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Alissa friert. Nicht nur an Händen und Füßen. In ihrem ganzen Körper ist Winter. Die Ärzte halten das für eine Krankheit. Für einen Virus oder so. Aber Alissa ist nicht krank. Alissa trauert um ihren Vater, der vor einem Jahr tödlich verunglückte. Erst als sie im Traum drei Kindern begegnet, die ein ähnliches Schicksal haben, erkennt Alissa, dass es ganz allein an ihr liegt, die Kälte wieder loszuwerden. (Ab 12 Jahren)

Produktbeschreibung
Alissa friert. Nicht nur an Händen und Füßen. In ihrem ganzen Körper ist Winter. Die Ärzte halten das für eine Krankheit. Für einen Virus oder so. Aber Alissa ist nicht krank. Alissa trauert um ihren Vater, der vor einem Jahr tödlich verunglückte. Erst als sie im Traum drei Kindern begegnet, die ein ähnliches Schicksal haben, erkennt Alissa, dass es ganz allein an ihr liegt, die Kälte wieder loszuwerden. (Ab 12 Jahren)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Helden wie er - im Regen
Die beiden neuen Romane von Zoran Drvenkar

Im Theater wird das manchmal gemacht: Die Inszenierung eines Stückes kommt in einer späteren Saison wieder auf die Bühne, aber der Regisseur hat hier etwas gestrafft, dort etwas erweitert. Es ist die gleiche Inszenierung, aber es ist nicht mehr dasselbe Stück. In der Literatur, besonders der für Kinder und Jugendliche, geschieht das gewöhnlich nicht; zu stark ist der Zwang, immer Neues auf den Markt zu bringen oder zumindest etwas, das neu aussieht. Zoran Drvenkar aber hat es jetzt einfach getan. Der junge Berliner Autor wurde vor zwei Jahren mit dem Buch "Niemand so stark wie wir" bekannt, der offenbar autobiografischen Geschichte einer Jugendclique im Berliner Stadtteil Charlottenburg der siebziger Jahre. Mit "Im Regen stehen", seinem jüngsten Werk, kehrt Drvenkar nun an den Schauplatz und in die Zeit seines ersten Buches zurück, als wäre er einer seiner Helden, der nach den großen Ferien vor dem Haus Nummer sechs in der Philippistraße herumlungert, um zu gucken, was anliegt und ob die Freunde von vor sechs Wochen überhaupt noch Freunde sind.

Sie sind es mehr denn je. Es scheint, als hätte Drvenkar mit diesem neuen Anlauf überhaupt erst den eigenen Ton und Rhythmus gefunden. War sein erstes Buch noch etwas kraftmeierisch - voller gewollt poetischer Sprüche, dazu gespreizte Vergleiche und Bilder -, so ist "Im Regen stehen" straffer, weniger selbstbespiegelnd. Der Ich-Erzähler, der wie sein Autor Zoran heißt, bringt nach wie vor seine markanten Sprüche, und er verzichtet auch nicht auf eigenwillige Vergleiche. Aber all dies ist im Erzählfluss aufgelöst, ragt nicht mehr heraus als ein Hinweisschild auf die Fähigkeiten des Autors. So kann der Leser sich ungehindert durch die Geschichte tragen lassen.

Lebendig wird sie durch Kleinigkeiten wie Seitenblicke und Nebengeräusche. Als den Jungen klar wird, dass sie ihren geliebten Fußballplatz verlieren werden, gehen sie stumm weiter, derart mit der Nachricht beschäftigt, dass an der Ampel keiner von ihnen daran denkt, bei Rot hinüberzugehen. Weil aber Zoran Drvenkar daran denkt, genau dies aufzuschreiben, erhält sein Roman Substanz zum Miterleben, nicht zum Mitdenken. Der Morgen, an dem Zorans Mutter einen Selbstmordversuch unternimmt, ist voller Alltagsgeräusche, denn Zoran sitzt in der Küche und wartet darauf, dass sie endlich aus dem Bad kommt - da achtet man auf jeden Laut. Sei es die vertrocknete Bohne, die Zoran entdeckt und sich in den Mund steckt, als er, von der Mutter vertrimmt und angespuckt, am Boden liegt, sei es der Schokoladenmundgeruch seines Freundes nach dem Fünfmarks-Aldi-Einkauf: Immer erlebt der Leser unmittelbar, aber unmerklich den nächstliegenden sinnlichen Eindruck mit.

