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Fast wäre die deutsche Wiedervereinigung am Widerstand von Margaret Thatcher gescheitert. Die britische Premierministerin war die große Gegenspielerin von Helmut Kohl und kämpfte mit allen diplomatischen Mitteln für ein geteiltes Deutschland. Sie nahm dabei ein hohes politisches Risiko in Kauf - und scheiterte am Ende.
Klaus-Rainer Jackisch schildert Thatchers Einsatz gegen die Wiedervereinigung als ein Stück packende Zeitgeschichte. Zugleich macht er deutlich: Die Wiedervereinigung war alles andere als selbstverständlich.

Produktbeschreibung
Fast wäre die deutsche Wiedervereinigung am Widerstand von Margaret Thatcher gescheitert. Die britische Premierministerin war die große Gegenspielerin von Helmut Kohl und kämpfte mit allen diplomatischen Mitteln für ein geteiltes Deutschland. Sie nahm dabei ein hohes politisches Risiko in Kauf - und scheiterte am Ende.

Klaus-Rainer Jackisch schildert Thatchers Einsatz gegen die Wiedervereinigung als ein Stück packende Zeitgeschichte. Zugleich macht er deutlich: Die Wiedervereinigung war alles andere als selbstverständlich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

In der Welt von 1914
Margaret Thatcher und Deutschland / Von Gottfried Niedhart

Auskunft über das "Wesen der Deutschen" wollte Margaret Thatcher im Frühjahr 1990 von einigen als Deutschlandexperten ausgewiesenen Historikern erhalten, die sie nach Chequers, dem Landsitz des britischen Premierministers, eingeladen hatte. Die "eiserne" Lady suchte nach einer halbwegs seriösen Begründung für ihre Aversion gegen die sich abzeichnende deutsche Einheit, die sie als Gefahr für das Mächtegleichgewicht in Europa empfand. Deutschland war in ihren Augen nicht irgendein Nachbarland. Vielmehr waren von ihm in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die entscheidenden Schläge ausgegangen, die die britische Weltmachtposition erschütterten. Thatcher hatte in den achtziger Jahren in einer zugleich kühn und verzweifelt anmutenden Anstrengung ihr Land noch einmal auf alte Höhen zurückführen wollen. Sie appellierte dabei an Werte und Tugenden, die dem viktorianischen England entstammten. Auch in dieser Erinnerungskultur existierte Deutschland als Kontrahent, ja als Feind, der im Ersten Weltkrieg nur mit amerikanischer Hilfe in Schranken gehalten werden konnte.

Die kollektive Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist in Großbritannien weitaus lebendiger als hierzulande. Auf diese historische Schicht legte sich die bittere Erfahrung mit dem nationalsozialistischen Deutschland, die immer noch in vielen Kreisen dominiert, wenn es in Großbritannien auf das Thema Deutschland kommt. Da nützte es zunächst wenig, wenn die in Chequers versammelten Deutschlandkenner darauf verwiesen, daß in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - und zwar nicht zuletzt als Ergebnis britischer Nachkriegspolitik - eine neue Phase der deutschen Geschichte angebrochen sei und die Bundesrepublik sich zum Partner im Westen entwickelt habe. Außenminister Hurd, ebenfalls in Chequers anwesend, hielt in seinem Tagebuch fest, niemand habe das "übertriebene Mißtrauen" Thatchers geteilt. Alle "waren halb amüsiert, halb deprimiert über ihre Vorurteile".

Thatcher dagegen assoziierte bei Deutschland "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" und wollte, wie sie auch Deutschen gegenüber betonte, "noch einmal 40 Jahre" vergehen lassen, "bis wir vergessen können, was ihr uns angetan habt". Sie beharrte "eisern" auf ihrer ablehnenden Haltung: "Man muß sich der Einheit widersetzen." Damit geriet sie allerdings in doppelter Weise in einen Widerspruch zu bisherigen Festlegungen. Zum einen war es immer die offizielle britische Lesart gewesen, die Lösung der deutschen Frage könne nur in der Wiederherstellung der Einheit bestehen. Zum anderen war gerade Thatcher als kompromißlose Vorkämpferin des Westens im Ost-West-Konflikt aufgetreten, dessen Ende sie sich nur als Sieg des Westens hatte vorstellen können. Er konnte nun verbucht werden. Daß als Nebenwirkung, die über Nacht ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, die Zweistaatlichkeit in Deutschland überwindbar erschien, war eine wenig willkommene Konsequenz.

