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Seit Jahrunderten haben Künstler den Rhein immer wieder gezeichnet, gemalt, gestochen und fotografiert. Jede Künstlergeneration ließ sich neu von ihm inspirieren: von den Meistern der mittelalterlichen Malerei über die Romantiker und die Vertreter der klassischen Moderne bis hin zu Gegenwartskünstlern. Der Band versammelt etwa 70 Rheinansichten aus sechs Jahrhunderten und lädt mit ein zu einer künstlerischen Zeitreise den größten Fluß Europas.

Produktbeschreibung
Seit Jahrunderten haben Künstler den Rhein immer wieder gezeichnet, gemalt, gestochen und fotografiert. Jede Künstlergeneration ließ sich neu von ihm inspirieren: von den Meistern der mittelalterlichen Malerei über die Romantiker und die Vertreter der klassischen Moderne bis hin zu Gegenwartskünstlern. Der Band versammelt etwa 70 Rheinansichten aus sechs Jahrhunderten und lädt mit ein zu einer künstlerischen Zeitreise den größten Fluß Europas.
Autorenporträt
Professor Dr. Jürgen Wilhelm, geboren 1949, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Max Ernst. Er ist Herausgeber und Autor zahlreicher Bücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Fluß hinter Gittern
Jürgen Wilhelm und Frank Günter Zehnder fahren von Mainz aus den Rhein herunter und sammeln Kunst / Von Michael Gassmann

Mit Christi Segen trat Köln in die Geschichte der Städtedarstellungen ein. Der Meister der Verherrlichung Mariens, der um 1480 die Schutzheiligen des frommen Gemeinwesens - Christophorus, Gereon, Petrus - und Anna Selbdritt malte, positionierte sie auf dem Deutzer Ufer, das mächtige Köln in ihrem Rücken. Das Jesuskind, von Christophorus getragen, segnet die Stadt über den Rhein hinweg. Was diese Darstellung so spektakulär macht, sind der Realismus und die Präzision, mit denen der Maler Köln dargestellt hat: Man sieht Bayenturm und Severinstor, St. Severin, Kartäuserkirche, St. Pantaleon, St. Georg, St. Maria Lyskirchen und St. Maria im Kapitol, St. Caecilia, die Antoniterkirche, St. Alban und St. Aposteln, das Rathaus, Groß St. Martin und den unvollendeten Dom, St. Andreas und St. Kunibert und vieles mehr.

Köln eins zu eins - die Bedeutung der Stadt konnte man kaum eindrucksvoller darstellen, als sie Detail für Detail abzumalen. Doch läßt es der Künstler damit nicht bewenden: Er folgt dem Rhein flußaufwärts und zeigt das Siebengebirge mit dem Drachenfels. Auf der anderen Rheinseite erhebt sich Bonn, das fünftürmige Münster und die Minoritenkirche sind klar erkennbar; es handelt sich um die erste malerische Darstellung der Stadt.

Das für die Geschichte der beiden Rheinstädte und die Geschichte der Rheindarstellungen so bedeutsame Gemälde hat nun Eingang gefunden in einen Bildband, der ganz dem Rhein in der Kunst, genauer: Bildern und Ansichten des Rheins von Mainz bis Nijmegen, gewidmet ist. Die Autoren Jürgen Wilhelm und Frank Günter Zehnder beginnen in Mainz und schippern flußabwärts; einige "phantastische" oder "ideale" Rheinlandschaften werden zwanglos integriert, die chronologische Ordnung ordnet sich der geographischen unter.

