Produktdetails
  • Verlag: Oetinger
  • Seitenzahl: 206
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 318g
  • ISBN-13: 9783789131417
  • ISBN-10: 3789131415
  • Artikelnr.: 09915143
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2001

Auf schwankenden Planken
Hoihoiho: Carmen Blazejewski und Manfred Theisen erleiden Schiffbruch mit Piraten

Seit je umweht die Freibeuter der Meere eine romantische Aura. Denkt man an Piraten, glitzern Berge aus Gold vor den Augen, und die Lippen schmecken nach Salz. Generationen von Kindern haben sich sehnlich gewünscht, unter der Totenkopf-Flagge über die Meere zu segeln. Doch womöglich hätten sie im Kreis der wilden Gesellen schnell ihre Illusionen verloren. Denn auch Piraten war offenbar die Meinung nicht fremd, Kinder seien "unvernünftige Wesen, die nur Arbeit machten". So jedenfalls erfährt es die blutjunge Stine, als sie endlich bei den Seeräubern angekommen ist. Solange sie sich zurückerinnern kann, ist sie der Überzeugung, nur der legendäre Klaus Störtebeker könne ihr Vater sein und daß ihr Platz an seiner Seite sei. Und auch weil sie viel lieber Hosen trägt als Röcke, wird sie Piratin und ruft bei jeder Gelegenheit aus dem Mastkorb: "Hoihoiho".

Die Leidenschaft für männliche Beinkleider teilt Stine mit Anne Bonny, die dreihundert Jahre später die Zivilisation in den Neuenglandkolonien gegen ein wilderes Leben auf schwankenden Planken in der Karibik eintauscht. Doch auch Anne muß bald ihre romantischen Vorstellungen vom Freibeuterdasein korrigieren. Als sie beobachtet, wie sich zwei berüchtigte Piraten begrüßen, indem sie in einem dumpf auftrumpfenden Ritual die Klingen kreuzen, will es ihr scheinen, als seien die Piraten doch eher "wie verwilderte Kinder".

Daß Carmen Blazejewski und Manfred Theisen erzählen können, haben sie in unterschiedlichen Genres bewiesen und mit ganz verschiedenen Sujets. Um so mehr erstaunt, wie jeder für sich bei Piraten Schiffbruch erleidet. Die 1954 in Sachsen geborene Autorin verfolgt das Leben Stines, die sich für die Tochter Klaus Störtebekers hält und auch bald Gelegenheit findet, sich und ihm den Gleichschlag ihrer Herzen zu beweisen, durch eine Art Schülertheater-Mittelalter und pflastert ihren Weg mit trulligen Sprachklischees aus den Kindertagen der Kinderliteratur. Hingegen läßt Manfred Theisen (Jahrgang 1962) seine historisch verbürgte Heldin Anne Bonny in der ebenfalls belegten Liebesbeziehung zu der Mitpiratin Mary Read ein reichlich tantig beschriebenes Glück finden - doch es endet für beide vor dem Strafgericht.

Der Reiz der Bücher entfaltet sich zunächst recht überzeugend aus dem oszillierenden Miteinander von Wirklichkeit und Erfindung, Belegbarem aus der Geschichte und jener Art von Phantasie, die manche Eltern ihren Kindern abends auf der Bettkante entspinnen. Doch beide Romane geraten unversehens in stürmische See, und es ist, als habe der Steuermann das Ruder plötzlich sich selbst überlassen. Gleichsam von einem Satz zum nächsten verheddern sich die Handlungsfäden wie Taue in der Hand von Landratten. Figuren treten auf, ohne eingeführt worden zu sein, andere verschwinden auf Nimmerwiedersehen, und auch die Sprache der Autoren gerät unversehens vom Schildern ins Schlingern, als sei ihnen das Korsett der historischen Wirklichkeit im Laufe ihrer eigenen Erzählung zu eng geworden, und sie versuchen es abzustreifen, ehe es ihnen gänzlich die Luft abschnürt. Das ist um so unverständlicher, als sie doch nur ihrem eingangs eingeschlagenen Wegen hätten folgen müssen - und der Eigendynamik ihrer Geschichten vertrauen.

Manfred Theisen reicht zum abrupten Ende seiner unvollendeten Biographie den Schwarzen Peter weiter an Daniel Defoe - der Autor des "Robinson Crusoe" hatte 1724 eine "Allgemeine Geschichte der Piraterie" veröffentlicht und darin Stillschweigen bewahrt über das Schicksal von Anne Bonny: womöglich, weil er sie selbst kannte und schützen wollte. Carmen Blazejewski läßt nach der Hinrichtung Störtebekers die immer noch kindliche Stine ins bürgerliche Leben zurückkehren und die verblüffende Frage stellen: "Wie heißt du überhaupt, Mutter?" Die späte Antwort rettet das Buch auch nicht.

ANDREAS OBST

Carmen Blazejewski: "Störtebekers Tochter". Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2001. 203 S., geb., 24,- DM. Ab 12 J.

Manfred Theisen: "Gesucht: Anne Bonny, Piratin". Elefanten Press/C. Bertelsmann Jugendbuch Verlag, München 2001. 159 S., geb., 24,- DM. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Diese Bücher, so Andreas Obst in seiner Rezension, haben einiges gemeinsam, am auffälligsten dabei: beide sind missglückte Werke von Autoren, die zuvor ihr Können bewiesen hatten. Am Piratenstoff sind sie gescheitert.
1) Carmen Blazejewski: "Störtebekers Tochter"
Carmen Blazejewski erzählt von Stine, die sich unter die Seeräuber begibt, in der Hoffnung, ihren vermeintlichen Vater, den legendären Piraten Klaus Störtebeker dort anzutreffen. Der Anfang des Romans, findet Obst, ist noch recht viel versprechend, bald jedoch erleidet die Autorin Schiffbruch: die Folge ist ein ungangenehmes erzählerisches Durcheinander. Ein glaubwürdiges Bild vom Mittelalter zu zeichnen ist der Autorin, wie Obst bedauert, leider auch nicht gelungen, er wähnt sich statt dessen im "Schülertheater" und ist von den "trulligen Sprachklischees" so wenig angetan wie vom ständigen "Hoihoihoi" der jungen Heldin.
2) Manfred Theisen: "Gesucht: Anne Bonny, Piratin"
Die junge Anne Bonny flieht aus Neuengland aufs Piratenschiff in der Karibik - und was sie dort erlebt, hat sie sich so nicht vorgestellt. Die männlichen Piraten erscheinen ihr eher "wie verwilderte Kinder" - kein Wunder, dass sich Anne in eine weibliche "Mitpiratin" verliebt. Diese Romanze jedoch beschreibt der Autor, seufzt Andreas Obst, "reichlich tantig". Genau wie Blazejewski verliere Theisen bald ganz den Erzählfaden, umso unbefriedigender findet der Rezensent das "abrupte Ende". Schuld daran, so der Erzähler, trägt Daniel Defoe, der einst in seiner "Allgemeinen Geschichte der Piraterie" die Geschichte Anne Bonnys nicht zuende erzählt habe. Man darf Andreas Obst so verstehen, dass er das für keine gute Entschuldigung hält.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr