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Medizinische Terminologie ist öde und langweilig? Klassische Mythologie ein Auslaufmodell? Sprachgeschichte ein Ladenhüter?
Wer sich auf die in diesem Buch zusammengestellten Erzählungen um sagenhafte Namen einlässt, den erwartet eine spannende Serie von etymologischen Aha-Erlebnissen: Wie kam der Atlas zu seiner tragenden Rolle und die Sehne zu ihrem Achilles? Wann gelangte das Ammonshorn ins Gehirn und das Medusenhaupt ans Abdomen? Was verbindet die Parze Atropos mit dem Pharmakon Atropin, und wie lautet die ungeschminkte Wahrheit über Onan?
Für Neugierige steht ein historischer
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Produktbeschreibung
Medizinische Terminologie ist öde und langweilig? Klassische Mythologie ein Auslaufmodell? Sprachgeschichte ein Ladenhüter?

Wer sich auf die in diesem Buch zusammengestellten Erzählungen um sagenhafte Namen einlässt, den erwartet eine spannende Serie von etymologischen Aha-Erlebnissen: Wie kam der Atlas zu seiner tragenden Rolle und die Sehne zu ihrem Achilles? Wann gelangte das Ammonshorn ins Gehirn und das Medusenhaupt ans Abdomen? Was verbindet die Parze Atropos mit dem Pharmakon Atropin, und wie lautet die ungeschminkte Wahrheit über Onan?

Für Neugierige steht ein historischer Nomenklatur-Express zum Einsteigen bereit: Abfahrt bei den Pyramiden und den Stätten der Bibel, Ankunft im Amerika des 21. Jahrhunderts - mit Zwischenstationen in der griechisch-römischen Antike, der magischen Welt des Mittelalters und den modernen Wissensmetropolen Europas. Auf 24 Zeitreisen begegnen wir anmutigen Nymphen und betörenden Sirenen, betrachten den selbstverliebten Narkissosund den vielgestaltigen Proteus, beäugen eindrucksvolle Naturen wie Priapos und Ödipus, bewahren Abstand zu lockenden Aphrodisiaka und gefährlichen Amorbögen und begrüßen abschließend den Lügenbaron Münchhausen und den leidenden jungen Werther. Sie alle haben Spuren im Fachwortschatz der Heilkunde hinterlassen, denn dafür sorgten ihre äußeren Auffälligkeiten und seelischen Schwächen genauso wie hohe Gelehrsamkeit oder mangelnde Bildung späterer Wortschöpfer.

Kurzum: Eine ebenso instruktive wie amüsante Lektüre für Ärzte, Studierende und alle, die an Medizin, Mythologie und Mehrsprachigkeit interessiert sind.
Autorenporträt
Axel Karenberg, Prof. Dr. med., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Professor am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln, unterrichtet seit mehr als 20 Jahren Human- und Zahnmediziner sowie Gesundheitsökonomen in Medizinischer Terminologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2005

Vertrauen Sie dem alten König David, der mit seiner Frischhaltekur Erfolg hatte
Aber trauen Sie keinem Arzt ohne Graecum und Latinum: Axel Karenberg entdeckt die Gestalten der griechisch-römischen Mythologie in der medizinischen Fachsprache

Wer als angehender Arzt kein Latein auf der Schule hatte, muß in die akademische Klippschule, die an den meisten deutschen Universitäten dem Fach Medizingeschichte zugeordnet ist. Medizinhistoriker fühlen sich oft als Nachhilfelehrer mißverstanden; es sei denn, sie nutzen diesen Pflichtkurs, um über die antiken Sprachen Interesse an ihrem Fach zu wecken.

Der Kölner Medizinhistoriker Axel Karenberg demonstriert, daß Terminologiegeschichte kurzweilig sein kann. Er hat sich einen lohnenden Gegenstand für seinen Ausflug in die Sprach-, Medizin- und Kulturgeschichte ausgesucht: die "Mythonyme" - eine Wortneuschöpfung für medizinische Ausdrücke, die auf imaginäre Gestalten der griechisch-römischen Mythologie zurückgehen. Das bekannteste Beispiel ist der Ödipus-Komplex. Probleme dürften die meisten Nichtmediziner mit der Herleitung des Fachausdruckes "Iridektomie" haben, der die operative Entfernung der Regenbogenhaut des Auges bezeichnet. Wer kennt sich in den Sagen des klassischen Altertums so gut aus, daß er die Verse aus Ovids Metamorphosen zitieren könnte: "und die Iris hüllt in den Schleier der tausend / Farben sich schon und erreicht, in geschwungenem / Bogen den Himmel / zeichnend, des Königs Haus, das unter Wolken versteckt liegt" (Buch II, 589 bis 591, Übersetzung Erich Rösch)? Iris ist die Personifikation des Regenbogens und tritt als Götterbotin in Erscheinung. In die Sprache der Medizin gelangte dieses "Mythonym" um 100 nach Christus durch den griechischen Arzt Rufus von Ephesos.

