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Yildiz und Aytekin sind ein Paar der zweiten Generation türkischer Migranten in Deutschland. Sie erzählen in diesem Buch ihre Geschichte, die eigene und die gemeinsame. Aytekin erzählt von seiner unglaublich entbehrungsreichen, aber glücklichen Kindheit in einem ostanatolischen Dorf, von der Liebe zu seiner Familie, seiner tiefen Verwurzelung in der türkischen Kultur. Yildiz berichtet von ihren Kinderjahren im Hochhaus einer deutschen Stadt. Von der Isolation der Familie, von dem Zuviel an Sorgen und Verantwortung, die sie zu tragen hatte. Von der heftigen Ablehnung einer Frauenrolle, die ihr…mehr

Produktbeschreibung
Yildiz und Aytekin sind ein Paar der zweiten Generation türkischer Migranten in Deutschland. Sie erzählen in diesem Buch ihre Geschichte, die eigene und die gemeinsame. Aytekin erzählt von seiner unglaublich entbehrungsreichen, aber glücklichen Kindheit in einem ostanatolischen Dorf, von der Liebe zu seiner Familie, seiner tiefen Verwurzelung in der türkischen Kultur. Yildiz berichtet von ihren Kinderjahren im Hochhaus einer deutschen Stadt. Von der Isolation der Familie, von dem Zuviel an Sorgen und Verantwortung, die sie zu tragen hatte. Von der heftigen Ablehnung einer Frauenrolle, die ihr die Mutter vorlebt und die in Unterordnung und Dienstbarkeit besteht. Zwei Kinder türkischer Eltern, deren kultureller Hintergrund kaum unterschiedlicher sein könnte, die sich verlieben, heiraten, Eltern werden. Zwei junge Eheleute, die feststellen, wie schwierig es ist, die eigene Erwartung an das Lebensglück mit der des Partners zur Deckung zu bringen. Anfang der 80er Jahre meldet sich ein
11jähriges türkisches Mädchen allein in der Laborschule Bielefeld an. Das Mädchen ist Yildiz, ihre Eltern sprechen kaum ein Wort Deutsch und so nimmt sie die Dinge selbst in die Hand. Annemarie von der Groeben, die Yildiz Lehrerin wird, findet das Mädchen begabt mit einer sozialen Klugheit, wie ich sie nur selten erlebt habe. Sie begleitet Yildiz durch ihre Schulzeit und wird ihre engste Vertraute, hört die Alltagsgeschichten eines Kindes, das in zwei Welten lebt, einer türkischen und einer deutschen. Sie erfährt von der Liebe zu Aytekin und von ihm lernt sie dann viel über das Leben und Fühlen junger Türken in Deutschland. Irgendwann beschließt Annemarie von der Groeben, die Geschichte von Yildiz und Aytekin aufzuschreiben.
Autorenporträt
Annemarie von der Groeben arbeitete nach ihrem Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie als Lehrerin an Gymnasien. 1976 wechselte sie zur Bielefelder Laborschule, wo sie seit 1989 Didaktische Leiterin ist. Annemarie von der Groeben ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift Pädagogik. Die Universität Bielefeld zeichnete sie mit der Ehrendoktorwürde aus.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2006

Die Welt hinter dem Wissen
„Yildiz und Aytekin” - ein anderes Türken-Buch
Im November vorigen Jahres überschrieb eine große deutsche Zeitung ihren Hauptkommentar mit dem Satz „Wir entdecken die Türken” - die Türken unter uns. Tun wir das wirklich? Was haben wir entdeckt? Was meinen wir zu wissen - außer, dass sie in immer geschlosseneren Stadtvierteln leben, dass ihre Integration nicht voran-, sondern zurückgeht; dass es inzwischen allein in den Berliner Bezirken Neukölln, Kreuzberg, Wedding ein halbes Dutzend Schulen mit über 80 Prozent Migranten-Kindern gibt, was hier „mit Türken-Kindern” heißt (eine dieser Schulen hat überhaupt kein „deutschstämmiges” Kind mehr); dass Integration unter diesen Umständen unmöglich ist - ein leeres Wort, zumal die aufstiegsbewussten und anpassungsbereiten Türken ihre Kinder von diesen Schulen nehmen und anderswo hinschicken; dass jedes vierte Türken-Kind die Schule ohne Abschluss verlässt; dass die älteren Türken kein richtiges Deutsch lernen, die jüngeren kein richtiges Türkisch, was das Selbstbewusstsein der türkischen Mitbürger auf eine harte Probe stellt, es in gefährliche Richtungen treibt; dass der Anteil der türkischen Jugendlichen nicht nur an der so genannten Risikogruppe, deren gemessene Schulleistungen im unteren Drittel liegen, überproportional hoch ist, sondern auch an der Delinquenzquote: Bei Gewalttaten männlicher Jugendlicher sind es zwölf Prozent eines Jahrgangs gegenüber 3,5 Prozent bei den Deutschen; ja, dass, je länger sich junge Türken in Deutschland aufhalten, sich ihre Gewalttaten mehren - am höchsten ist die Gewaltrate bei denen, die in Deutschland geboren sind, einem Land, das „Gastland” zu nennen ihnen schwer fallen dürfte.
Nach all diesen „Entdeckungen” haben wir auch noch die schmerzlichen Enthüllungen der Necla Kelek „aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland” und die kühnen, nein unerbittlichen Forderungen der Hatice Akyün an ihre Landsleute gelesen, haben den Prozess um den Ehrenmord der drei Brüder Sürücü an ihrer emanzipierten Schwester Hatun in den Tageszeitungen verfolgt, haben wenigstens am Kopftuchstreit teilgenommen und sehen mit geschärftem Auge auf die vermummten Frauengestalten in unseren Straßen - längst gewohnt und immer noch fremd. Was in aller Welt machen wir mit diesem sozialpolitischen Albtraum? Das statistische Wissen, das in ihm angehäuft ist, sagt es uns nicht, veranlasst uns vielmehr, weiterzufragen, dürfte der rechte Hintergrund für die Lektüre eines Buches wie des hier angekündigten sein.
„Yildiz und Aytekin” „lehrt” nicht, es „zeigt”; es lässt miterleben, was sich in jener unheimlichen Übergangszone abspielt, die zwischen erster, zweiter und dritter Generation von eingewanderten Türken, zwischen Jungen und Alten, zwischen türkischen Männern und türkischen Frauen, zwischen „Säkularisierten” und Gläubigen, zwischen sich entschlossen der „westlichen” Lebensform Öffnenden und sich an ihre Erinnerungen Klammernden liegt.
Yildiz hat sich mit elf Jahren selbst auf einer bekannten deutschen Reformschule angemeldet, und ihre Eltern haben es zugelassen, weil sie wussten, dass Yildiz dort vor Anfeindungen sicher sein würde.
Aber dann kamen die Anfechtungen der dort gelehrten und gelebten Aufklärung. Yildiz machte sich die Lebensvorstellungen ihrer Schule zu eigen, und sie hielt die Konflikte mit den Eltern aus, weil ihre Lehrerin das Vertrauen der Eltern gewonnen hatte und ihr zur Seite stand. Yildiz - das Wort heißt „Stern” - war ein Star an ihrer Schule. Ihre Lehrerin, Annemarie von der Groeben, schildert, wie sie in das Leben des Mädchens hineingezogen wurde: die Einladung zur Beschneidung von Yildiz’ kleinem Bruder mit Himmelbett, Schleiertuch, Geldscheinen und dem Rauschzustand, in den die rhythmische Musik versetzt; die Klassenfahrt, die mitmachen zu dürfen Yildiz mit der ihr eigenen sanften Hartnäckigkeit durchgesetzt hat, die Freundschaften zu den deutschen Jungen, die an einer instinktiv eingehaltenen Grenze endete; das Warten auf den türkischen Märchenprinzen.
Der kommt eines Tages, heißt Aytekin, ist strahlend schön, höflich, spricht - obwohl erst vor einigen Jahren eingewandert - ausgezeichnet Deutsch. Aber er ist verlobt. Seine Braut, der er als Kind versprochen worden ist und die er nie gesehen hat, wartet in Berlin. Aytekin steckt tiefer in der Tradition seiner anatolischen Heimat, als er selber ahnt. Nach qualvollen Zerwürfnissen und Entscheidungen auf allen Seiten können Yildiz und Aytekin endlich heiraten. Der Rezensent war auf ihrer Hochzeit. Er hat bis dahin nicht geahnt, was sich in Deutschland für gewaltige Ereignisse bei solchen Gelegenheiten abspielen.
Ohne Statistik und Etikett
Seit zehn Jahren gibt es diese Ehe, zwei Söhne, einen ständigen Konflikt über deren Erziehung, über das Verhältnis zu den Verwandten, über den Wunsch der Frau nach mehr als Häuslichkeit - eine Krise, die, wenn irgendetwas, den Namen „Kulturkrise” verdient.
Annemarie von der Groeben hat sich Yildiz’ Not angehört, wollte sich klar werden, was die Schule versäumt oder zu viel getan hat, und hat das aufgeschrieben. Yildiz hat dies gelesen und wollte nun ihre Geschichte dazu erzählen. Man beschloss, dies aufzuzeichnen und gleichzeitig Aytekins Geschichte einzuholen. So ist dieses Buch entstanden, ein Buch über die Welt hinter dem Wissen.
Nie bin ich so unmittelbar in die Lebensnot und Lebensleistung zweier junger Menschen eingelassen worden wie in diesen Berichten. Nun „sehe” ich etwas, was keine Untersuchung, kein Enthüllungsbuch und noch kein Film wiederzugeben vermocht hat: Immer müssen diese ja den Gesetzen ihres Genres folgen - und ihren Adressaten entweder mit Beweisen beeindrucken oder für ihre Botschaft gewinnen oder mit einem Drama erregen.
Hier hingegen spricht das Leben der Menschen in ihrer ungeschönten Sprache und ihren ungeschützten Wahrnehmungen, hart gegeneinander gesetzt und unlöslich verstrickt in die deutsche Umwelt, die ratlos und oft herzlos auf ihre Türken blickt.
In Frankreich haben die Vorstädte gebrannt. Woran werden wir erkennen, dass wir die Entdeckung und Eingliederung „unserer Türken” nicht mit Statistiken, Ausländergesetzen, Ghettoschulen und den Etiketten „Migrantenschicksal” und „Parallelgesellschaft” absolvieren können, sondern dass wir in erster Linie einzelne Menschen verstehen und ihnen beistehen müssen. Wer dahin kommen will, dem wird dieses Buch dabei helfen. Nimm und lies.
HARTMUT VON HENTIG
ANNEMARIE VON DER GROEBEN: Yildiz und Aytekin. Die zweite Generation erzählt. Peter Hammer Verlag, Essen 2006. 157 Seiten, 14,90 Euro.
Längst gewohnt und immer noch fremd: Junge Türkinnen essen Popcorn auf dem Türkisch-Europäischen Kulturfest in Berlin, 2004.
Foto:imago/Seeliger
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Yildiz und Aytekin" stellt das Leben junger Türken in Deutschland dar. Aber was heißt "darstellen"? Das Buch lässt einen dieses Leben selbst erfahren, jubelt der Rezensent Hartmut von Hentig. Aus drei verschiedenen Perspektiven nähert das Buch sich dem schwierigen, widerspruchsvollen und glücklichen Eheleben der Titelhelden. Da ist zum einen die Sicht von Annemarie von der Groeben, die Lehrerin von Yildiz war. Ihrer Darstellung stellt die junge Türkin ihre eigene Fassung der Geschichte an die Seite, und komplettiert wird der Polyperspektivismus durch die Version von Aytekin. Dieses Buch "über die Welt hinter dem Wissen", macht der Rezensent klar, gehe weit über das hinaus, was Statistiken und Presse uns zum Problem der Integration der Türken in Deutschland zu sagen haben. Ein gutes, lehrreiches, ein wichtiges Buch, wie der Rezensent mit Nachdruck betont.

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