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Ausgehend von einer Analyse des 11. September und der Verflechtung der Attentäter mit der westlichen Zivilisation zeigt Göle, wie falsch die Ansicht ist, der Westen stehe für die Moderne und der islamische Osten für die Rückständigkeit. Nie zuvor waren sich Islam und westliche Welt so nahe.

Produktbeschreibung
Ausgehend von einer Analyse des 11. September und der Verflechtung der Attentäter mit der westlichen Zivilisation zeigt Göle, wie falsch die Ansicht ist, der Westen stehe für die Moderne und der islamische Osten für die Rückständigkeit. Nie zuvor waren sich Islam und westliche Welt so nahe.
Autorenporträt
Nilüfer Göle, geboren in der Türkei, ist seit 2001 Profesorin für Soziologie an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. Sie gilt als Leitfigur der politischen Bewegung aufgeklärter muslimischer Frauen in der Türkei.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2009

Gemeinsam anders sein
Wie Integration im säkularen Staat aussehen könnte
Wer das zunehmend selbstbewusste Auftreten junger muslimischer Frauen in der Öffentlichkeit wahrnimmt und der Frage nachgehen möchte, was dies für das Verhältnis von religiösem und weltlichem Bereich hierzulande bedeutet, ist bei Nilüfer Göle an der richtigen Adresse. Die in der Türkei geborene, in Paris lehrende Soziologieprofessorin hat sich mit den unterschiedlichen Anpassungsstrategien der Muslime an die Moderne beschäftigt. Ihre Analyse der scheinbaren Widersprüchlichkeit von Frauen, die das Kopftuch tragen, sich aber gleichzeitig gegen männliche Dominanz zur Wehr setzen und Berufstätigkeit und Selbständigkeit anstreben, hat Göle zu einer Gewährsfrau der gebildeten, aufstiegsorientierten Musliminnen in der Türkei wie in Europa gemacht. Und darüber hinaus zur Ansprechpartnerin der EU-Kommission.
Jetzt ist ihr 2005 in Frankreich veröffentlichter Essay „Anverwandlungen. Der Islam in Europa zwischen Kopftuchverbot und Extremismus” mit einer aktuellen Einleitung in der neuen Reihe „Politik bei Wagenbach” auf Deutsch erschienen. Die Reihe nimmt die vom Verlag in den 80er Jahren gepflegte Tradition der politischen Streitschriften wieder auf. Für das unübersetzbare Sprachungetüm „Interpénétrations. L’Islam et l’Europe” hat der Verlag für die deutsche Ausgabe verständlicherweise eine Alternative gesucht. Dass er dabei auf das eher lyrische Wort „Anverwandlung” verfallen ist, hat den Akzent etwas verschoben: Anverwandeln meint einen ehrfurchtsvollen Prozess des Zueigenmachens; interpénétration hingegen betont eine offensive Haltung, in diesem Fall also das gegenseitige Eindringen in den Kulturraum des anderen.
Umgang mit dem Heiligen
So macht zum Beispiel das Kopftuch das religiöse Anderssein sichtbar, was zur Auseinandersetzung herausfordert. Gleichzeitig befeuert die Konfrontation von islamischem Schleier und westlichem Säkularismus die Diskussion über die gemeinsamen Werte Europas. Wie können und wollen wir zusammen leben? Welche Rolle darf die Religion dabei einnehmen? Allerdings haben diese Fragen im laizistischen Frankreich größere Brisanz als im Rest der EU. Doch der durch die Muslime angestoßene Streit über den Umgang mit dem Heiligen beginnt, die modernen europäischen Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen. Gleichzeitig interpretieren junge Muslime ihre religiösen Quellen in der analytischen Sprache der modernen Gesellschaften – ein Prozess der Anerkennung dessen, dass man sich aus der Moderne nicht ausklinken kann – und das bei gleichzeitigem Beharren auf der Differenz. Welche Position sollte der säkulare Staat also in der Konfrontation mit der Rolle beziehen, die Muslime für ihre Religion im öffentlichen Raum beanspruchen?
Wie könnte Integration aussehen? „Das Stichwort”, so Göle, heißt nicht mehr assimilieren, sondern den öffentlichen Raum teilen. Verdrängen, angleichen, absorbieren des (muslimischen) Anderen sei weder möglich noch eine Lösung des Konflikts. Göle verweist als positives Beispiel auf den Regisseur Fatih Akin und dessen Film „Auf der anderen Seite”, in dem ein Austausch in beide Richtungen stattfindet. Integration ist keine Einbahnstraße. Auch die muslimischen Zuwanderer beeinflussen die Wahrnehmung Europas von sich selbst. „Anverwandlungen”: ein lesenswerter Essay, in dem die Fragen des Umgangs mit der europäischen Leitkultur allerdings nur angerissen werden.
ELISABETH KIDERLEN
NILÜFER GÖLE: Anverwandlungen. Der Islam in Europa zwischen Kopftuchverbot und Extremismus. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer. Wagenbach Verlag, Berlin 2008, 160 S., 10,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lesenswert findet Rezensentin Elisabeth Kiderlen diesen Essay der in Paris lehrenden Soziologin Nilüfer Göle, der in der neuen Streitschriften-Reihe "Politik bei Wagenbach" erschienen ist, auch wenn Kiderlen zugeben muss, dass die all die Fragen, die der Islam in Europa stellt, hier nur angerissen werden. Die Rezensentin umreißt grob die Themenstellung -  Kopftuch versus Säkularismus  - und erklärt, dass es laut Göle nicht mehr um Assimilation gehen könne, sondern nur darum, den öffentlichen Raum zu teilen.

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