus. Was sich letztlich zu einem Skandal auswuchs, der Jungs Ruf eigentlich ruinierte - der in die Vereinigten Staaten emigrierte Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Ludwig Marcuse schrieb nach dem Krieg, Jung habe 1913 Freud verraten und 1933 versucht, die Psychoanalyse zu zerschlagen - begann, als Freud und Jung die Fundamente ihrer Freundschaft legten, mit einem Geplänkel: "Sie sind doch nicht etwa Antisemit?" fragte Freud 1907, weil ihm Jung während seines ersten Aufenthaltes in Wien bekannte, sich "fremd inmitten dieser jüdischen intellektuellen Gesellschaft" zu fühlen. Freud selber kokettierte, so Bairs Darstellung dieser Männerfreundschaft, Jung gegenüber immer wieder mit abfälligen Bemerkungen über "diese verfluchten Juden": Die fast ausnahmslos jüdischen Mitglieder der "Mittwochsgesellschaft", jener Keimzelle der Psychoanalytischen Vereinigung, würden nur "von ihrem gemeinsamen Haß zusammengehalten".

Bei aller Sympathie, fast väterlichen Liebe für den knapp zwanzig Jahre jüngeren Schweizer, berichtet Bair, habe sich Freud in privaten Gesprächen (mit anderen) immer wieder über dessen "antisemitische Herablassung" beklagt. In bezug auf Freud scheint Bair einer psychoanalytischen Deutung zuzuneigen, die den Vorwurf des Antisemitismus postwendend an den Absender zurückschickt: "In gewissem Sinn mußten Freud und seine Anhänger Jung als Antisemiten darstellen, da Freuds ursprüngliche Begeisterung für Jung von ihrem Charakter her im wesentlichen antisemitisch gewesen war." Doch spätestens Hitlers Machtergreifung treibt die Frage nach Jungs Gesinnung aus dem Bereich rein psychologischer Spekulationen hinaus. Für Jungs Entscheidung, erst 1940 als Präsident einer letztlich gleichgeschalteten psychotherapeutischen Vereinigung zurückzutreten, scheint es viele Erklärungen, aber keine wirklich zufriedenstellende Entschuldigung zu geben. Das gleiche gilt für Bemerkungen über psychologische Unterschiede zwischen Deutschen und Juden, die Jung 1933 in einer nazifizierten Zeitschrift äußerte. Obwohl seine Biographin ein sehr differenziertes und sicherlich wohlwollendes Bild von Jungs Verstrickung mit dem Nationalsozialismus zeichnet, spricht sie ihn nicht mit aller Entschiedenheit vom Vorwurf des Antisemitismus frei.

Deirdre Bair: "C. G. Jung". Eine Biographie. Aus dem Englischen von Michael Müller. Albrecht Knaus Verlag, München 2005. 1168 S., 32 S. Bildteil, geb., 49,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Diese gewiss umfassende Biografie des Psychoanalytikers C.G. Jung ist, wie die Rezensentin Bettina Engels hervorhebt, auch eine Verteidigung Jungs gegen das Vorurteil, das ihn immerzu mit Sigmund Freud in Verbindung bringt, und zwar als dessen Schüler. Das nämlich war er nur kurze Zeit, und zugrunde lag der Annäherung eine Werbung Freuds, der von Anfang an zu übersehen geneigt war, dass Jung die Zentralstellung der Sexualität für die psychische Entwicklung nie mitmachen wollte. Darüber hinaus erlebte der Psychiater Jung den Psychoanalytiker Freud als an der Psychiatrie selbst, aber auch an allen ihm so wichtigen spirituellen Fragen reichlich desinteressiert. Der Bruch war nur die logische Konsequenz - und die theoretische Eigenständigkeit Jungs trete dann erst recht zu Tage. Deirdre Bair macht um C. G. Jungs Antisemitismus keinen Bogen, so Engels, tendiert allerdings dazu, schon Freuds Begeisterung für den "Christen und Pastorensohn" als verschobenen Antisemitismus zu betrachten. Manche Unappetitlichkeit der 30er Jahr leugne Bair dagegen nicht. Neben dem jedenfalls in der Rezension zentralen Punkt von Jungs Verhältnis zu Freud stellt die Biografin aber auch die anregende Herkunft des Psychoanalytikers dar, der vom Vater mit der Reformpsychiatrie, von großväterlicher Seite aber mit allerhand Okkultem in Kontakt gebracht wurde. Insgesamt verleiht Engels dem Buch das Prädikat "beeindruckend".

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Deirdre Bairs Buch zeichnet sich durch gründliche Recherche, Genauigkeit und Faktenreichtum aus - kaum vorstellbar, dass jemals eine andere Jung-Biographie an dieses Werk heranreichen wird." New York Times