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Texte und Dokumente zur politischen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Lage in der DDR vor allem während der 80er Jahre. Das Buch gibt einen Überblich über die Mittel und Methoden politischer Verfolgung während der Amtszeit Honeckers. Dabei zeichnet die Studie einerseits ein plastisches Bild politischer Verfolgung aus der Sicher der Opfer, andererseits aber wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um vereinzelte oder gar zufällig angewandte Repressionsstrategien handelt. Die Untersuchung basiert auf der Auswertung von Fragebögen und Interviews sowie der Stasi-Akten Betroffener. …mehr

Produktbeschreibung
Texte und Dokumente zur politischen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Lage in der DDR vor allem während der 80er Jahre.
Das Buch gibt einen Überblich über die Mittel und Methoden politischer Verfolgung während der Amtszeit Honeckers. Dabei zeichnet die Studie einerseits ein plastisches Bild politischer Verfolgung aus der Sicher der Opfer, andererseits aber wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um vereinzelte oder gar zufällig angewandte Repressionsstrategien handelt. Die Untersuchung basiert auf der Auswertung von Fragebögen und Interviews sowie der Stasi-Akten Betroffener.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.04.2002

Vorfreude auf die Stasi
Wie die Staatssicherheit der DDR den Widerstand auch ihrer härtesten Kritiker brach
JOHANNES RASCHKA: Zwischen Überwachung und Repression – Politische Verfolgung in der DDR 1971 bis 1989, Leske+Budrich, Opladen 2001, 387 Seiten, 24,90 Euro.
Die Staatssicherheit war sich der Perversität ihrer Methoden durchaus bewusst: „Wir werden Sie so weit bringen, dass Sie sich freuen, mit mir ein Gespräch zu haben”, wurde Gunhild Gerth von ihrem Vernehmer angekündigt. Nach zehn Wochen Einzelhaft war diese Vorstellung nicht mehr abwegig. Trotzdem ließ sich Gunhild Gerth nicht brechen. „Wenn er mich anschrie, schrie ich zurück: ‚Schreien Sie ruhig weiter! Ist ja hochinteressant!’ Ich benahm mich anders als ein normaler DDR-Bürger, das weiß ich hundertprozentig”, berichtet sie. Immer wieder habe es aber auch Momente gegeben, in denen die Vernehmer menschlich erschienen seien und man sich stereotyp ins Gedächtnis rufen musste: „Das ist mein Feind, das ist mein Feind. ”
Wie Gunhild Gerth ging es vielen DDR-Bürgern, die anders dachten, als von oben vorgegeben, oder das Land verlassen wollten. Johannes Raschka, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Lehrbeauftragter an der TU Dresden, hat sich der DDR der siebziger und achtziger Jahre gewidmet und betrachtet damit eine Periode des real existierenden Sozialismus, die oft als harmloser und liberaler als die Zeit unter Regierungschef Ulbricht wahrgenommen wird.
Und wirklich – der Abschluss des innerdeutschen Grundlagenvertrages im Jahr 1972, die Uno-Mitgliedschaft der DDR ab 1973 und die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki halfen der DDR, internationale Anerkennung zu erreichen und den Eindruck politischer Lockerungen zu erwecken. Doch von kaum etwas war die DDR unter der Regierung Honeckers weiter entfernt als davon, ein „sozialistischer Rechtsstaat” zu sein. Das hatte ihr 1988 Chefideologe Kurt Hager attestiert, ignorierend, dass gerade in den Achtzigerjahren der Überwachungsapparat des Ministeriums für Staatssicherheit zu einem monströsen Moloch gewachsen war.
Raschka ist es auf beeindruckende Weise gelungen, das System der politischen Verfolgung und Repression in der DDR bloßzulegen. Für seinen Band hat er 576 Fragebögen ausgewertet, die an Opfer politischer Verfolgung versandt wurden, und mit 24 Personen ausführliche Gespräche geführt. Zusätzlich wurden in die Untersuchung etwa 100 personenbezogene MfS-Akten und Sachakten der Staatssicherheit einbezogen. Daraus ergibt sich der enorme Materialreichtum, der die Studie auszeichnet. Die Fülle von Details zeichnet ein exaktes Stufenmodell, innerhalb dessen die Staatssicherheit bei der Verfolgung Andersdenkender agierte. Wer einmal in die Hände der Stasi geraten war, dem drohten im schlimmsten Fall sechs Phasen politischer Verfolgung: Repressionen im Vorfeld von Verhaftungen; Ermittlung und Verhaftung; Verhör und Untersuchungshaft; politische Strafprozesse; Strafvollzug und schließlich Repressionen nach der Haftentlassung.
Für die Betroffenen besonders belastend waren bereits die Maßnahmen zur Zersetzung im Vorfeld von Verhaftungen, die das Ziel hatten, die als „feindlich-negative Kräfte” eingestuften Bürger zu isolieren und zu verunsichern. Dazu zählten die „Diskreditierung des öffentliches Rufes” ebenso wie die „systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens” und das „Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen”.
Hatten diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg, sah das Stasi- Protokoll die Verhaftung vor. Dazu erschienen meist vier MfS-Beamte und nahmen ihre Opfer „zur Klärung eines Sachverhalts” mit. Dem ging voraus, was die Stasi „Schaffung strafprozessual verwertbarer Beweise” nannte: Kontrollen der Post, Wohnungsdurchsuchungen oder „akustische Überwachungen”. So wenig sich das MfS um die Rechtmäßigkeit seiner Informationsgewinnung scherte, so sehr legte es Wert darauf, im Prozess formal legal zu operieren.
Erlogene Beweise
Höchste Priorität hatte es, inoffiziell beschaffte Beweismittel „offiziell verwendbar zu machen”, da die Verwendung inoffizieller Beweismittel im Strafverfahren „die Dekonspiration der eingesetzten Kräfte und der spezifischen Mittel und Arbeitsmethoden des MfS zur Folge” gehabt hätte. Die anschließenden Strafverfahren gerieten zu Routineübungen, bei denen es gar nicht nötig war, dass Parteiführung oder Geheimpolizei eingriffen: „Das Gerichtswesen, insbesondere die politische Strafjustiz war so organisiert, dass direkte Interventionen in laufende Verfahren kaum notwendig erschienen.” Wer verurteilt wurde, ging harten Zeiten entgegen. Jeder Vierte der befragten ehemaligen politischen Häftlinge gab an, psychisch und physisch misshandelt worden zu sein.
Auch nach der Haft endeten die Repressionen nicht. Wer nicht für den Pauschalpreis von rund 96000 DM, auf den sich die beiden deutschen Staaten 1977 geeinigt hatten, freigekauft werden konnte, wurde erneut observiert oder zu Aussprachen geladen. Viele der Haftentlassenen erhielten statt ihres normalen Ausweises den so genannten PM 12, ein Ersatzdokument, das die Betroffenen bei jeder Ausweiskontrolle stigmatisierte. Es war nahezu unmöglich, einen anderen als den zugewiesenen Arbeitsplatz zu bekommen – für viele Akademiker bedeutete dies einen erheblichen Abstieg. Wer damit nicht einverstanden war, dem drohte die erneute Verhaftung wegen „Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten” – ein unendlicher Kreislauf.
SUSANNEKATZORKE
Die Rezensentin studiert Politische Wissenschaften in Chemnitz
Und noch ein Meisterquäler: Stasi-Chef Erich Mielke. Foto: dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2001

