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Aus der großen Zahl von Erzählungen ist Der Fuchs die bekannteste von D. H. Lawrence - nicht zufällig, denn die Geschichte von den beiden Frauen, dem Fuchs und dem jungen Soldaten ist nicht nur ein Meisterstück, sondern auch exemplarisch für die Themen von Lawrence: die unterdrückte Sehnsucht nach Erotik, nach dem rätselhaften Männlichen, nach Freiheit und Freizügigkeit. Exemplarisch auch für seinen Stil, den Martin Beheim-Schwarzbach hervorragend ins Deutsche übertragen hat: Nie wird diese Sehnsucht offen ausgesprochen, und doch ist sie spürbar, im Schweigen oder in Gesprächen, in denen nicht…mehr

Produktbeschreibung
Aus der großen Zahl von Erzählungen ist Der Fuchs die bekannteste von D. H. Lawrence - nicht zufällig, denn die Geschichte von den beiden Frauen, dem Fuchs und dem jungen Soldaten ist nicht nur ein Meisterstück, sondern auch exemplarisch für die Themen von Lawrence: die unterdrückte Sehnsucht nach Erotik, nach dem rätselhaften Männlichen, nach Freiheit und Freizügigkeit.
Exemplarisch auch für seinen Stil, den Martin Beheim-Schwarzbach hervorragend ins Deutsche übertragen hat: Nie wird diese Sehnsucht offen ausgesprochen, und doch ist sie spürbar, im Schweigen oder in Gesprächen, in denen nicht gelogen, in denen aber auch nicht die Wahrheit gesagt wird; in Träumen, nachts und tags, in Symbolen wie dem des Fuchses, der durch die Gegend und die Erzählung streunt und sich seinen Tribut holt.
Doris Lessing hat ein kluges Nachwort geschrieben, das nicht nur die Hintergründe des Entstehens beleuchtet, sondern aus der Sicht der selbst Schreibenden das Handwerkszeug des Autors Lawrence sichtbar gemacht.
Autorenporträt
David Herbert Lawrence (1885-1930), Sohn eines Minenarbeiters und einer Lehrerin, arbeitete in London zunächst selbst als Lehrer. Als er an Tuberkulose erkrankte, mußte er seinen Beruf aufgeben und unternahm rastlos schreibend ausgiebige Reisen. Sein Werk, entstanden unter dem Eindruck der Psychoanalyse Freuds, wurde wegen erotischer Freizügigkeiten scharf angegriffen. Neben zahlreichen Romanen und Erzählungen veröffentlichte Lawrence auch Reisebücher, Essays und Lyrik. Er starb 1930 in Vence bei Nizza.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Elmar Schenkel mochte diese "kleine poetische Geschichte", in deren Zentrum seinen Informationen zufolge "die Entdeckung des Instinkts und der sinnlichen Erfüllung" steht. Auch sieht er darin die Geschichte einer explosiven Selbstentladung und eines heimtückischen Mordes. Besonders die Art, wie D.H. Lawrence über Tiere schreibt, findet der Rezensent faszinierend. An manchen Stellen sieht er den Autor sich beinahe selbst in den Fuchs verwandeln, der in der Erzählung zwei Frauen auf einem kleinen Bauernhof bedroht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2004

Kartograph des Zufalls
Ein früher Beatnik: D. H. Lawrence und sein Roman "Aarons Stab", erstmals auf deutsch

Der Sommer 1921 war lang und heiß. D. H. Lawrence verbrachte mit Frieda von Richthofen, der Schwester des Kriegspiloten, eine Zeit im österreichischen Zell am See, doch trotz der Hitze zog es ihn wieder nach Süden. Unruhe war sein Kennzeichen, nicht erst seit er in Großbritannien als Autor obszöner Werke wie "The Rainbow" geächtet war.

