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Werden wir künftig noch in Städten leben? Und wenn wir in Städten leben, wie werden sie aussehen?Der in Zürich lehrende Architekt und Architekturhistoriker Lampugnani untersucht die Zukunft des Städtebaus unter den heutigen Bedingungen einer immer stärkeren Kommunikation und Vernetzung.Die telematische Stadt - eine leere oder eine belebte Stadt? Muss sie entzerrt oder verdichtet werden? Wird sie über mehr oder weniger Verkehrsmittel verfügen? Müssen ihre Gebäude mono- oder multifunktional sein, dauerhaft oder vorläufig? Und wie stark muss Stadtplanung eingreifen?

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Produktbeschreibung
Werden wir künftig noch in Städten leben? Und wenn wir in Städten leben, wie werden sie aussehen?Der in Zürich lehrende Architekt und Architekturhistoriker Lampugnani untersucht die Zukunft des Städtebaus unter den heutigen Bedingungen einer immer stärkeren Kommunikation und Vernetzung.Die telematische Stadt - eine leere oder eine belebte Stadt? Muss sie entzerrt oder verdichtet werden? Wird sie über mehr oder weniger Verkehrsmittel verfügen? Müssen ihre Gebäude mono- oder multifunktional sein, dauerhaft oder vorläufig? Und wie stark muss Stadtplanung eingreifen?
Autorenporträt
Vittorio Magnago Lampugnani, geboren 1951 in Rom, ist einer der international bedeutendsten Städtebautheoretiker. 1990 1995 war er Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main (DAM) und Herausgeber der Architekturzeitschrift domus. Er arbeitet als Architekt in Mailand und lehrt Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2002

Stadt, Land, Stuss
Vittorio Lampugnani hält nichts von der „telematischen Stadt”
Der Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani hängt sich gerne die Toga des Humanisten um. Er propagiert eine „neue Nüchternheit” in der Baukunst, fordert „Genauigkeit, Stille, Ordnung” und die „Veredelung” des Menschen. Doch unterhalb der in Marmor zu meißelnden Kapitelüberschriften streitet er nicht wie ein antiker Athlet sondern wie ein TV-Wrestler: große Gesten, nichts dahinter. „Unsinn”, „Gefasel”, „Kleinbürger”, „miserable Grundrisse”: Wenn Lampugnani Kulturkritik macht, fliegen die Fetzen.
Seinen ersten großen Auftritt hatte der Deutsch-Italiener, der damals noch Direktor des Deutschen Architektur-Museums in Frankfurt war, 1993, als er im Spiegel seine Polemik „Die Provokation des Alltäglichen” veröffentlichte. Mit dem Traktat, in dem er die zeitgenössische Avantgarde zerriss und eine neue Wertschätzung der Architektur des Dritten Reichs forderte („ausgesprochen solide detaillierte Bauten”), trat er eine Debatte los, die direkt in den „Berliner Architekturstreit” mündete. Später wehrte er sich mit seinem Band „Die Modernität des Dauerhaften” gegen die Nazivorwürfe und Goebbelsvergleiche, die er sich eingefangen hatte.
Rettet die Wildschweine!
Nun ist Lampugnani, mittlerweile Dekan der Architekturfakultät der Zürcher ETH, wieder in den Ring gestiegen. In seinem neuen Essay „Verhaltene Geschwindigkeit: Die Zukunft der telematischen Stadt”, setzt er sich mit der These auseinander, das Internet und andere neue Kommunikationsformen würden die Stadt, wie wir sie kennen, obsolet machen. Lampugnani glaubt nicht daran. Er prophezeit den alten Zentren eine Renaissance, wenn diese sich nur auf ihre antike Tradition als Orte des direkten Austauschs der Bürgerschaft besinnen würden, statt die „Bilderinflation” zuzulassen, an der sie ersticken werden. Von dort geht es dann wieder zum alten Lied vom Schweigen und von den Steinen.
Lampugnani gibt selbst zu, sein Buch aus bis zu sechs Jahre alten Aufsätzen und Vorträgen kompiliert zu haben. Das erklärt dessen Scheitern. In der Tat sprachen einige Utopisten in den Neunzigern vom Ende der Stadt. Die Verödung der amerikanischen Innenstädte war noch frisch in Erinnerung, die Auswirkungen von e-mail und Internet noch nicht absehbar. Heute, zumal nach dem Dotcom-Crash, weiß jeder, dass die Städte in ihrer Existenz vom Internet kaum tangiert werden. Nicht nur die westlichen Zentren prosperieren. Die Metropolen weltweit wachsen schneller denn je. Ihre kulturelle und soziale Bedeutung nimmt mit jedem Tag zu. Lampugnani schlägt längst gewonnene Schlachten.
Aber wie er kämpft! Zu überheblich, um unter seinen Gegnern zu differenzieren, macht er die Intelligenten und die Unseriösen gleichermaßen lächerlich. Zu arrogant, um zu klären, auf welche Thesen er sich bezieht, beschränkt er sich auf Generalisierungen. Dieses Vorgehen fällt auf ihn selbst zurück. Was genau meint er etwa mit seinen Lieblings-Hassbegriffen „Postmoderne und Dekonstruktivismus”? Die architektonische Postmoderne ist tot, und „dekonstruktivistisch” könnte man ein Gebäude nennen, eine architektonische Bewegung lässt sich darunter nicht mehr subsumieren. Lampugnanis Neigung zu altertümlichen Manierismen („Untergrundbahn”) und sprachlichen Klischees verrät ein Denken, das ebenso gestrig wie selbstgefällig ist. Statt zweimal hinzusehen, nachzuforschen und zu belegen operiert Lampugnani mit Ressentiments und Aufgeschnapptem. Sein Thema dient ihm lediglich als Vorwand für eine matte kulturpessimistische Revue. Darunter schimmert die uneingestandene Trauer über eine Zeit durch, die auf die Elite, als deren Mitglied er sich versteht, nicht hören will.
Natürlich hat er in manchem Recht. Wer wollte widersprechen, wenn er das spekulative Investorenbauen, die Landvernichtung, die Verflachung und Besinnungslosigkeit in der Infogesellschaft kritisiert. Nur, neu ist nichts davon. Wenn Lampugnani aber die „allgemeine Verschiebung vom Materiellen zum Immateriellen” mit der angeblichen Popularität von „Joghurt ohne Fett” belegt und das Ersetzen echter Frauen im „letzten großen Abenteuer des Zivilisationsmenschen, der Liebe” durch „Sexpuppen aus Urethanschaum und Vinylplastik” beklagt; wenn er andererseits die Erfolge des Slow-City- Movements in der italienischen Stadt Greve feiert, die dazu beitrugen, eine „für die Herstellung einer besonderen Wurstsorte unverzichtbare” Wildschweinart vor dem Aussterben zu bewahren: dann beginnt man sich ernsthaft Sorgen um ihn zu machen. Fragt sich, was den Wagenbach-Verlag dazu bewog, dieses großväterhafte, oft gehässige und durchweg reaktionäre Gerede zu veröffentlichen.
JÖRG HÄNTZSCHEL
VITTORIO MAGNAGO LAMPUGNANI: Verhaltene Geschwindigkeit. Die Zukunft der telematischen Stadt. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2002. 110 Seiten, 19,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Zeit, etwas für den Fortschritt zu tun
Die Bürger der Städte merken nicht, daß die Zukunft schon begonnen hat / Von Christoph Albrecht

