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Über Jahre hat sich die Autorin mit den Mechanismen des Anlegermarkts, der Psyche des Börsenzockers und den tagtäglich und allabendlich gesendeten Begleitprogrammen beschäftigt. In ihrem Buch präsentiert sie Fallgeschichten: Menschen, die versuchen, dieser Droge Herr zu werden, die ihr zum Opfer gefallen sind oder die meinen, sie zu beherrschen. Und sie analysiert Methoden und Wirkungen ausgesuchter Börsensendungen im Fernsehen. So bizarr und komisch sie bei oberflächlicher Betrachtung wirken mögen, der analytische Blick enthüllt ein beunruhigend infantiles und zerstörerisches Potential. Die…mehr

Produktbeschreibung
Über Jahre hat sich die Autorin mit den Mechanismen des Anlegermarkts, der Psyche des Börsenzockers und den tagtäglich und allabendlich gesendeten Begleitprogrammen beschäftigt. In ihrem Buch präsentiert sie Fallgeschichten: Menschen, die versuchen, dieser Droge Herr zu werden, die ihr zum Opfer gefallen sind oder die meinen, sie zu beherrschen. Und sie analysiert Methoden und Wirkungen ausgesuchter Börsensendungen im Fernsehen. So bizarr und komisch sie bei oberflächlicher Betrachtung wirken mögen, der analytische Blick enthüllt ein beunruhigend infantiles und zerstörerisches Potential.
Die Börse hat sich zu einem Teil des medialen Unterhaltungsprogramms gewandelt. Wie sich die sogenannte "Aktienkultur" zu einem Herd individueller und kollektiver Traumatisierungen entwickelt hat, mit hohen Risiken für das gesellschaftliche Zusammenleben, zeigt dieses streitbare Buch.
Autorenporträt
Katherine Stroczan, geboren 1952 in London, wuchs in Warschau auf und lebt seit über zwanzig Jahren in Frankfurt am Main. Die Psychoanalytikerin führt eine eigene Praxis und ist außerdem als Lehranalytikerin am Frankfurter Psychoanalytischen Institut tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.2002

Postkoitale Depression

"Es braucht Jahre, bis das Vertrauen zurückkehrt. Es braucht Jahre, bis eines Tages die Spekulationswut, allmählich neu belebt, wiederaufflammt, das Abenteuer von vorne begint, eine neue Krise herbeiführt und in einem neuen Desaster alles zum Einsturz bringt." Das klingt wie eine Analyse des Zusammenbruchs der New Economy aus der unmittelbaren Gegenwart. Es ist in Wirklichkeit ein Zitat aus Emile Zolas Roman "L'Argent" (Geld) aus dem Jahr 1891. Der Roman handelt von den enttäuschten Hoffnungen der Spekulanten in der Belle Époque - aber die Muster sind bis heute gleichgeblieben. Wann das Abenteuer im 21. Jahrhundert wieder beginnt, weiß noch niemand. Aber es ist zu vermuten, daß es nach den gleichen Regeln verläuft. Kein Wunder, daß viele Menschen die Rationalität der Finanzmärkte bezweifeln.

Gier, Lust, Angst und Enttäuschung sind menschliche Affekte, welche nicht nur an den Börsen eine Rolle spielen. Es konnte nicht ausbleiben, daß jetzt auch die Psychoanalytiker sich mit dem Börsenfieber und seiner abrupten Unterkühlung beschäftigen.

Woran denken Psychoanalytiker meistens? Erraten. An Sexualität: "Börsentäglich wird ein intimes Erregungsritual inszeniert, bei dem der Erregungspegel bis zum Höhepunkt - dem Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers - gesteigert wird." Die Enttäuschung des Jahres 2000 - nichts anderes als "postkoitale Depression"? Das klingt wie eine Persiflage auf die Psychoanalyse, zumal es mit viel Fach- und Geheimsprache ("repressive Entsublimierung") garniert wird. Aber ganz falsch muß es deshalb nicht sein, zumal die Autorin einige interessante Fallbeispiele für ihre Deutung beibringen kann.

ank.

Katherine Stroczan: Der schlafende Dax oder Das Behagen in der Unkultur. Die Börse, der Wahn und das Begehren. Wagenbach. 18,50 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2002

Der anale Kleinaktionär
Katherine Stroczan liefert zum Crash den Spott der Psychoanalyse
Das Leben der Börse ist vom schweigenden Kern der Gesellschaft an ihre lärmende Peripherie vorgedrungen; wohl niemandem ist diese Entwicklung, die sich in den letzten fünf oder sechs Jahren vollzogen hat, entgangen. Wenn damals noch die Kurse, rätselhaft wie eine chinesische Chronik, sich nur im unaufdringlich murmelnden Kleindruck über die Wirtschaftsseiten zogen, so muss man sich heute in Zeitschriften und an Haltestellen der schweren Belästigung einer Reklame erwehren, die mit großformatigen Bildern frenetischer Yuppies hantiert. Zweifellos ist hier etwas passiert, das nach Deutung ruft. Aber was heißt hier deuten? Und welche Wissenschaft wäre dafür zuständig?
Die Psychoanalyse natürlich, meint die Psychoanalyse mit der ihr eingebauten Anmaßung. Es verblüfft, mit welchem Gleichmut Katherine Stroczan in ihrem Buch „Der schlafende DAX” alles Ökonomische am doch vor allem ökonomischen Phänomen des Volksaktionärs über Bord wirft, um stattdessen eine Seifenoper der Triebschicksale auf den Spielpan zu setzen. Nicht als ob es völlig verkehrt wäre, die analen (möglichst viel horten!) und die oralen Anteile (möglichst viel fressen!) der Käuferpsyche zu zergliedern. Aber indem sie sich allein an das unsympathische Erscheinungsbild des „Homo investor” hält, wie sie ihn nennt, übersieht sie, an welchem Nasenring dieses arme Wesen auf den Markt geschleift wird: Das ewig hungrige Kapital, das nach noch vollständigerer Ausbeute des gesellschaftlichen Reichtums fiebert, will alle jene zähflüssigen Beträge in den Hauptstrom des Geschäfts einspeisen, die bislang in den diversen Altwassern der Sparguthaben vor sich hin gedümpelt haben.
Ein menschlicher Sparer
900 Millionen Mark, das erfährt man nebenbei von Stroczan, hat die Telekom es sich kosten lassen, ihre „Volksaktie” zu lancieren. Aber es gibt, wie ein Spielverderber schon damals gemahnt hat, keine Volksaktien, es gibt nur Aktien; und so wurden Hunderttausende von Kleinanlegern um ihr Geld geprellt – jenes Geld, das eigentlich niemals wirkliches Kapital war, sondern das sie sich vom Munde abgespart hatten.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, und Psychologie gibt’s obendrein. Stroczan macht die Gier typischerweise nicht den großen Kapitalsubjekten zum Vorwurf, sondern den verwirrt herumtaumelnden Kleinanlegern. Die Milliardengewinne, die die Deutsche Bank einstreicht, gehen anscheinend völlig in Ordnung, während die manisch-depressive Performance eines menschlichen Sparers, der eben mal zehntausend Mark überschüssig hat, der Analyse und das heißt der Abschätzigkeit verfällt.
Man soll ja, wenn man sie nicht kennt, Fremdwörter nachschauen, statt sich über sie aufzuregen; aber wer von einem „philobatischen All” spricht, das versucht, sich im „oknophilen Raum der Melancholie” einzurichten, der legt offenkundig Wert darauf, dass ihn der, von dem er redet, nicht versteht. Es ist krasser Expertenhochmut. Seine tote Bosheit verdirbt noch die an sich brauchbaren Einsichten, die in diesem Buch beiher auch anfallen, etwa dass der ganze Dauer-Hype uns die traurige Nobilitierung des Affekts der Gier beschert hat.
Kristallisationskern des Buchs war, so vermute ich, der Unmut der Fachfrau über das Kauderwelsch der „Börsenpsychologie”. Hier geht es nun wirklich mit Hysterie und Neurose wie Kraut und Rüben durcheinander. Wer seine Begriffe so sorgsam zu separieren und einzusetzen pflegt wie die verschiedenen Eisen und Hölzer beim Golfspiel, dem mögen dabei die Haare zu Berge stehen. Aber Stroczan gewinnt letztlich wenig, wenn sie in scharfem Ton moniert, so etwas wie ein „Unterbewusstsein” gebe es überhaupt nicht: Es ist einfach ein anderer Jargon als der ihre, der sich in der Investorensprache austobt, kein wissenschaftlicher, sondern die Mimesis an eine zügellose Nervosität. Indem sie gegen deren Undiszipliniertheit zu Felde zieht, nimmt Stroczan das etwas lächerliche Aussehen einer Sektenbeauftragten an, die ihre Kirche gegen die Schmutzkonkurrenz von Moon und Scientology zu sichern hat.
Sie hat ja ganz recht, dass auf der Börse der Wahn agiert. Aber sie irrt, wenn sie ihn individualpsychologisch verorten will. Der Wahn ist völlig ein systemischer. Die Analytikerin, die ihn auf familiäre Grundkonstellationen zurückführen will, kommt dessen Kern nicht näher als der Analyst, der darin gefangen bleibt; die infantile Regression, die sie so schlüssig diagnostiziert, vollzieht sie auf diese Weise letztlich höchstselbst. Der Wahn, genauer gesagt das Wähnen, ist der Börse immanent, weil jegliches Kapital einen Vorschuss auf die Zukunft bedeutet und die Zukunft die beharrlich dunkelste aller Himmelsrichtungen bleibt. An ihr wird alle Erfahrung zunichte; was die Zukunft angeht, sind wir alle aufs Raten verwiesen, und am meisten die einschlägigen Experten, gleichgültig ob sie aus dem Fressen der heiligen Hühner ihre Folgerungen ziehen oder die nächste „Rally” im Urin haben.
Zu der Überlegung jedoch, was das Allgemeine überhaupt wäre, kann die Psychoanalyse ihrem Wesen nach nicht gelangen, weil sie immer nur nach der privaten Abweichung und Symptombildung zu fragen versteht. Zur Erklärung wirtschaftlicher Phänomene trägt sie ungefähr so viel bei wie ein Schmetterlingsforscher im Kohlenbergbau. Hiervon auszunehmen sind vielleicht allein die späten spekulativen Schriften Freuds. Mit ihnen sucht Stroczan den unglücklichsten Vergleich, wenn sie als Untertitel wählt: „Das Behagen in der Unkultur”.
Unkultur, das ist ein Wort, das bloß mault; es ist eine seichte Kulturkritik, die sich in ihm betätigt. Man kann Stroczan zustimmen, dass die „Aktienkultur” ein unerquickliches Produkt ist; aber zuletzt auch nicht schlimmer als die Bierkultur oder die Schamkultur oder irgendeine der anderen siebenhundert deutschen Kulturen, die Eckhard Henscheid gesammelt hat. BURKHARD MÜLLER
KATHERINE STROCZAN: Der schlafende DAX oder das Behagen in der Unkultur. Die Börse, der Wahn und das Begehren. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2002. 109 Seiten, 18,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen interessanten Ansatz, über den Eifer, mit dem sich der
durchschnittliche deutsche Kleinanleger an der Börse engagiert(e),
nachzudenken, habe die Autorin und Psychoanalytikerin Katherine Stroczan mit
diesem Buch in jeden Fall verfolgt, findet der Rezensent Jörg Döring. Sie
analysiert auf psychoanalytischer Ebene den Kult, der um Aktien in den
letzten Jahren gemacht wurde und gibt dem sogenannten 'Börsenspiel' den
Status "seriöser Objektbeziehungen", ähnlich dem Beziehungsgeflecht, wie es
in Familien herrscht. Dabei kristallisiert sich nach Meinung des Rezensenten
ziemlich schnell heraus, dass die Autorin das Spekulieren an der Börse für
einen evolutionären Rückschritt hält: "die vielbeschworenen Aktienkultur"
ist in ihren Augen eher "ein triebgesteuertes Kulturverlust". Ihre Argumente
scheint Döring recht überzeugend zu finden: am Ende seiner Rezension fragt
er nämlich: "Gibt es überhaupt eine psychisch gesunde Form der Geldanlage?"

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