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Zu Fragen nach Herkunft und der Bedeutung der Ästhetik werden hier Antworten aus dem Bereich der Biologie vorgelegt und zu philosophischen Positionen in Beziehung gebracht. Die Basis unserer ästhetischen Wahrnehmung ist aus evolutionären Wurzeln zu verstehen. Diese legen denn auch den biologischen Sinn unserer Auffassungen von Schönheit offen. Gleichzeitig ist das Schönheitsempfinden von den sinnes- und neurophysiologischen Möglichkeiten abhängig, die gleichfalls ein Resultat stammesgeschichtlicher Anpassung sind. Aus der evolutionären Verwurzelung und der biologischen Relevanz der Ästhetik…mehr

Produktbeschreibung
Zu Fragen nach Herkunft und der Bedeutung der Ästhetik werden hier Antworten aus dem Bereich der Biologie vorgelegt und zu philosophischen Positionen in Beziehung gebracht. Die Basis unserer ästhetischen Wahrnehmung ist aus evolutionären Wurzeln zu verstehen. Diese legen denn auch den biologischen Sinn unserer Auffassungen von Schönheit offen. Gleichzeitig ist das Schönheitsempfinden von den sinnes- und neurophysiologischen Möglichkeiten abhängig, die gleichfalls ein Resultat stammesgeschichtlicher Anpassung sind. Aus der evolutionären Verwurzelung und der biologischen Relevanz der Ästhetik für menschliche Befindlichkeit resultiert ein ethischer Imperativ. Dieser bezieht sich auf das Verhältnis des Menschen zu seiner eigenen biologischen Natur wie zur Natur schlechthin, aus der er hervorgegangen ist, von der er existentiell abhängt und für deren Bewahrung er bereits aus Gründen der Selbsterhaltung Verwantwortung trägt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.1999

Saatkartoffeln haben Augen, sind wie deine anzuschaugen
Klaus Richter macht sich einen konservativen Reim auf die Biologie des Schönen

Der Zauberspiegel im Märchen wußte es genau, daß Schneewittchen tausendmal schöner als ihre Stiefmutter war. Wir gewöhnlichen Sterblichen tun uns schwerer damit, die Schönheit zu quantifizieren. Schönes definiert sich immer über seine Beobachter. Monika liebt die Toskana, Gangolf steht auf dralle Hinterteile und für Josef ist der Gipfel der Liebeslust das gemeinsame Gebet. Die Schönheit der Malerinnen ist nicht die der Landärzte und nicht die der Kardinäle. Und wenn man den Begriff schon nicht genau definieren kann, ohne auf die Sprache der Statistik zurückzugreifen, dann kann es natürlich nicht leicht sein, etwas Schlüssiges darüber zu schreiben, warum es diese Denkkategorie bei uns Menschen gibt und wie sie bei der Entstehung unserer Art durch natürliche Auslese ins Spiel gekommen ist.

Das vorliegende Buch "Die Herkunft des Schönen" von Klaus Richter trägt den Untertitel "Grundzüge der evolutionären Ästhetik". Richter ist Biologe an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er will "philosophische und biologische Erkenntnis zur Ästhetik vereinigen und damit einen weiteren Brückenschlag zwischen den zwei Welten vermitteln". Gleich am Anfang wird man aber mißtrauisch, wenn man die Art seines Schönheitsbegriffs erkennt. Um es kurz und ungerecht zu sagen: Richters Ästhetik ist die Ästhetik des Gymnasiums der fünfziger Jahre: Johann Wolfgang von Goethe, Paul Klee und klassische Musik, allenfalls noch Brecht und Dalí. Nahezu alle seine Beispiele für das, was heutzutage angeblich für schön gehalten wird, entstammen der älteren, westlichen, speziell deutschen Hochkultur.

Was nicht ins Schema paßt, wird abqualifiziert: "Im modernen Kunstbetrieb wird von elitär-intellektuellen Minderheiten suggeriert, daß Geschmack und Bedarf aller Kunstkonsumenten auf abstrakte gegenstandslose Inhalte und Darstellungen gerichtet sei." "Bei Künstlern wie Hieronymus Bosch, William Hogarth, Honoré Daumier und in der Neuzeit bei Josef Beuys und der Fluxus-Bewegung, wie auch derzeit in den Medien Film und Fernsehen und in der Literatur, den bildenden Künsten und der Musik ist das Häßliche ritualisiert und zum tragenden Element geworden." "Rotlicht wird gewöhnlich mit einem bestimmten, nicht seriösen Milieu in Verbindung gebracht."

Natürlich bleibt es dem Autor unbenommen, welche Gemälde er sich privat in das Wohnzimmer hängt, aber als Wissenschaftler sollte er versuchen, sine ira et studio die Welt so darzustellen, wie sie ist. Es gibt keine Super-Ästhetik mit einer nach oben offenen Richter-Skala, es gibt nur gruppenspezifische Ästhetiken. Es gibt eine Ästhetik der Voodoo-Priester, eine der Navajos und eine der Fußballfans. Interessant wäre in unserem Zusammenhang, was alle gemeinsam haben.