Der Autor zeigt in seiner farbig gehaltenen und unterhaltsam erzählten Darstellung, die auch über die großen Linien britischer Außenpolitik und speziell der Deutschland- und Europapolitik informiert, daß Thatcher mit ihren Ängsten und Phobien keineswegs allein stand. Nicht nur aus englischer Sicht erschien es vorteilhaft, wenn das deutsche Potential auf zwei Staaten verteilt war. Selbst in der Bundesrepublik war die Stimmung anfangs eher zurückhaltend. Bundeskanzler Kohls Zehn-Punkte-Plan von Ende November 1989 erschien vielen als realitätsfern. Für Thatcher war es zudem ein Schritt, der gar nicht in der Kompetenz von Kohl lag. Denn die alte Bundesrepublik war in Fragen, die Deutschland als Ganzes und Berlin betrafen, nicht souverän und hätte, formal betrachtet, dieses Feld den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs überlassen müssen. Wie Kohl haben auch Adenauer oder Brandt in entscheidenden Weichenstellungen der Nachkriegszeit solche Restriktionen nicht peinlich genau respektiert und konnten sich so durchsetzen.

Thatcher geriet in ihrer Intransigenz zunehmend in eine Außenseiterposition und war gezwungen, Schritt um Schritt nachzugeben. Zum Schluß konnte sie den vor allem von den Vereinigten Staaten vorangetriebenen Vereinigungsprozeß noch nicht einmal verzögern. Isoliert waren sie und ihre Getreuen in Whitehall aber auch in Großbritannien, wo die politische Elite im Unterschied zur Regierungschefin und zum publizistischen Massenmarkt einem realitätsnäheren Deutschlandbild folgte und die Bundesrepublik als europäische Mitführungsmacht, aber nicht als Bedrohung wahrnahm. Der Verfasser hatte es daher leicht, hochrangige Interviewpartner zu finden, die ihm Auskunft gaben und seine Hauptthese untermauerten. Thatchers "eisernes Vorgehen gegen die Einheit" dürfe nicht vergessen lassen, daß es andernorts - und nicht zuletzt im Foreign Office - eine "klare Unterstützung für die Einheit" gegeben habe.

Klaus-Rainer Jackisch: Eisern gegen die Einheit. Margaret Thatcher und die deutsche Wiedervereinigung. Societäts-Verlag, Frankfurt 2004. 360 S., 22,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Eiserne Lady traute den Deutschen nicht über den Weg. Ganz und gar nicht. Konnte man eine Wiedervereinigung tatsächlich zulassen? Würde sich ein solches Entgegenkommen nicht früher oder später rächen? Man brauchte doch nur an den Ersten Weltkrieg zurückzudenken und dann an die Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft... Auf dem Landsitz des Premiers, Chequers, berief Margaret Thatcher 1990 eigens eine Historikerkommission zusammen, die das "Wesen der Deutschen" ergründen sollte. Zwar bestätigten die Sachverständigen einhellig, der einstige Feind habe sich zum vertrauenswürdigen Partner gemausert. Aber Mrs. Thatcher blieb skeptisch, und das mit einer Sturheit, die, wie Außenminister Hurd privatim notierte, halb amüsant, halb deprimierend war. Unterhaltsam und farbig, so Rezensent Gottfried Niedhart, schildert Klaus-Rainer Jackisch in seinem Buch "Eisern gegen die Einheit", wie sich Mrs. Thatcher mit ihren ängstlichen Ressentiments mehr und mehr auch innerhalb ihres europäischen Kollegenkreises isolierte. Von Erfolg gekrönt war, wie man weiß, ihre Paranoia nicht.

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