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Als der Jurastudent Paulo in seinem VW- Käfer die 14- jährige AutostopperinMaína mitnimmt, verändert sich das Leben der beiden. Das Mädchenaus dem Indianercamp an der Ausfallstraße von Porto Alegre und der politisch engagierteSohn aus gutem Hause kommen sich schnell näher - und doch niewirklich nahe; zu unterschiedlich sind die beiden Welten, die hier aufeinanderprallen.Erst Donato, ihrem gemeinsamen Kind, gelingt es, das Unvereinbarezusammenzubringen. Alleingelassen von Vater und Mutter, wächst er zu einemjungen Mann heran, der unwissentlich in die Fußstapfen seiner Eltern tritt:Die Stimme…mehr

Produktbeschreibung
Als der Jurastudent Paulo in seinem VW- Käfer die 14- jährige AutostopperinMaína mitnimmt, verändert sich das Leben der beiden. Das Mädchenaus dem Indianercamp an der Ausfallstraße von Porto Alegre und der politisch engagierteSohn aus gutem Hause kommen sich schnell näher - und doch niewirklich nahe; zu unterschiedlich sind die beiden Welten, die hier aufeinanderprallen.Erst Donato, ihrem gemeinsamen Kind, gelingt es, das Unvereinbarezusammenzubringen. Alleingelassen von Vater und Mutter, wächst er zu einemjungen Mann heran, der unwissentlich in die Fußstapfen seiner Eltern tritt:Die Stimme seiner Mutter im Ohr - auf einer Tonbandkassette mit Guaraní-Legenden-, entlarvt Donato die Selbstzufriedenheit einer ganzen Gesellschaft.Paulo Scotts Roman hat in Brasilien viel Aufmerksamkeit erhalten. SeineFiguren stehen sinnbildlich für die brasilianische Geschichte der vergangenen25 Jahre, und gehen mit der portugiesisch- indianischen Begegnung von Paulound Maína an die Ursprünge der brasilianischen Literatur zurück.Ein beeindruckender, dichter Roman, der den Preis der Brasilianischen Nationalbibliothekfür den besten Roman 2012 erhielt und von der SaramagoÜbersetzerinMarianne Gareis hervorragend ins Deutsche übertragen wurde.
Autorenporträt
Paulo Scott, geboren 1966 in Porto Alegre, hat vor "Unwirkliche Bewohner" bereits einen Roman, zwei Erzählsammlungenund einen Gedichtband veröffentlicht. Er lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013

Kappt die Luftwurzeln!
Paulo Scott schreibt über das indianische Brasilien
Maína ist vierzehn. Eine Guaraní-Indianerin, die mit ihrer Mutter und ihren Schwestern am Straßenrand der Bundesstraße 116 bei Porto Alegre lebt. Das Land, in dem sich ihr Dorf befand, musste die Familie verlassen. Man schreibt das Jahr 1989. Brasilien hat erst vier Jahre zuvor die Diktatur überwunden, und nun wächst eine Generation heran, die nach Freiheit lechzt und die Welt verändern will. Der Jurastudent Paulo, der autobiografische Züge des Autors trägt, engagiert sich für die politische Linke. Doch obwohl er zu den Vorkämpfern der nationalen Studentenbewegung zählt, ist er desillusioniert. Paulo will aussteigen und auch sein Praktikum in einer hippen Anwaltskanzlei hinwerfen. In einem Zustand von Orientierungslosigkeit fährt der Aktivist von einem politischen Treffen auf der BR-116 zurück nach Porto Alegre, als er am Straßenrand ein Mädchen sitzen sieht. Mit einem Packen Zeitungen, die sie mit ihren Armen an die Brust drückt, verharrt Maína im strömenden Regen.
  „Nur wenig kann schlimmer sein, als den Rest seiner Jugend und seines Lebens an diesem dreckigen Straßenrand festzusitzen“, denkt Paulo und nimmt Maína mit in das Haus seiner Eltern. Er verliebt sich in das Mädchen. Ein absolutes No-go. Sie ist vierzehn und Indianerin. Sie ist nicht Teil der Gesellschaft, ein Outlaw. „Ihre jüngste Schwester spielt im Ruß, im Gummistaub der Autoreifen. Sie hat sich sogar schon überlegt, wie sie sie am besten umbringt, solange die Kleine das eigene Elend noch nicht begreift.“ Paulo will Maína und ihrer Familie unbedingt helfen. Doch sie akzeptiert seine Hilfe nicht. Schließlich lässt er Maína schwanger zurück.
  Scotts Protagonist verfällt in düstere Reflexionen. Letztlich ist er, der Sohn aus gutem Hause, ein Feigling, obwohl er den gleichen Namen trägt wie der große Che: Guevara. Er setzt sich nach London ab und versucht sich dort erfolglos als Squatter, als illegaler Hausbesetzer. Für Maína und seinen Sohn Donato ist er verloren.
  Henrique und Luisa scheinen die Rettung für Maína und ihren Sohn zu sein. Sie drehen einen Dokumentarfilm über Indios und bieten der jungen Mutter ein Praktikum an. Unwissentlich helfen sie der Indianerin, einen lange gehegten tödlichen Plan zu verwirklichen. Sie hat verstanden, dass sie niemals Teil der brasilianischen Gesellschaft sein wird: „Soviel ich auch lese und sosehr ich mich auch anstrenge, ich kann die Welt, in der ihr lebt, einfach nicht verstehen und habe noch immer nicht entdeckt, durch welche Tür man sie betritt.“ Als sie Donato in Henriques Obhut weiß, legt sie sich einen Strick um den Hals. Ihr Sohn wird in São Paulo als Mitglied der gehobenen Mittelschicht aufwachsen.
  Scott lässt in seinem Roman „Unwirkliche Bewohner“, der auch eine verstrickte Liebesgeschichte erzählt, die späten Achtzigerjahre wiederaufleben: In England verliert Margaret Thatchers an Popularität, Steven Soderbergh dreht den Film „Sex, Lügen und Video“, die Berliner Mauer fällt, in Brasilien erlebt der Präsidentschaftskandidat Collor de Mello einen schwindelerregenden Aufstieg, und im amerikanischen Fernsehen laufen erstmals die Simpsons.
  Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen brasilianischen Autoren siedelt Scott seinen Roman nicht im zeit- und ortlosen Raum an. Er wirft vielmehr Schlaglichter auf die brasilianische Gesellschaft und kritisiert ihren Umgang mit den indianischen Ureinwohnern, einer Minderheit im eigenen Land. Sein Protagonist Donato, der selbst Indianer ist, referiert zunächst als altkluger Vierzehnjähriger, es sei das beste, „alle im Urwald auffindbaren Wilden zu nehmen, sie ausnahmslos zu zivilisieren, (. . .) Die Vergangenheit kehre nicht wieder.“
  Später wird Donato seinem Ziehvater vorwerfen, er habe ihn zum nicht-indianischsten Indianer, von dem man je gehört habe, erzogen. Und: dass er nichts über seine Herkunft wisse. Er beginnt, in seinem Inneren nach der Stimme seiner Mutter zu lauschen. Als er ein Polaroid seiner Eltern und Videoaufnahmen findet, überwältigt ihn seine vergessene Vergangenheit.
  Scott Figuren suchen wie Nomaden ihren Platz in der Welt. Vorsichtig tastend bewegen sie sich durchs Leben, erleiden Rückschläge, spüren ihre Wurzeln nicht. Es ist ein beschwerlicher Krebsgang. Scotts junger Held Donato wird am Ende die Tür zu einem verlorenen Reich aufstoßen: der Kultur seiner indianischen Ahnen. Er schnitzt eine Maske, eine ganze Rüstung aus kostbarem Balsaholz, kleidet sich in Stroh und versucht, sich an die alten Indianergesänge zu erinnern. „Die Gesänge helfen, Menschen wiederzufinden, die fern sind, die tot sind. (. . .) Er wird singen, um zurückzufinden.“ So maskiert, stellt er sich in Porto Alegre mitten auf die Straße und bringt die Totenlieder seiner Vorfahren zu Gehör.
  Mit seiner Performance findet Donato eine neue Antwort: „Als ich jünger war, dachte ich, die einzige Lösung wäre, alle Indianer ein für alle Mal zu zivilisieren, aber das war falsch.“ Und auf die Frage, was denn die Absicht seiner Darbietung sei, antwortet er: „Meine Identität zu retten, meine Würde als Indianer.“
MICHAELA METZ
Paulo Scott: Unwirkliche Bewohner. Deutsch von Marianne Gareis. Wagenbach Verlag, Berlin 2013. 256 Seiten, 19,90 Euro.
Anders als viele zeitgenössische
Autoren des Landes schreibt er
über eine tabuisierte Minderheit
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

"Eine Reise in eine nahende, aber noch utopische Zukunft" verspricht Rezensent Andreas Fanizadeh in seiner etwas kryptischen Besprechung von Paulo Scotts offenbar recht intensivem Roman über einen jungen Mann in Brasilien, der sich in ein noch jüngeres Mädchen verliebt. Der Rezensent berichtet von einem "wahnsinnig guten" Intermezzo in London, von Drogengebrauch und von geradezu irritierend direkten Figuren auf permanent existenzialistischem Konfrontationskurs. Das alles, so der Kritiker, ist vielschichtig angelegt, von einem universellen Anspruch getragen und letztendlich erzählerisch soweit vom Zufall angetrieben, dass die Geschichte im Grunde zu keinem Abschluss drängt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein außergewöhnliches Buch, das zeigt, dass die brasilianische Literatur nach der quantitativen Explosion der letzten zehn Jahre nun auch qualitativ gereift ist." Sérgio Rodrigues, Veja