Lawrence trug in jenem Sommer eine Wolke von Problemen mit sich herum. Er litt unter der Tuberkulose und wurde zugleich verfolgt von einer Horde von Freunden und Bekannten, die sich in seinen Romanen karikiert wähnten. In Italien erhielt er die Drohung seines Verlegers, den neuen Roman "Aaron's Rod" nicht zu veröffentlichen. Auch dieses Werk, das jetzt erstmals unter dem Titel "Aarons Stab" in deutscher Übersetzung vorliegt, war in vieler Hinsicht erneut ein Schlüsselroman, so daß sich mancher unversehens als Romanfigur wiedererkannte: der Hedonist Norman Douglas, der Kritiker John Middleton Murry (Katherine Mansfields Ehemann), ein Freund Oscar Wildes oder ein berühmter Kunsthistoriker. Lawrence hatte das Buch bereits 1918 geschrieben, aber er war jetzt in genau der Situation wie sein Protagonist Aaron: auf der Flucht nicht nur vor England, sondern vor Europa. In England war er während des Krieges wegen seines Zusammenlebens mit Frieda von Richthofen als deutscher Spion verdächtigt worden. Italien war sozusagen das Ausgangstor für die Europaflucht.

"Aarons Stab" ist ein stark autobiographisch getöntes, lose zusammengeschriebenes Wanderbuch: Der Mann mit der Flöte - darauf bezieht sich der Titel - läßt Frau und Familie im Bergbaumilieu der Midlands im Stich und zieht erst in London umher, wo er sich in Bohemekreisen aufhält, um schließlich Italien anzusteuern. Der Erste Weltkrieg ist gerade vorbei, so mancher liegt mit der lebensgefährlichen Grippe danieder, es gibt nicht viel zu essen, und so gehört schon einiges an Ego dazu, die Familie sitzenzulassen. Dieses Ego hat ein höchstes Ziel, und das heißt: sich frei machen von allen Bindungen.

Das neunzehnte Jahrhundert mit seinem Fortschritt und Materialismus, das Christentum haben ausgedient. Ein anderer Italienfahrer wetterleuchtet: Nietzsche. Doch neue Bindungen locken und warten an allen Ecken und Enden. Am Horizont der Zeit lodern Feuer: Revolutionen, Kommunismus, Anarchie, Faschismus - alle möglichen Formen von Gewalt und Kollektivismus. Die jungen Leute sind hauptsächlich damit beschäftigt zu hassen: London, England, Europa, die Liebe, das Universum. Aaron fühlt sich angezogen und abgestoßen zugleich von seinen Zeitgenossen wie von sich selbst. Mit einem anderen Individualisten, seinem Moses namens Lilly, bildet er eine Art Doppelgängergespann. Vorbild ist wohl das spannungsreiche Verhältnis zwischen Lawrence und John Middleton Murry, die sich wiederum so ähneln, daß die Personen im Roman kaum auseinanderzuhalten sind. Beiden Figuren ist die Konzentration auf das Eigenste gemeinsam, eine Ablehnung der Masse, aber zugleich sehnen sie sich nach einem Zentrum, nach einer Seele, nach dem Führer.

Lawrence ist denn auch nicht nur von den Prüden als öbszon gebrandmarkt worden, sondern auch von der Linken, die in ihm einen Protofaschisten sah. Solche Behauptungen dienen aber wohl in erster Linie der Selbstentlastung. Lawrence schrieb den Roman "Aarons Stab" mit knapp dreißig Jahren, zu einer Zeit, als Europa ein rauchender Aschehaufen war. Allen Figuren, ob den zynischen oder den leidenden, den hassenden oder den liebenden, ist anzusehen, daß sie am Rande eines riesigen Kraterloches entlangwandeln, die einen schlafwandlerisch, die anderen entsetzt und wie gelähmt. So kann Lawrence auch keinen richtigen Plot entwickeln außerhalb der unruhigen Bewegungen seines entwurzelten Helden, der sich für Freundlichkeiten mit Sarkasmen bedankt. Zu einer Integration seiner selbst kann es gar nicht erst kommen, denn er beobachtet seine Handlungen aus der Ferne, wie ein Marsmensch die Erde, und sie kommen ihm wie ein Naturereignis vor.