Die Bedeutung des Bildes des Meisters der Verherrlichung Mariens korrespondiert dabei eigentümlich mit der Bedeutung, die die beiden von ihm ins Licht der malerischen Überlieferung gehobenen Städte Köln und Bonn in diesem Buch spielen: Der gebürtige Kölner Wilhelm (er ist zur Zeit Geschäftsführer des Deutschen Entwicklungsdienstes) und der Wahlbonner Zehnder (er ist Direktor des Rheinischen Landesmuseums) haben ihre Auswahl mehrheitlich aus den privaten und öffentlichen Sammlungen der beiden Städte getroffen; das ist angesichts der Qualität der Kollektionen kein Schaden, aber es fällt immerhin auf, daß die Gegend nördlich von Köln ein wenig zu kurz kommt. Vielleicht hat bei der Zusammenstellung doch der alte Antagonismus von Rheinländern und Niederrheinern mit hineingespielt.

Neben den geographischen Präferenzen drückt sich in der Einleitung Jürgen Wilhelms (nicht aber in der Bildauswahl) eine klare Vorliebe fürs zwanzigste Jahrhundert aus. Während die Geschichte früherer Rheindarstellungen, ja selbst die überreiche Produktion im Gefolge der Rheinromantik nur gestreift werden, entfaltet Wilhelm den ganzen Reichtum der rheinischen Künstlergruppierungen seit 1900 und benennt damit die Städtetrias Bonn-Köln-Düsseldorf als ein wichtiges künstlerisches Kraftzentrum in der ersten Jahrhunderthälfte: Die "Rheinische Sezession" 1911 in Köln, die "Internationale Ausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler" 1912 ebenda, welche französische Kunst ins Rheinland brachte, außerdem die von August Macke initiierte, den "Rheinischen Expressionismus" begründende Ausstellung in Bonn 1913. Nach dem Ersten Weltkrieg zeugen der "Aktivistenbund" und "Das junge Rheinland" in Düsseldorf und die Dada-Zentrale Max Ernsts in Köln von der Innovationskraft des deutschen Westens. Nach dem Zweiten Weltkrieg schießen wiederum Gruppen wie Pilze aus dem Boden: "Rheinische Künstlergemeinschaft", "Rheinische Sezession" und "Neue Rheinische Sezession", die "Donnerstags-Gesellschaft" in Alfter und der "Junge Westen" bemühen sich um den Austausch und die Bündelung aktueller Kunstströmungen.

So viele Strömungen, so viele Wege der Beschäftigung mit dem Strom, an dem man lebt oder entlangreist. Der Bildband macht bekannt mit einem Beispiel des rheinisch-expressionistischen Frühwerks von Hans Trimborn (1891 bis 1979), der 1917 das Gasthaus mit Rheinterrasse seiner Großeltern in Godesberg in kühlen Farben einfängt: Vor der Kulisse des Siebengebirges entfremdet sich eine Tischgesellschaft. Der achtzehnjährige August Macke malt 1905 Angler am Ufer mit karikierendem Unterton. Alexander Kanoldt zeigt sich 1907 vom Pointillismus beeindruckt und gestaltet unter dem starken französischen Einfluß eine nicht näher bestimmte Rheinlandschaft. Franz Maria Jansen sieht den "eisernen Rhein" 1913 als qualmende Industrielandschaft. Auch Leo Breuer fasziniert 1927 die Industrie am Fluß: Seine Zementfabrik in Oberkassel produziert lautlos und menschenleer. Nicht sehr viel später ist August Sander mit der Kamera unterwegs; die Rheinschleife bei Boppard, das Siebengebirge, den breiten Strom bei Dormagen fotografiert er so vom erhöhten Standpunkt, daß die Landschaften von einer künstlichen Lichtquelle beleuchtete Modelle zu sein scheinen. Nach dem Zweiten Weltkrieg läßt das Interesse am Rhein unter den Malern nach. Die, die sich dennoch mit ihm beschäftigen, kommen um eine Auseinandersetzung mit dem "Mythos Rhein" nicht herum, auch wenn sie ihm zu entkommen suchen: Andreas Gurskys "Rhein" von 1996 ist ein gesichtsloser Kanal hinter dem Deich - eine bewußte Negierung alles Malerischen, Romantischen, Idyllischen. Anselm Kiefers "Rhein" hingegen, 1982/83 entstanden, zeigt den Fluß hinter schwarzen Balken. Sind es Baumstämme? Gitterstäbe? Unten der Fluß, oben ein Stück faschistischer Architektur, von Kiefer als "des Künstlers Atelier" benannt: eine mehrdeutige Auseinandersetzung mit den politisch-mythischen Aspekten des deutschen Flusses.