Viel Feind', keine Ehr'
Kaum wahrgenommen: Verhör- und Verfolgungsmethoden des MfS

Johannes Raschka: Zwischen Überwachung und Repression - Politische Verfolgung in der DDR 1971 bis 1989. Verlag Leske + Budrich, Opladen 2001. 387 Seiten, 24,54 Euro.

Parallel zur weltpolitischen Entspannungspolitik zwischen Ost und West gab es in der DDR zwischen 1969 und 1982 eine außerordentliche Ausweitung des Personals des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Jährlich wuchs die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter um drei- bis viertausend, wurden verstärkt Inoffizielle Mitarbeiter (IM) angeworben. Als innenpolitische Konsequenz der von der Regierung Brandt/Scheel begonnenen Deutschlandpolitik änderten sich seit 1971 - mit der Wahl des bisherigen Sicherheitssekretärs Honecker zum SED-Chef - Mittel und Methoden des Staatssicherheitsdienstes.

Das MfS legte ein dichtes Netz der Überwachung und Kontrolle über die gesamte Bevölkerung und verfeinerte seinen Repressionsmechanismus. Nicht mehr Verhaftung, Geständniserzwingung mittels physischer Gewalt und Verurteilung zu drakonischen Strafen standen jetzt im Vordergrund, sondern menschenverachtender Terror im Vorfeld von Verhaftungen politisch Andersdenkender. Aus außenpolitischen Rücksichten erschienen Prozesse und Verurteilungen zu drastischen Strafen oft nicht opportun. Der Kampf des Staatssicherheitsdienstes richtete sich gegen neue "Feinde": Bürger, die unter Berufung auf Verpflichtungen der zum anerkannten Völkerrechtssubjekt gewordenen DDR Menschen- und Bürgerrechte einforderten. Fluchtverhinderung, Zurückdrängen von Ausreiseanträgen und Unschädlichmachung regimekritischer Gruppen standen im Vordergrund.