Lawrence entwickelt in diesem Roman eine Art Kartographie des Zufalls, mit der er seinen Beitrag zu einer modernistischen Ästhetik leistet. Im Rückblick erscheint diese Planlosigkeit, die den zeitgenössischen Kritikern mißfiel, modern. Wir fühlen uns erinnert an Jack Kerouacs "On the Road", an das Driften der Beat- und Hippiegeneration, an das Aufbegehren der Achtundsechziger, an die Europamüdigkeit des New Age, an die zufälligen Klangmuster eines John Cage. Und dabei geht so manches kaputt, nicht zuletzt Aarons Stab, seine Flöte, die sich nicht etwa in eine Schlange verwandelt, sondern einfach zerbricht. Die Symbolik ist etwas platt geraten, wenn man sie platt psychoanalytisch liest: Aaron hat sozusagen seinen phallischen Wegweiser verloren, der ihn aus der Wüste führen sollte. Phallische Kulte lagen Lawrence; in Florenz genießt Aaron die Männlichkeit der Kunst. Nimmt man jedoch den Stab als Flöte, als harmonisierendes Musikinstrument, so zeigt sich hier auch, daß Lawrence Politik als destruktives Programm durchschaut, denn die Flöte wird bei einer Bombenexplosion zerstört.

Lawrence, den es noch nach Sardinien, Ceylon, Australien und Mexiko verschlagen sollte, der die Etrusker und die Indianer suchte, war in diesen Nachkriegsjahren in einem Umbruch begriffen. Er begann sich einzupendeln auf ein anderes Verhältnis zur Natur, das ihm durch Industrialismus und Puritanismus vollkommen verdorben schien. Die Sinneskaskaden in "Lady Chatterley" - das einzige Buch dieses ungemein produktiven Autors, das hierzulande noch im öffentlichen Bewußtsein ist - sind schließlich Absagen an diese verkrüppelnden Systeme, unter denen er und seine Generation aufwuchsen.

Einige Jahre vor diesem geächteten Roman, etwa zur selben Zeit wie "Aarons Stab", entstand eine kleine poetische Geschichte, in deren Mitte die Entdeckung des Instinkts und der sinnlichen Erfüllung steht. Es ist aber auch die Geschichte einer explosiven Selbstentladung, eines heimtückischen Mordes. Zwei Frauen, die sich zusammengetan haben, um einen kleinen Bauernhof zu führen, werden von einem Fuchs bedroht. Eines Tages schaut Nelly March dem Tier in die Augen und ist davon gebannt, ja gezeichnet. Der Blick hat etwas in ihr geweckt. Bald - der Krieg ist zu Ende - taucht ein junger Soldat auf und nistet sich im Hof ein. Es ist, als habe sich der Fuchs in einen Menschen verwandelt. Denn Henry Grenfel nistet sich eben auch in das Herz jener Nelly ein, zur großen Entrüstung und Enttäuschung ihrer Partnerin. Wenn Lawrence über Tiere schreibt, findet er zu sich; in einigen Passagen verwandelt er selbst sich in einen Fuchs. In höchster Anspannung riecht und beobachtet er die Menschen in ihrer absurden Verstandestätigkeit. Die Geschichte nimmt ein böses Ende, zumindest für Nellys Gefährtin Jill. Der Trieb entlädt sich, als Grenfel einen Baum fällt und diesen auf Jill stürzen läßt. Durch ihren Tod wird das Liebespaar frei, aber ein Schmerz bleibt zurück. Das Kreatürliche hat sich durchgesetzt, doch es hinterläßt tiefe Wunden.

Lawrence scheute vor dem Schmerz genausowenig zurück wie vor der Liebe. Seit seiner Jugend war er dem Tod nah, immerzu bedrängte ihn die Tuberkulose mit Fieberschüben. Fieberhaft war auch sein Schreiben, und man mag ihm darob die Schwächen seines Talents vorhalten - "Ja, aber was für ein Talent!", wie Doris Lessing in ihrem Nachwort ausruft.

David Herbert Lawrence: "Aarons Stab". Roman. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Stefan Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2004. 397 S., geb., 23,- [Euro].

David Herbert Lawrence: "Der Fuchs". Aus dem Englischen übersetzt von Martin Beheim-Schwarzbach. Mit einem Nachwort von Doris Lessing. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 79 S., geb., 11,90 [Euro].

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"Die Erzählung 'Der Fuchs' ist Lawrence pur: Er ist hier auf der Höhe seines Schreibens." (Doris Lessing)