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Die These von einer Achsenzeit in der WeltgeschichteDie zentrale Annahme dieses Buches ist die universalgeschichtliche These von einer Achsenzeit (880-200 v. Chr.) in der Weltgeschichte, in der voneinander unabhängig in China, Indien und dem Abendland strukturell ähnliche kulturelle Revolutionen und Aufbrüche erfolgt sind. Inwieweit diese Aufbrüche für das kulturelle Leben in der Gegenwart weiterhin bedeutsam sind, wird heute in kulturwissenschaftlichen Disziplinen wie der Religions- und Kultursoziologie, der vergleichenden Kulturtheorie, der Theorie der Moderne u.a. neu diskutiert.Neben der…mehr

Produktbeschreibung
Die These von einer Achsenzeit in der WeltgeschichteDie zentrale Annahme dieses Buches ist die universalgeschichtliche These von einer Achsenzeit (880-200 v. Chr.) in der Weltgeschichte, in der voneinander unabhängig in China, Indien und dem Abendland strukturell ähnliche kulturelle Revolutionen und Aufbrüche erfolgt sind. Inwieweit diese Aufbrüche für das kulturelle Leben in der Gegenwart weiterhin bedeutsam sind, wird heute in kulturwissenschaftlichen Disziplinen wie der Religions- und Kultursoziologie, der vergleichenden Kulturtheorie, der Theorie der Moderne u.a. neu diskutiert.Neben der These von der Achsenzeit wird in Vom Ursprung und Ziel der Geschichte u.a. der Stellenwert von Wissenschaft und Technik in der Moderne erörtert; es werden Überlegungen über eine mögliche Welteinheit (im Sinne eines Weltfriedenszustandes) angestellt sowie zeitgeschichtliche Tendenzen in der Politik (z.B. Totalitäts- und Planungsideologien) kritisiert, die im Gegensatz zu Jaspers' liberalem Ethos der Freiheit und der Humanität stehen.
Autorenporträt
Der Herausgeber Kurt Salamun, em. Professor am Institut für Philosophie der Universität Graz. Mitherausgeber des Jahrbuchs der Österreichischen Karl-Jaspers-Gesellschaft (1988-2015) sowie weiterer Publikationen zu Karl Jaspers.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2017

Europa begann nicht im Zwischenstromland
Die Entdeckung der Achsenzeit: Karl Jaspers' Buch "Vom Ursprung und Ziel der Geschichte" bietet immer noch aufschlussreiche Lektüre

Er gehörte zu den bekanntesten Intellektuellen der frühen Bundesrepublik - und ist heute, anders als seine Schülerin Hannah Arendt, die mit einer Arbeit zu Augustinus von ihm promoviert wurde, aus dem öffentlichen Bewusstsein weitgehend verschwunden. Viel diskutiert wurde einst die 1946 veröffentlichte Abhandlung über die Schuldfrage, ebenso die Bücher "Die Atombombe und die Zukunft der Menschheit" und, kurz vor seinem Tod 1969, "Wohin treibt die Bundesrepublik?".

Mit dem vier Jahre nach Kriegsende publizierten Werk "Vom Ursprung und Ziel der Geschichte" hingegen konnten Historiker wie Philosophen seinerzeit wenig anfangen; es gab respektvolle Rezensionen, kaum mehr. Doch ein von Jaspers gleich zu Anfang des Buches geprägter Begriff machte Karriere: die Achsenzeit. Der Geschichtsdenker bezeichnete damit einen, wie er es nannte, geistigen "Durchbruch" in der Menschheitsgeschichte, der in drei Großregionen der Welt ohne gegenseitige Beeinflussung zwischen 800 und 200 vor Christi Geburt Bemerkenswertes hervorgebracht habe: In China wirkten Konfuzius und Laotse, in Indien Buddha, im Abendland Gestalten wie Zarathustra in Iran, die Propheten im alten Israel, in Hellas die Dichter, Philosophen und Gelehrten von Homer bis Archimedes.

Die Ballung großer Geister in einem freilich nicht ganz kurzen Zeitraum war keine neue Entdeckung, aber Jaspers fand dafür das zündende Wort. Seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebt die Achsenzeit eine Renaissance in der Religionssoziologie, der vergleichenden Kultur- und Zivilisationstheorie sowie der Theorie der Moderne und Globalisierung. Bis heute wird der Begriff als eine philosophische Basis im Bemühen um interkulturelle Verständigung benutzt.

Diese späte Karriere des hinreichend schillernden Begriffs leuchtet manchen ein, anderen weniger. Jaspers' Entwurf hatte aber vieles zu bieten, was dem Zeitgeist entgegenkam. Er gab den geistigen Kräften des Menschen Vorrang und passte so zu der damals verbreiteten Annahme, der Materialismus sei für die Katastrophengeschichte Europas seit dem Ersten Weltkrieg verantwortlich, und ein neuer, zeitgemäßer Humanismus bilde das Gebot der Stunde. Nicht Eroberer, Reichsgründer oder Bahnbrecher ökonomisch-technischen Fortschritts machten in der Achsenzeit den Durchbruch aus, sondern Schöpfer geistig-religiöser Sinnsysteme und Lebensordnungen. Überdies war die hier vorgestellte Geschichte frei von Zwangsläufigkeiten: Indem er eine von der Menschheit einmal verwirklichte Option skizzierte, die zugleich stets Aufforderung und Aufgabe für die Zukunft bleibe, nämlich Selbstreflexion, Individualität, Rationalität, Differenzierung und Transzendenz, vermied Jaspers konsequent den Historizismus, den Karl Popper ungefähr gleichzeitig als Bösewicht identifizierte, also die Annahme von Gesetzmäßigkeiten oder sogar Unausweichlichkeit in der historischen Entwicklung, wie sie dem kulturpessimistischen Spengler-Flügel im bürgerlichen Lager wie auch dem fortschrittsbesessenen Marxismus eigen war.

Typologisch gesehen, gehört das Achsenzeit-Konzept zwar zum Denkmodell eines synchronen Parallelismus der Kulturen, aber bei Jaspers fehlt jeder Anklang an Vorstellungen von Lebenszyklen und organologischen Kulturentwicklungen. Diese Befreiung des großmaßstäblichen Geschichtsdenkens von einer verfehlten Prämisse war eine bedeutende Leistung. Selbst eine kausale Herleitung des diagnostizierten Durchbruchs versagte sich Jaspers; dieser trat vielmehr spontan auf - man würde modern von Emergenz sprechen. Wenn eine höhere Humanität einmal so in die Welt kam, dann verliert jede katastrophische Vorgeschichte an Bedeutung - auch das war Balsam in heillos erscheinender Zeit.

Drittens brach Jaspers mit einer zentralen universalgeschichtlichen Idee des neunzehnten Jahrhunderts, nämlich Europa als das vollendete Ergebnis eines Staffellaufs zu sehen, der in Ägypten und Mesopotamien begann, das alte Israel und Iran mitnahm, bevor er in Hellas, Rom und dem Christentum sein erstes und maßgebliches Ziel fand. Wie schon Alfred Weber, von dem er mehr übernahm, als er kenntlich machte, meinte auch Jaspers, am Nil und im Zweistromland habe man zwar Technik und Organisation hoch entwickelt, sei aber an der Schwelle zur Achsenzeit stehen geblieben. Stattdessen China und Indien als gleichberechtigte Großregionen des Aufbruchs - das musste in Zeiten der beginnenden Dekolonialisierung die Rede von der einen Menschheit glaubwürdig erscheinen lassen.

Die Zukunft, begriffen als eine "planetarische", sei offen und verdiene einen skeptischen Optimismus. Sie werde zweifellos durch die moderne Technik geprägt sein, und "was der technische Apparat an Planung und Organisation unumgänglich hervorbringt, wenn er gut arbeiten soll, scheint nicht grundsätzlich unvereinbar mit freier Konkurrenz, Rechtsstaat und menschlicher Freiheit überhaupt".

Die Neuedition im Rahmen der Jaspers-Gesamtausgabe bietet den Text der Ausgabe letzter Hand. Als Mehrwert gegenüber den leicht greifbaren Einzelausgaben erhält man für freilich nicht kleines Geld eine knappe, gehaltvolle Einleitung des Herausgebers und einen Stellenkommentar, der Namen erklärt, Quellen entschlüsselt und werkbiographische Hintergründe erläutert. Nur an einer Stelle ist ein kleiner Unfall passiert: Einen "Augustus Gaius Octavius" hat es nie gegeben.

Zünftige Historiker haben die Frage nach dem Ganzen und dem Sinn der Geschichte mit guten Gründen längst ad acta gelegt. Das ist aber kein Grund, sie nicht zu stellen, zumal das Buch simple, aber treffende Einsichten etwa des Psychologen bereithält, der Jaspers auch war: "Wo Gewalt herrscht, da befällt uns Furcht, - wo das Gesetz herrscht, leben wir in Ruhe. Die Gewalt ist unberechenbar, willkürlich, der Einzelne ist ihr schutzlos preisgegeben. Das Gesetz ist berechenbar, ordnend, der Einzelne hat durch es den Schutz seines Daseins."

UWE WALTER

Karl Jaspers: "Vom

Ursprung und Ziel der

Geschichte".

Hrsg. von Kurt Salamun. Gesamtausgabe I/10. Schwabe Verlag, Basel 2016. 284 S., geb., 84,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Uwe Walter liest Karl Jaspers vier Jahre nach Kriegsende erschienenes Buch mit Blick auf den darin entwickelten Begriff der Achsenzeit neu. Die Renaissance des Begriffs seit den 1980er Jahren in der Theorie der Globalisierung beschäftigt Walter. Die im Rahmen der Jaspers-Gesamtausgabe vorliegende Ausgabe letzter Hand bietet laut Walter als Mehrwert gegenüber den Einzelausgaben eine knappe, aber gehaltvolle Einleitung des Herausgebers Kurt Salamun sowie einen Stellenkommentar, der dem Leser Namen, Quellen und werkbiografische Hintergründe erschließt.

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