"Im Regen stehen" zeigt die Jungen in härterem Licht. Es geht um mehr, wenn man nicht mehr neun ist: Die Schulwahl sortiert die Jungen auseinander, Sex wird wichtig, in den Angebereien ist Drohung, auch unter Freunden. Der Lebenshunger ist groß, jede Erfahrung wird in tiefen Zügen eingeatmet, auch wenn es einem danach übel wird. Straßenstaubig ist ihre Geschichte oder voller Schneematsch, je nach Jahreszeit, jedenfalls immer ehrlich. Drvenkar wagt es, die Energie, die Trostlosigkeit und die trotzige Neugier vorzuführen, mit denen ein Halbstarker Sex und Gewalt erlebt, sucht und meidet. Das macht das Buch für Jugendliche interessant; es braucht dazu keinerlei aktuellen Zeitbezug.

Zoran Drvenkar hat also wahr gemacht, was sein Held den Freunden versprach: "Ich schreibe über uns. Wenn mir nichts anderes einfällt." Es ist ihm aber noch etwas anderes eingefallen. Zeitgleich mit "Im Regen stehen" erscheint von ihm ein Kinderroman. "Der Winter der Kinder" erzählt von Alissa, die ständig friert, weil sie mit dem Tod ihres Vaters nicht zurechtkommt. Das Verantwortungsgefühl für ihre ebenfalls tieftraurige und daher nicht immer ansprechbare Mutter lastet zusätzlich auf ihr. Zum Glück hat sie eine äußerst fidele Oma. So kommt eine schwergewichtige Geschichte zustande, die ganz oben auf der Welle der kinderliterarischen Modethemen schwimmt - Tod und Tränen, abwesender Vater, unfähige Mutter, rettende Senioren - und die für Kinder so lästig sein muss wie ein Besuch bei einem unbegabten Schulpsychologen.

Ist es so schwer, ein Kinderbuch zu schreiben, selbst wenn man ein guter Erzähler ist? Dass der Verlag sich überhaupt dazu entschlossen hat, das Buch über Alissa herauszubringen, spricht dafür - Drvenkars Text war wahrscheinlich noch einer der besten, die zur Auswahl standen. Wenn von ein und demselben Autor zwei so unterschiedliche Werke erscheinen, ist das symptomatisch für die traurige Lage der Kinderliteratur insgesamt. Unter den Jugendbüchern findet man immer einige, denen man anmerkt, dass der Autor seinen Figuren und dem Geschehen nahe ist. Die Schreiber der meisten Kindergeschichten dagegen fischen im Trüben und bringen doch oft nur Belehrung, Anbiederung oder eine erzwungen poetische Sprache zutage, also Langeweile. Die wenigen Autoren, die Kindergeschichten schreiben können, die sich länger als eine Saison halten, sind meist jenseits der sechzig, ausgenommen Kirsten Boie, die ist fünfzig. Was fehlt dem Nachwuchs?

MONIKA OSBERGHAUS.

Zoran Drvenkar: "Im Regen stehen". Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2000. 221 S., br., 12,90 DM. Ab 12 J.

"Der Winter der Kinder oder Alissas Traum". Oetinger Verlag, Hamburg 2000. 196 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelbesprechung beschäftigt sich Monika Osberghaus mit den folgenden zwei Büchern von Zoran Drvenkar:
1) "Im Regen stehen"
Mit diesem Buch ist der Autor zurückgekehrt in die Welt seines ersten Buches "Niemand so stark wie wir", also in die Welt einer Jungenclique im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Aber er hat die Jungen, die älter geworden sind, in "ein härteres Licht" gestellt und erzählt schnörkelloser und weniger gewollt, meint Monika Osberghaus. Tatsächlich findet sie, hat er erst hier "den eigenen Ton und Rhythmus" gefunden. Seine Aufmerksamkeit für Alltags- und Nebengeräusche läßt den Leser noch dichter an die Jungen herankommen und die "trotzige Neugier" nachempfinden, mit der sie "Sex und Gewalt" erleben, suchen und meiden.
2) "Der Winter der Kinder oder Alissas Traum"
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