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Die Frau des Philosophen «Die Vision war ein Traum - und unversehens wurde der Traum zu einem Trauma.»
Vier Bücher sind von 1961 bis 1968 in renommierten Verlagen unter dem Namen ihres Mannes erschienen: zuerst das vielbeachtete grosse Werk zu Hegels Philosophie des Geistes, dann drei philosophische Bücher zu Pädagogik und Politik. Zwischen 1957 und 1976 erschienen zudem zahlreiche Artikel in wichtigen Zeitungen und Fachzeitschriften. Geschrieben hat sie alle nicht der "bekannte Zürcher Hegelforscher" Wilhelm Seeberger, sondern die Frau des Philosophen, Erna Seeberger-Sturzenegger.
Erna
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Produktbeschreibung
Die Frau des Philosophen
«Die Vision war ein Traum - und unversehens wurde der Traum zu einem Trauma.»

Vier Bücher sind von 1961 bis 1968 in renommierten Verlagen unter dem Namen ihres Mannes erschienen: zuerst das vielbeachtete grosse Werk zu Hegels Philosophie des Geistes, dann drei philosophische Bücher zu Pädagogik und Politik. Zwischen 1957 und 1976 erschienen zudem zahlreiche Artikel in wichtigen Zeitungen und Fachzeitschriften. Geschrieben hat sie alle nicht der "bekannte Zürcher Hegelforscher" Wilhelm Seeberger, sondern die Frau des Philosophen, Erna Seeberger-Sturzenegger.

Erna Seeberger-Sturzenegger wurde 1907 im appenzellischen Teufen als Tochter eines Schuhmachermeisters geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre in Teufen und einem Italienaufenthalt wohnte und arbeitete sie in Zürich. Philosophisch war sie eine völlige Autodidaktin. Während sie sich beruflich von der Stenotypistin zur Privatsekretärin entwickelte, las sie Platon und Aristoteles, Kant, Schopenhauer und Nietzsche, dann Bebel und Marx, schliesslich Hegel, der sie nicht mehr losliess. Ihren Mann unterstützte sie nach Kräften bei der Matur auf dem zweiten Bildungsweg und beim Philosophiestudium bis zur Promotion. Hatte sie geglaubt, mit ihm zusammen auf der Basis gemeinsamer Hegelstudien die Fragen der menschlichen Begabung und Intelligenz tiefer erforschen zu können, sah sie sich in ihrer philosophischen Passion bald alleingelassen. Der Traum wurde zum Trauma.

Die Autorin starb 1995; in ihren drei letzten Lebensjahren hat sie diesen spannenden und facettenreichen autobiographischen Rückblick niedergeschrieben. Sie stellt sich die gleichen Fragen, die auch uns beschäftigen: Wie kann ein Lebensentwurf derart radikal scheitern? Was braucht es dazu an Unehrlichkeit, Täuschung, Egoismus und Trägheit einerseits, Selbstverleugnung, Leidensfähigkeit und Beharrungsvermögen im Interesse der Familie - und der Sache, um die es ihr ging - andererseits? Ein typisches Frauenschicksal?

Ein handfester wissenschaftlicher Skandal!

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2003

Der Mann
ohne Fähigkeiten
Erna Seebergers Tagebuch
einer zerstörerischen Symbiose
Nicht immer verbirgt sich hinter einem männlichen Autornamen auf dem Deckblatt auch ein Verfasser des nämlichen Geschlechts. So traten, um leichter Verlag und Publikum finden zu können, die Bronte- Schwestern als Gebrüder Bell in die literarische Öffentlichkeit. Von Colette wissen wir andererseits, dass ihr Gatte sie angeblich bisweilen so lange einzusperren pflegte, bis sie etwas lieferte, das er dann unter seinem Künstlernamen „Willy” drucken ließ. Eine seltsame Mischform zwischen selbstgewähltem Pseudonym und einer Variante der Kategorie „enteignetes Schreiben” ist das Werk von Erna Seeberger, deren Arbeiten zu Hegel in den sechziger Jahren unter dem Namen ihres Mannes Wilhelm Seeberger erschienen. Im Alter von 85 Jahren trennte sie sich von ihm und verfasste in den drei Jahren bis zu ihrem Tod 1995 ihre Erinnerungen, oder besser: eine Abrechnung mit ihrem Mann, der heute in einem Altenheim leben und der Veröffentlichung zugestimmt haben soll.
Gewidmet ist der autobiographische Rückblick „jungen vertrauensseligen Frauen”, und gewissermaßen handelt es sich tatsächlich um das Dokument einer missglückten Emanzipation. Erna Seeberger war bei ihrer Eheschließung nicht mehr jung, sondern an die vierzig Jahre alt und von einer für die damaligen Zeit beachtlichen beruflichen Selbständigkeit. Sie war in einem kleinen Ort im Kanton Appenzell in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, hatte sich aber nach einer kaufmännischen Lehre Sprachenkenntnisse angeeignet und schließlich als Direktionsassistentin gearbeitet. In den dreißiger Jahren war sie für kurze Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei, interessierte sich für die Frauenbewegung und begeisterte sich für Hegel und die Philosophie, deren Kenntnis sie sich im Selbststudium aneignete. Und es fehlte nicht an Plänen für ihre weitere berufliche Zukunft, die sie in einer sozialen und beratenden Tätigkeit sah.
Experiment im Freilandlabor
Um dann einen Mann zu heiraten, der ihr Klient in einer Familienberatungsstelle war. Das moralische Urteil über ihn fällt schon bei den ersten Begegnungen verheerend aus: ein „unentschlossener Zauderer” und „innerlich schwacher Mensch”. „Vom Traum zum Trauma” lautet der Untertitel des Rückblickes, doch es lässt sich kaum nachvollziehen, woran sich unter diesen Voraussetzungen ein „Traum” entzündet haben könnte. Die gemeinschaftliche geistige Arbeit, die ihr vorschwebte, bestand zunächst darin, dass er über den zweiten Bildungsweg die Matura nachholen und vielleicht sogar studieren sollte. Er fasste diesen Plan möglicherweise in dem Maße ebenfalls als ein gemeinschaftliches Vorhaben auf, als ihm gedämmert haben muss, dass er dazu alleine nie in der Lage sein würde.
Sie übernimmt den Part des Dr. Doolittle an einem völlig ungelehrigen Schüler, der kaum eine Äußerung ohne den Nachsatz „hä” oder „oder” zuwege bringt. Sie will etwas aus ihm machen, er belügt sie. Sie versorgt den Haushalt und die Tochter, er immatrikuliert sich. Als er zum ewigen Studenten zu werden droht, drückt sie ihm ihre in der wenigen freien Zeit geschriebene Arbeit über Hegel in die Hand, mit der er sich promoviert. Sein Anteil daran: er hat das Manuskript abgetippt, und nicht einmal das fehlerfrei. Sie will die Arbeit veröffentlicht sehen und verhandelt in seinem Namen mit den Verlagen. Als die finanzielle Situation der Familie prekär wird, beantragen sie eine Projektförderung beim Schweizerischen Nationalfonds. Die Hegel-Arbeit findet in Rezensionen Anerkennung, sie begleitet ihn zum Interview mit dem Tages- Anzeiger, der diskret bemerkt, dass die Antworten „in völliger Harmonie der Ansichten” gegeben wurden: „es wäre kaum möglich gewesen, die individuellen Anteile beider säuberlich auseinanderzuhalten”.
Etwa seit ihrem achtzehnten Jahr, so Erna Seeberger, war sie von einem Problem in ihren Bann geschlagen: die Frage der Entwicklung des menschlichen Geistes. Die sechsundvierzig Jahre, in der das Paar verbunden war, sind eine Art Experiment im Freilandlabor, in das Hegels Theorien ausgepflanzt wurden. Doch ihre „Vorsätze und Arbeitspläne” lassen sich, wie sie schon bald ernüchtert feststellt, mit diesem Mann nicht realisieren. Also verlegt sie sich aufs Beobachten: „Ich hätte allzugern noch gewußt, worauf die leistungsschwache Persönlichkeitsstruktur dieses jungen Mannes zurückzuführen war.”
Vor der Frage, auf die es keine Antwort geben kann, versinkt sie schließlich in Depression, Krankheit und Resignation, aus der sie sich ein letztes Mal befreit, um den vorliegenden Bericht zu verfassen: eine umfassende moralische Analyse von Gatte, Schwiegermutter, Schwager, Schwägerin und schließlich sogar deren Vorfahren, Bildmaterial inklusive. Und kommt zum Schluss: „Dieser Mann war das Opfer einer lebenslangen totalen inneren Verwahrlosung.”
Der „wissenschaftliche Skandal”, mit dem der Verlag das Buch bewirbt, besteht in wenig mehr als der Geschichte eines erschwindelten Doktortitels. Das Buch ist das Tagebuch einer zerstörerischen Symbiose, und es hätte mit der Diskretion behandelt zu werden verdient, die dieser Art von Dokumenten zukommt.
SONJA ASAL
ERNA SEEBERGER-STURZENEGGER: Die Frau des Philosophen. Vom Traum zum Trauma – ein autobiographischer Rückblick. Schwabe Verlag, Basel 2002. 419 Seiten, 19,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein tolle Geschichte, die Uwe Justus Wenzel erzählt: Unter dem Namen Wilhelm Seeberger erschienen Anfang der sechziger Jahre mehrere Aufsehen erregende Schriften über Hegel, darunter das offenbar epochemachende Werk "Hegel oder die Entwicklung des Geistes zur Freiheit", das Seeberger auch den Doktortitel der Universität Zürich einbrachte. Allein, wie sich nun durch die Erinnerungen herausstellt, hat nicht Seeberger diese Werke geschrieben, sondern seine Frau, die einstige Sekretärin, Hausfrau und Mutter Erna Seeberger-Sturzenegger. Die Memoiren der Autorin hat ihre Tochter nun aus dem Nachlass herausgegeben - sogar mit Einwilligung des Vaters, der darin alles andere als gut wegkommt. Zumindest in den Augen seiner Frau, so stellt der Rezensent es dar, war Wilhelm Seeberger ein rechter Taugenichts, ein "kaputter Typ", und entsprechend hart geht Seeberger-Sturzenegger mit der "Trägheit" ihres "Gespons" ins Gericht und mit seinem "verwahrlosenden und in sich selbst verkümmernden Geist", wie Rezensent Wenzel zitiert. Und doch lese sich das Buch nicht allein als späte Abrechnung, meint Wenzel, sondern eher als ein "Dokument der Psychohistorie", verfasst im "Gepräge der Pathografie". Denn eins sei nach der Lektüre wohl klar: Von einer "lebendigen, geistig erfüllten Gemeinschaft der Gatten", wie die Autorin mit Hegel ersehnt hatte, konnte in dieser Ehe, die nie geschieden wurde, keine Rede sein.

© Perlentaucher Medien GmbH
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