Anhand der zahlreichen romantischen Rheinlandschaften läßt sich die Genese dieses Genres gut verfolgen: Die fantastischen Rheinszenen eines Herman Saftleven d.J. aus der Mitte und Jan Griffier d.Ä. vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts fanden um 1800 reißenden Absatz in England und stimulierten wohl auch die Auseinandersetzung englischer Künstler mit der Rheinlandschaft. Turner zog es immer wieder dorthin, und so ist er bei Wilhelm und Zehnder gleich mehrfach vertreten. Freilich legt Zehnder in seinen Kommentaren wohl zuviel Betonung auf den "idyllischen" Charakter der Aquarelle Turners. Selbst das gar nicht große gotische Hochkreuz zwischen Bonn und Godesberg wird bei ihm zum mächtigen Monument, neben dem sich die vorbeiziehenden preußischen Truppen recht unbedeutend ausmachen; und der Himmel über der scheinbar friedlichen Szene bei Neuwied und Weissenthurm droht unterschwellig mit fürchterlicher Naturgewalt. Ansonsten sind Zehnders Bilderläuterungen nützlich auch aufgrund geschichtlicher und baugeschichtlicher Informationen - das Kunstbuch hat in dieser Hinsicht Reiseführerqualitäten.

Lohnend wäre gewiß eine Einbeziehung des Rheins zwischen Mainz und Basel gewesen. Am Oberrhein, wo "Deutschlands Strom" auch heute noch "Deutschlands Grenze" ist, hat der Fluß nach wie vor eine politische Dimension. Die neue Straßburger Stadtregierung hat jüngst alle von Cathérine Trautmann initiierten bilateralen Projekte gestoppt. Eine Bahnverbindung von Breisach über den Rhein nach Colmar kommt nicht zustande. Selbst noch in Neuf-Brisach gibt es keine Straßenschilder, die auf die ältere Schwester Breisach verweisen. Wo ist der Sonderbund, der die Brücke bauen hilft?

Jürgen Wilhelm, Frank Günter Zehnder: "Der Rhein". Bilder und Ansichten von Mainz bis Nijmegen. Greven Verlag, Köln 2002. 224 S., 126 Farb-Abb., geb., 49,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Michael Gassmann hat mit viel Gewinn die von Jürgen Wilhelm und Frank Günter Zehnder vorgelegten Rhein-Bilder studiert. Der Band mit "Reiseführerqualitäten" zeige aufschlussreiche und wertvolle Rhein-Gemälde verschiedener Epochen und überzeuge durch ihre kompetente Kommentierung. Allerdings haben die Autoren auf ihrer kunsthistorischen Fahrt durch Rheinlandschaften für den Rezensenten zu stark ihre Heimatstädte Köln und Bonn "ins Licht der malerischen Überlieferung" gehoben und den nördlichen Teil fast ausgelassen. Gassmann sieht bei der - qualitativ unbestritten hochwertigen -Zusammenstellung der Bilder den alten Antagonismus von Rheinländern und Niederrheinern vorherrschend. Ferner konzentriere sich der kundige Darstellungsteil zu sehr auf das 20. Jahrhundert. An der Analyse des Rheinmythos und seiner angelsächsischen Rezeption hat Gassmann wenig auszusetzen. Bei allem Lob hätte sich Gassmann noch die Einbeziehung des politisch brisanten Oberrheins in das gelungene Buch gewünscht.

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