Auch die folgende Behauptung dünkt uns eher seltsam: "Beim Menschen spielen, anders als beispielswiese noch bei den meisten Affenarten, die dort als sekundäre Geschlechtsmerkmale auftretenden farbigen Körperpartien keine Rolle mehr. Wären sie nicht im Prozeß der Evolution des aufrechten Gangs eliminiert worden, hätte die Kleidung diese Merkmale überflüssig gemacht." Bittschön, nicht jeder Mensch ist so zugeknöpft wie ein deutscher Professor. Schließlich ist beispielsweise ein großer Teil der Vorfahren der heutigen Amerikaner noch vor kurzer Zeit (gemessen mit der Elle der Evolution) pudelnackt herumgelaufen, und jeder Saunabesucher weiß, daß Tätowierungen weit verbreitet und sehr wohl geschlechtsspezifisch sind.

Wenn man von diesem ideologisch eingeschränkten Blickwinkel absieht, ist das Buch aber recht interessant zu lesen. Es beginnt mit einer ausführlichen Bestandsaufnahme dessen, was wir Menschen für schön halten und was nicht. Und wenn die Theorie von der Evolution etwas taugt, sollte sie in der Lage sein, unsere Vorlieben zu erklären. Vieles folgt aus einfachen Prinzipien. Der obenerwähnte Gangolf zum Beispiel schätzt die Frauen mit einem hohen Östrogenspiegel, die ihm vermutlich viele gesunde Nachkommen gebären können. Schließlich ist jeder einzelne von seinen Vorfahren erwachsen geworden und hat wenigstens ein Kind bekommen. Die Präferenzen bei der Partnerwahl, die in seinen Genen verankert sind, haben sich also bewährt. Natürlich gibt es auch Männer, die einen anderen Geschmack haben. Aber wie wir alle wissen, sind sie in der Minderzahl und widerlegen deshalb nicht unsere Argumentation.

Ein anderes Beispiel ist unsere Vorliebe für bestimmte Landschaften. Die Menschheit ist vor vier bis fünf Millionen Jahren im östlichen Zentralafrika entstanden. Man kann vermuten, daß das der Grund dafür ist, daß sich die meisten von uns in vergleichbaren parkähnlichen Gebieten am wohlsten fühlen. Soviel zu Monikas Toskanafahrten. Zur Evolution gehört aber natürlich nicht nur, daß möglichst viele Eigenschaften eines Lebewesens im Überlebenskampf nützlich sind. Es muß auch möglich sein, jede Art durch eine Kette von Mutationen aus einer anderen abzuleiten. Und das heißt eben auch, daß unser ästhetisches Empfinden schrittweise aus dem von unseren tierischen Vorfahren entstanden ist. Richter zeigt uns mit Beispielen, daß auch im Tierreich die Ästhetik eine wichtige Rolle spielt. Wenn man zum Beispiel einem Männchen der Vogelart Langschwanzwitwe die Schwanzfedern künstlich verlängert, indem man ihm mit Superkleber die Federn eines Artgenossen anklebt, ziehen anschließend mehr Weibchen in sein Revier.

Was man sich von einem Buch über "evolutionäre" Ästhetik gewünscht hätte, wäre eine tiefergehende Analyse der biologischen Mechanismen. Es reicht nicht, viele Einzelheiten vorzuführen, man muß sie auch systematisch interpretieren. Wenn man in Steven Pinkers monumentalem "How The Mind Works" unter "beauty" nachschaut, findet man mehr Informationsdichte und Weltoffenheit. Dafür hat Richter die schöneren Bilder.

Donald Duck sagte einmal: "Eigentlich bin ich gar nicht hübsch. Ich seh' nur so aus." Besser kann man das unserem Schönheitssinn zugrundeliegende Prinzip nicht zusammenfassen.

ERNST HORST

Klaus Richter: "Die Herkunft des Schönen". Grundzüge einer evolutionären Ästhetik. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999. 352 S., geb., 85 Abbildungen und 16 Farbtafeln, 78,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dem Anliegen Richters, auf biologischer Grundlage einer "universellen Grammatik der Ästhetik" auf die Spur zu kommen, bringt Martin Seel zwar Respekt entgegen, dennoch hält er Richters Herangehensweise für fragwürdig. Seel will gar nicht ausschließen, dass es biologische Dispositionen für ästhetisches Empfinden gibt. Jedoch hält er es für falsch, dies mit "verbindlichen ästhetische Orientierungen" gleich zu setzen. Vielmehr glaubt Seel, dass auch in der Überschreitung einer möglicherweise biologisch begründbaren Ästhetik ein Reiz liegen kann. Dies wird seiner Meinung nach aber vom Autor nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem merkt Seel an, dass in der philosophischen Ästhetik die Frage "Was ist schön" bzw. "Was empfinden Menschen als schön" nur eine untergeordnete Rolle spielt. Für die eigentliche Frage philosophischer Ästhetik, in der es darum geht, welchen Nutzen die Menschen für sich aus der biologischen Disposition in ästhetischer Hinsicht ziehen, biete dieses Buch kaum neue Erkenntnisse.

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