Das vorliegende Buch bietet Analyse und Dokumentation der politischen Verfolgung in der Amtszeit Honeckers. Darin liegt sein besonderer Wert: Es läßt die Dokumente, vor allem in der Form von personengebundenen Stasi-Akten, selber sprechen. So ist Raschkas Arbeit ein gutes Beispiel dafür, wie politische und historische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes erfolgen muß, wenn sie nachhaltig zur politischen Bildung beitragen soll. Raschkas Untersuchung basiert auf der Auswertung von 576 Fragebögen von Opfern politischer Verfolgung in der DDR zwischen 1971 und 1989, 24 Gesprächen mit Betroffenen aus dem Teilnehmerkreis und der Einsicht in einhundert Opfer-Akten, von denen ein Teil ausführlich publiziert wird. Entstanden ist ein plastisches Bild, das deutlich macht, wie Bespitzelung, Zersetzung, Zuführung, Festnahme, Verhör sowie Verurteilung und Strafhaft nicht nur vereinzelt oder zufällig angewandte Instrumente sind, sondern einen zusammenhängenden Mechanismus der Repression darstellen.

Es ist das Verdienst dieser Arbeit, anschaulich gemacht zu haben, was es für einen DDR-Bewohner und seine Familie, für seine Freunde und in seinem Betrieb bedeutete, wenn er in das Fadenkreuz der Stasi geraten war, über ihn eine "Operative Personenkontrolle" oder ein "Operativer Vorgang" verfügt, Maßnahmenpläne aufgestellt, Maßnahmen der "Zersetzung" eingeleitet und "Zuführungen", Aufenthaltsbeschränkungen oder Observierungen vorgenommen wurden, was meistens mit Postkontrolle, Telefonabhören, akustischer Überwachung und "konspirativen" Wohnungsdurchsuchungen einherging. Opfer solcher Maßnahmen, die darauf gerichtet waren, "vorbeugend ein Wirksamwerden feindlich-negativer Kräfte zu unterbinden", waren neben Andersdenkenden, die sich in den siebziger und achtziger Jahren zumeist unter dem Dach vor allem der evangelischen Kirche zusammenfanden, Ausreisewillige, die sich durch eine Ablehnung ihres Antrags und materielle Vergünstigungen nicht von ihrem Begehren abhalten ließen. Sie wurden von der Stasi als "hartnäckige Ersucher auf Übersiedlung" eingestuft, von denen "demonstrativ-provokatorische Handlungen" befürchtet wurden.

Der Autor verweist darauf, daß die vom MfS mit geheimdienstlichen Methoden gesammelten Beweismittel "offiziell verwendbar" gemacht werden mußten, wenn an eine strafrechtliche Verfolgung gedacht war - schließlich sollte die DDR ein "sozialistischer Rechtsstaat" sein. Bei den Verhören durch die Untersuchungsführer des MfS, das ja nach der Strafprozeßordnung der DDR ein offizielles Untersuchungsorgan war, kam es darauf an, die fehlenden offiziellen Beweise durch Geständnisse zu erbringen. Bei den Verhören zur Geständniserzwingung spielte unter weitgehendem Verzicht auf physische Gewalt psychischer Druck eine große Rolle - er reichte von Isolation, Verunsicherung, systematischer Desinformation über die Festnahme von Familienangehörigen als Druckmittel bis zu Zermürbungstechniken und psychischen Mißhandlungen. Zu Recht beklagt der Autor, daß diese Verhörmethoden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Hinzuzufügen ist, daß die Untersuchungsführer und Vernehmer des MfS strafrechtlich nicht belangt werden konnten, ja einzelne heute als Rechtsanwälte praktizieren.

PETER JOCHEN WINTERS

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Alexander Gallus fasst die Absicht des Autors wie folgt zusammen: Johannes Raschka wolle mit diesem Buch die SED-Herrschaft anklagen. Wie ein Kriminalbeamter habe er "akribisch Beweismaterial" gesammelt, Stasi-Akten studiert, intensive Gespräche geführt und sogar über 1000 Fragebögen an Opfer politischer Verfolgung gesandt, beschreibt der Rezensent die Vorgehensweise des Autors. Herausgekommen sei eine Schilderung der unterschiedlichen Repressionsmaßnahmen der Stasi, eine "detaillierte Bestandsaufnahme". Doch der Rezensent vermisst "allgemeinere Thesen" über die DDR. War sie nun autoritär oder totalitär? Stattdessen ergehe sich der Autor in der "dramatischen Darstellung" von Einzelschicksalen, die dem Lesefluss schadeten. Trotz klarer Gliederung und "reichhaltiger" Quellen, die den Rezensenten durchaus interessiert haben, ist er nur mäßig zufrieden mit diesem Buch: Vor allem rügt er, dass die verschickten Fragebögen nicht repräsentativ seien.

© Perlentaucher Medien GmbH