Geschwindigkeit und Politik" hieß ein Essay des französischen Architekten und Kulturkritikers Paul Virilio. Das war zur Zeit der Nato-Nachrüstung, als das Wort "Vorwarnzeit" in aller Munde war. Politik schien an Computerprogramme delegiert. Passenderweise wählten die Amerikaner damals einen Schauspieler zum Präsidenten: Alles andere als eine bloße Charaktermaske hätte man wohl als technisch geradezu störend empfunden. Die Feindschaft zwischen "Geschwindigkeit" und "Politik", zwischen Technik und menschlicher Kultur ist geblieben, aber in anderer Gestalt.

Seit dem 11. September 2001 sind die Vorwarnzeiten auf Null geschrumpft, und man verkauft uns den Präventivkrieg als fast zwingend geboten. Diese völkerrechtliche Revolution ist nur das jüngste Beispiel dessen, womit Amerika die Welt ständig überrumpelt: eine "Beschleunigung" bis an die Grenzen von Bewußtsein, Vernunft und Kultur - oder über sie hinaus.

Der Historiker Dan Diner hilft uns, dieses Amerika und unser Bild davon zu verstehen. Er schrieb nach dem Blitzkrieg am Golf 1991 seinen jetzt neu herausgegebenen polemischen Essay unter dem Titel "Verkehrte Welten". Er spürt darin unseren antiamerikanischen Ressentiments bis zu ihren romantischen Wurzeln nach. Kurz: Wir schätzen Amerika - individuelle Freiheit, Marktwirtschaft, Technik -, aber machen es gleichzeitig für die dunklen Seiten der Modernisierung haftbar, für den Verlust kultureller Identität, für soziale Ungerechtigkeit, für Naturzerstörung. Die Vereinigten Staaten mißbrauchen wir als Projektionsfläche "abgespaltener Teile von Selbsthaß". Nach dem 11. September sagte Diner deshalb zutreffend voraus, daß unsere "uneingeschränkte" Solidarität bald von klammheimlicher Schadenfreude überlagert werden würde. Daher ist sein Essay mit dem neuen Titel frisch, obwohl Diner nur ein Kapitel zum 11. September hinzugefügt hat.

Mit der Sowjetunion sei der "Vermittler einer verlangsamten Modernisierung in der Dritten Welt" weggefallen. Traditionsgesellschaften stünden heute einer "beschleunigten Hypermoderne" unmittelbar gegenüber. Die Terroristen des 11. September waren technisch ausgebildet, jedoch wohl getrieben von der Frustration, komplexe westliche Produkte übernehmen und gegen ein Hochhaus lenken zu können, aber nicht westliche Produktivität nachahmen zu können.

