Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 10,00 €
  • Gebundenes Buch

Mit einem Geleitwort von Dr. Rolf Holbe Akademie für Palliativmedizin und Hospizhilfe Niedersachsen
Ein Plädoyer gegen die Euthanasie
Die Schlagworte "Demografischer Wandel" und "Gesundheitsreform" beherrschen seit Monaten die öffentliche Debatte in Deutschland. Neben politischen und ökonomischen Gesichtspunkten rücken angesichts der medizinischen Rationierung auch ethische Fragen immer mehr in den Vordergrund. "Ethik am Lebensende" Setzt sich mit dieser Thematik im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung Sterbender auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei die ethische Motivation…mehr

Produktbeschreibung
Mit einem Geleitwort von Dr. Rolf Holbe Akademie für Palliativmedizin und Hospizhilfe Niedersachsen
Ein Plädoyer gegen die Euthanasie

Die Schlagworte "Demografischer Wandel" und "Gesundheitsreform" beherrschen seit Monaten die öffentliche Debatte in Deutschland. Neben politischen und ökonomischen Gesichtspunkten rücken angesichts der medizinischen Rationierung auch ethische Fragen immer mehr in den Vordergrund.
"Ethik am Lebensende" Setzt sich mit dieser Thematik im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung Sterbender auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei die ethische Motivation von Ärzten und Pflegenden:
- Warum wollen wir helfen?
- Wie stehen wir zur Sterbehilfe?
- Wie können Würde und Autonomie des Patienten gewahrt bleiben?
Das Buch spannt den Bogen von verschiedenen philosophischen Ethik-Begriffen hin zur deskriptiven, häufig intuitiven Ethik der Alltagsbegegnung mit Kranken am Lebensende. Instinktiv spüren wir durch das Ansehen des Kranken die Aufforderung zur Hilfe. Der Autor gibt konkrete Ratschläge zur Wahrung der Patientenautonomie und Hilfen zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Exemplarische Texte zur Sterbebegleitung und ein Plädoyer gegen die Euthanasie runden das Werk ab.
Autorenporträt
Gerhard Pott, Prof. Dr. med., Internist und Gastroenterologe, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin der Euregio-Klinik Hannover-Straße, Nordhorn
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2008

Selbstbestimmung - eine Verhöhnung?

Die Sterbehilfedebatte ist auch eine Debatte um die richtigen Begriffe. Kritik an der inflationär benutzten Autonomievokabel üben die Bücher des Theoretikers Dietmar Mieth und des Praktikers Gerhard Pott.

Die Empörung über den ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch, der einer alten, aber keineswegs sterbenskranken Frau die Medikamente zur Selbsttötung beschaffte, ist allgemein. Weshalb eigentlich? Kusch macht geltend, er habe nichts weiter getan, als einem lebensmüden Menschen den Weg zu einem selbstbestimmten und leidfreien Sterben zu eröffnen. Unter der Flagge der Selbstbestimmung segeln auch jene mehr als zweihundert Bundestagsabgeordneten, die die unbegrenzte Gültigkeit von Patientenverfügungen gesetzlich festschreiben wollen.

Wenn aber sogar die antizipierte Selbstverfügung einer Person rechtsverbindlich sein soll, aus welchem Grund will man dann deren aktueller Selbstverfügung eine solche Bindungswirkung absprechen? Ist es nicht geradezu ein Ausdruck dogmatisch verbohrter Inhumanität, Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen, dazu zu zwingen, von Hochhäusern zu springen oder sich vor Eisenbahnzüge zu werfen, weil ihnen gnädigere Mittel nicht zur Verfügung stehen? Und kann ein solches gnädigeres Mittel nicht auch die "erlösende Spritze", also aktive Sterbehilfe sein? Hat man die ethischen und rechtlichen Probleme am Lebensende erst einmal auf den Generalnenner der Selbstbestimmung reduziert, kann es weder darauf ankommen, welche Form der Exekution ihres Entschlusses die sterbewillige Person wählt, noch darauf, von welchen Beweggründen der von ihr einbezogene Helfer bei seinem Tun geleitet wird.

Das Unbehagen des medizinischen Praktikers gegenüber einer am grünen Tisch der Gesunden erdachten Selbstbestimmungsrhetorik findet bei Gerhard Pott beredten Ausdruck. Pott, Chefarzt an einem katholischen Krankenhaus, stellt der Autonomie des lebensunwilligen Patienten, der von der Gesellschaft den Tod verlangt, die Autonomie der Helfer gegenüber, die ihren Patienten nur beistehen könnten, weil sie das Leben bejahten. "Wir wollen das Objekt unserer Zuwendung nicht vernichten, sondern den Tod aus Ehrfurcht vor dem Leben geschehen lassen." Ob dies wirklich noch die allgemeine Auffassung unter Ärzten und Pflegepersonal ist, lässt sich freilich bezweifeln; anonyme Befragungen von Krankenhausmitarbeitern zeichnen ein anderes, weitaus euthanasiefreundlicheres Bild. Zudem hätte Pott mit seinem Verweis auf die Belange der Helfenden lediglich bewiesen, dass Ärzten keine Rechtspflicht zur aktiven Tötung ihrer Patienten auferlegt werden darf. Sein eigentliches Ziel - zu zeigen, dass aktive Sterbehilfe schlechterdings nicht sein soll - erreicht Pott hingegen nicht.

Weitaus subtiler geht der Tübinger Moraltheologe Dietmar Mieth zu Werke. Mieth macht sich über die Verteilung der Argumentationslasten in der gegenwärtigen Sterbehilfediskussion keine Illusionen. Er weiß, dass es längst aussichtslos geworden ist, die Zauberformel "Patientenautonomie" von außen her, im Namen konkurrierender Wertvorstellungen, zu attackieren. Mieth greift stattdessen auf das klassische Argumentationsschema der Ideologiekritik zurück. Er vergleicht die Rhetorik mit der Praxis und fragt, wie viel "Selbst" denn eigentlich in dem vermeintlich selbstbestimmt getroffenen Sterbeentschluss eines Schwerkranken steckt. Selbstbestimmung sei ein sehr schlichtes Wort für eine sehr komplexe Materie. "Manchmal scheint einem, sie werde als Fiktion benutzt, um von sensiblen Faktoren der menschlichen Willensbildung und ihrer Identität zu dispensieren."

Der Selbstbestimmungsgedanke lebt von dem Bild eines freien Subjekts, das die ihm verfügbaren Handlungsalternativen rational gegeneinander abwägt und sich dann für jene Variante entscheidet, welche ihm die überzeugendste zu sein scheint. Dieses Bild auf die Situation eines Schwerkranken zu projizieren müsste uns eigentlich wie eine Verhöhnung des Betroffenen vorkommen, hätten wir uns nicht schon so sehr daran gewöhnt. Zwar wird selbstverständlich keine Entscheidung unabhängig von äußeren Einflüssen getroffen. Aber nirgendwo sonst ist das Gewicht der äußeren Bedrängnisse größer als in der Lage eines Leidenden, der, wie er weiß, auf der letzten Wegstrecke seines Daseins angekommen ist. Wer über einen solchen Menschen nur zu sagen weiß, dass seine Selbstbestimmung gewahrt werden müsse, der macht sich und sein Opfer zu Gefangenen einer propagandistischen Formel.

Wie Mieth zu Recht hervorhebt, ist der Kranke "nur scheinbar befreit, wenn er alle Kontexte und personalen Betroffenheiten auf sich allein nehmen muss". Tatsächlich wird dem Sterbenskranken, der sich zuvörderst nach Gemeinschaft sehnt, eine Einsamkeit zugemutet, die ihn endgültig erdrücken muss. "Das Angebot hilft zur Ausbreitung des Notstandes", so der bittere Kommentar Mieths.

Besonders perfide ist es, wenn diese illusionäre Freiheit gegen die realen Abhängigkeiten ausgespielt wird, die jedes Menschenleben prägen, aber bei Kranken besonders ausgeprägt sind. Weil "Freiheit und Selbstbestimmung kontextlos und abstrakt gedacht werden, medizinische und pflegerische Maßnahmen dagegen als konkrete und angreifbare Handlungen in den Blick kommen", wird es in Mieths Worten möglich, "Vorstellungen von Zwang und Abhängigkeit nur auf der Ebene solcher anschaulicher Handlungen zu provozieren. Selbstbestimmung wird hingegen von weiteren Kontexten und Kriterien befreit, d. h. als Idealbild eingeführt."

Es ist, wie Mieth hervorhebt, nichts Geringeres als ein neuartiger Fundamentalismus, der sich auf diese Weise äußert. "Wenn ,Fundamentalismus' so etwas ist wie eine verkürzte Argumentation, die die Einsicht in andere Argumente und damit deren Integrierung verweigert, dann kann man diesen Vorwurf auch gegenüber den Argumenten, welche eine bestimmte Art der Selbstbestimmung absolut setzen, erheben. Selbstbestimmung als ,liberal' im Sinne von Freiheitsdenken zu reklamieren, Lebensschutz hingegen, der sich an realer Freiheit und Abhängigkeit orientiert, als ,fundamentalistisch' zu diskriminieren, ist mit dem Anspruch an einen fairen und offenen ethischen Diskurs nicht zu vereinbaren."

Die Abwertung einer fürsorgeorientierten Haltung als paternalistisch erleichtert es darüber hinaus, über den Umstand hinwegzusehen, dass der Autonomiegedanke so gut wie nie zur Begründung zusätzlicher Leistungen für Kranke, sondern in aller Regel nur zu dem Zweck herangezogen wird, den Verzicht auf lebensverlängernde, zumeist kostenintensive Maßnahmen nahezulegen. Diese gleichsam halbierte Selbstbestimmungsrhetorik trifft sich auf das beste mit dem gesellschaftlichen Interesse an einer Verbilligung des Sterbens, und der Patient, der mit seinem Sterbewunsch die Unabhängigkeit von Leid und Elend sucht, landet, wie Mieth konstatiert, unvermerkt "in der Abhängigkeit von deren Instrumentalisierung unter den Bedingungen der Kostensenkung".

Zwar ist es, zumal in einer rapide alternden Gesellschaft, unumgänglich, bei der Zuteilung medizinischer Leistungen auch die Frage nach ihrer Finanzierbarkeit in den Blick zu nehmen. Pott geht sogar so weit, den alten Menschen aufzufordern, "in der noch kognitiv klaren Phase seiner letzten Jahre zu überlegen, welche lebensverlängernden Maßnahmen er gegebenenfalls für sich haben möchte und welche nicht". Bei weiter zunehmendem Verbrauch von medizinischen Ressourcen am Lebensende werde man sonst in fünfundzwanzig Jahren eine Euthanasie aus volkswirtschaftlicher Notwendigkeit erzwingen müssen. Eine im Bewusstsein der eigenen Mitverantwortung für das gemeine Wohl vorgenommene Reduzierung der eigenen Forderungen ist aber etwas ganz anderes als die unbewusste Selbstinstrumentalisierung, die sich aus der Übernahme einer in ihren Implikationen undurchschauten offiziösen Sprachregelung ergibt.

Jene Haltung ist nobel, diese ist beklagenswert. Denn, darin sind sich der Theoretiker Mieth und der Praktiker Pott einig, wer in sein Sterben nichts weiter mitnehmen kann als den Stolz auf seinen Eigensinn, der stirbt schrecklich.

MICHAEL PAWLIK.

Dietmar Mieth: "Grenzenlose Selbstbestimmung?". Der Wille und die Würde Sterbender. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008. 116 S., geb., 14,90 [Euro].

Gerhard Pott: "Ethik am Lebensende". Intuitive Ethik, Sorge um einen guten Tod, Patientenautonomie, Sterbehilfen. Schattauer Verlag, Stuttgart 2007. 98 S., 15 Abb., 5 Tabellen, geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Selbstbestimmungsrhetorik in der Sterbehilfedebatte findet Rezensent Michael Pawlik in Gerhard Potts Buch "Ethik am Lebensende". Der Autor, Chefarzt an einem katholischen Krankenhaus, stelle der Autonomie des lebensunwilligen Patienten die Autonomie der Helfer gegenüber. Die Argumentation Potts scheint ihm letztlich nur in dem Punkt erfolgreich, dass Ärzten keine Rechtspflicht zur aktiven Tötung ihrer Patienten auferlegt werden dürfe, nicht aber im Blick auf die eigentliche Intention des Autors, nachzuweisen, dass aktive Sterbehilfe generell nicht sein darf. Hier empfiehlt er Dietmar Mieths Buch "Grenzenlose Selbstbestimmung?", das ihm wesentlich "subtiler" erscheint als das von Pott.

© Perlentaucher Medien GmbH