Vertrauter dürften die meisten Patienten mit einer anatomischen Bezeichnung sein: der Achillessehne, die nicht mit der gleichnamigen Ferse zu verwechseln ist. Eigentlich müßte die entsprechende Sehne, die die Wadenmuskeln mit dem hinteren Rand des Fersenbeins verbindet, "Hektorsehne" heißen, wie Karenberg anmerkt. Denn es war der Sage nach dieser trojanische Held, dessen "Sehnen zwischen Knöchel und Ferse" (Ilias, 22. Gesang, 393 bis 396) von Achilles durchbohrt wurden, um den Getöteten leichter über den Kampfplatz schleifen zu können. Wie die Achillessehne so kamen auch viele andere Bezeichnungen, die der griechisch-römischen Sagenwelt entlehnt wurden, erst in der frühen Neuzeit in den medizinischen Fachwortschatz. Weitere Beispiele wären Syphilis (vom imaginären Hirten Syphilus abgeleitet) sowie der Kaiserschnitt (neulateinisch "sectio caesarea"). Gerade der zuletzt genannte Terminus gibt dem Medizinhistoriker so manche harte etymologische Nuß zu knacken. Zum ersten Mal taucht die Bezeichnung für die heute nicht nur bei Popstars und Prominenten populäre Schnittentbindung in der Fachliteratur des späten sechzehnten Jahrhunderts auf. Die deutsche Übersetzung ist für das Jahr 1652 belegt.

Es handelt sich um eine Bezeichnung für einen Eingriff, der im Altertum und das Mittelalter hindurch nie an einer lebenden Frau durchgeführt und der auch nach den ersten wagemutigen Versuchen von Geburtshelfern im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert lange Zeit von Mutter und Kind selten überlebt wurde. "Sprachlich und sprachhistorisch", so Karenberg, "hängt der Terminus mit Julius Caesar zusammen, historisch-faktisch nicht." Denn in römischer Zeit existierte dieser gefährliche chirurgische Eingriff nur in der Phantasie, was der Legendenbildung nicht abträglich war.

Doch nicht nur der lateinisch-griechischen Götter- und Heldenwelt werden noch heute (zum Beispiel das Diogenes-Syndrom) Bezeichnungen für abnorme Organe (zum Beispiel die Zyklopie) oder krankhafte Verhaltensweisen (zum Beispiel die Nymphomanie) entnommen. Auch biblische Personen, über deren reale Existenz wir nur spekulieren können, haben den Weg in die medizinische Fachsprache gefunden. Man denke an Onan, dessen Verfehlungen gegen Gottes Gebot lange Zeit als "stumme Sünde" von der Kirche gebrandmarkt wurden, oder an den Adamsapfel, der Vorwölbung des Schildknorpels.

Nicht mehr im "Pschyrembel", dem medizinischen Fachwörterbuch, und damit nicht in Karenbergs Sammlung ist der Sunamitismus. Gemeint ist der Glaube an die lebensverlängernde Wirkung der - wie es bei den Sunamitisten heißt - "Ausdünstung von jungen, unberührten Mädchen", die das Bett mit älteren Männern teilen, ohne mit ihnen sexuell zu verkehren. Wie man sich bettet, so alt wird man: Beim alten König David hatte diese Art Frischhaltekur angeblich Erfolg (1. Könige, 1, 1 bis 4). Nachbiblisch ist die Figur des Ahasverus, des ewigen Juden, als Namensgeber für das gleichnamige Syndrom, das auch mit "doctor shopping" umschrieben wird.

Die meisten dieser "Mythonyme" sind im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert in die medizinische Fachsprache eingedrungen. Karenberg meint, daß die "Verzauberung durch Wortschöpfung" eine Reaktion auf die Entzauberung der Medizin durch die naturwissenschaftliche Forschung sein könnte.

ROBERT JÜTTE

Axel Karenberg: "Amor, Äskulap & Co". Klassische Mythologie in der Sprache der modernen Medizin. Schattauer Verlag, Stuttgart 2005. 216 S., 55 Abb., 4 Tab., geb., 29,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Kurzweilig" findet Robert Jütte Axel Karenbergs Expedition in die Etymologie medizinischer Begriffe. Er spezialisiert sich dabei auf "Mythonyme", eine eigene Wortschöpfung, die Begriffe bezeichnet, die auf sagenhafte oder historische Gestalten der Antike zurückgehen. Während der Ödipus-Komplex noch eine einfach Übung ist, werde es bei der Iridektomie, der Entfernung der Regenbogenhaut, schon schwieriger, meint Jütte. Iris ist bei Ovid die Personifikation des Regenbogens. Jütte selbst steuert noch ein paar Befunde bei, die bei Karenberg nicht verzeichnet sind, weil sie in der modernen Medizin längst obsolet geworden sind. Jütte findet zum Beispiel den "Sunamitismus" erwähnenswert, den Glauben an die lebensverlängernde Wirkung der "Ausdünstung von jungen, unberührten Mädchen", die sich neben ältere Männer legen, ohne mit ihnen dabei sexuell zu verkehren.

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