Dazu bedarf es einer auf primitiven "materialistischen" Prinzipien basierenden, aber hochkomplexen und machtvollen institutionellen Infrastruktur. Der Westen hat ein halbes Jahrtausend gebraucht, um sie gegen die in ihm selbst wirkenden Kräfte der Beharrung hervorzubringen. Ihre Prinzipien sind nicht gebunden an einen Staat oder eine Kultur. Deshalb ist Amerika für Diner "mehr Zeit als Ort" - im Gegensatz zu Traditionsgesellschaften und selbst zu Europa, die "mehr Ort als Zeit" sind, die mehr geprägt sind von Herkunft statt von Zukunft. Das Attentat vom 11. September beschreibt Diner - aus der Sicht der Attentäter - als Versuch, eine verschwindende, von der westlichen Beschleunigungskultur absorbierte sakrale Zeit zurückzugewinnen. Die Verheerungen der religiösen Marschflugkörper wären so ein unvergängliches Zeichen der ewigen Überlegenheit des Islam. "Sakrale Zeit annulliert säkulare Zeit." Der Präventivkrieg und das Märtyrerattentat erscheinen beinahe als zwei Seiten desselben Wahnwitzes.

In den "telematischen Städten" Europas durchdringen sich die Horizonte auf anschauliche Weise. Das Buch des Architekten und Städtebauhistorikers Vittorio Lampugnani, ehemaliger Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, zeigt, wie wir Zukunft und Vergangenheit ausbalancieren: nicht als manichäische Entgegensetzung von "säkularer" und "sakraler" Zeit, sondern als als zwei Funktionen desselben technischen Weltverständnisses, wie Gaspedal und Bremse. Nach den Segnungen und Verwüstungen der Moderne und dann der Postmoderne treten wir ein in Diners "Hypermoderne", in die Stadt der telematischen und kommunikationstechnischen Vernetzung.

Der Terrorist Mohammed Atta, der sich in seiner Diplomarbeit mit der Gefährdung der Stadt Aleppo beschäftigt hatte, antwortete darauf mit einem unpolitischen, rational uneinholbaren Akt der Zerstörung. Lampugnani verbreitet dagegen einen kulturell gebremsten Technikoptimismus. Städte sind für ihn sedimentierte Tradition, die wir heute nicht mehr brachial beiseite räumen müssen, um Platz für das Neue zu schaffen. Manches kann sich heute in virtuellen Räumen abspielen, und die nomadisierenden Geistesarbeiter können die modernisierten Werkshallen weiter nutzen.

Ehemalige Industriewüsten verwandeln sich in halbe Museumslandschaften, deren restaurierte Ruinen räumliche, wirtschaftliche und kulturelle Nischen eines technisch umgerüsteten, erneuerten urbanen Lebens bereitstellen. Je mehr sich alles ändert, desto mehr kann alles gleichbleiben. Die Städte werden als "Dispositive zur Verfeinerung des Menschen" noch bedeutender. Um so mehr Aufwand sollten wir in ihre Gestaltung stecken.

Die Technik ist heute so effizient, daß sie sogar ohne den Welterneuerungsanspruch radikaler Modernisten oder fundamentalistischer Apokalyptiker auskommen kann. Lampugnanis städtebauliche Visionen einer menschenfreundlich gebremsten Modernisierung ermutigen uns in unserer beständigen Anstrengung, Geschwindigkeit und Politik auszubalancieren.

Dan Diner: "Feindbild Amerika". Über die Beständigkeit eines Ressentiments. Propyläen Verlag, München 2002. 238 S., geb., 20,- [Euro].

Vittorio Magnago Lampugnani: "Verhaltene Geschwindigkeit". Die Zukunft der telematischen Stadt. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2002. 110 S., Abb., geb., 19,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In seinem Band "Verhaltene Geschwindigkeit" beschäftigt sich der Städtebauexperte Vittorio Magnago Lampugnani mit den Folgen der "telematischen Revolution", berichtet Rezensent Markus Jager. Wie Jager hervorhebt, mimt Lampugnani dabei nicht den "Zukunftsenthusiasten", sondern zieht sich auf die Rolle des Beobachters und verhaltenen Mahners zurück. So groß die futuristische Skepsis Lampugnanis sei, so verhalten seien seine eigenen Prognosen. Dass Lampugnani viele seiner Statements dann wieder relativiert und abschwächt, findet Jager bedauerlich. Trotz aller nachvollziehbarer Zukunftsskepsis hätte er sich gewünscht, mehr über Lampugnanis alternative Erwartungen zu erfahren. Die, die doch einmal durchscheinen - Jager nennt die Verringerung des Verkehrs, den Wegfall greller Werbung und einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen - alles "konsensträchtige Wünsche", sind für den Rezensenten nicht an die "telematische Stadt" gebunden. Überhaupt spricht Lampugnani lieber von der Stadt im "telematischen Zeitalter" als von der "telematischen Stadt", hält Jager fest - ein nicht unwesentlicher Unterschied. Im Idealfall sei die "telematische Satdt" die Stadt als soziales Gemeinwesen, fasst Jager die Vision Lampugnanis zusammen, eine Stadt, in der Technik lediglich als "devote Dienerin" fungiert.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr