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Die vorliegende Studie unternimmt den Versuch, Themen und Motive der Bibliothek an ausgewählten, besonders markanten Beispielen, in erster Linie aus den romanischen Literaturen, bis ins 20. Jahrhundert hinein - mit dem Schwerpunkt auf der Zeit vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts - zu verfolgen. Die Fülle des Materials wird in einzelnen typologischen Komplexen zur Sprache gebracht.

Produktbeschreibung
Die vorliegende Studie unternimmt den Versuch, Themen und Motive der Bibliothek an ausgewählten, besonders markanten Beispielen, in erster Linie aus den romanischen Literaturen, bis ins 20. Jahrhundert hinein - mit dem Schwerpunkt auf der Zeit vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts - zu verfolgen. Die Fülle des Materials wird in einzelnen typologischen Komplexen zur Sprache gebracht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Bücher ohne Leser
Dietmar Rieger besucht Bibliotheken in der Literatur
Der erste Satz eines jeden Buchs, welcher Art auch immer, stellt den kritischen Punkt dar, an dem sich entscheidet, ob es den Leser zu gewinnen vermag. Was soll man also von einem Buch halten, das so anfängt?
„Dass Bücher und Bibliotheken in fiktionaler Literatur keine Wörter, keine Gegenstände bzw. Örtlichkeiten wie andere sind und auch da, wo sie vordergründig eine in erster Linie denotative Funktion zu erfüllen scheinen und ihre Präsentation gleichsam überprüft, verifiziert werden kann, in der Regel nicht auf einen bloßen ,effet de réel‘ aus sind, ja sein können, sondern ,mise en abyme‘-verdächtige, in jedem Fall aber meist über ihre Materialität intertextuell und symbolisch weit hinausweisende, ,vision du monde‘-bezogene Metabegriffe und Metaobjekte darstellen, ist schon seit langer Zeit Teil unseres literarischen Bewusstseins und durch den Welterfolg von Umberto Ecos , Il nome della rosa‘ mit seiner geheimnisvollen Klosterbibliothek und die damit verknüpfte besondere Aufwertung, die Jorge Luis Borges’ ,Erzählung‘ ,La biblioteca de Babel‘ erfahren hat, lediglich zu besonderer Virulenz gelangt. ”
Nicht leicht erschließt sich, worum es in dem Buch des Romanisten Dietmar Rieger „Imaginäre Bibliotheken – Bücherwelten in der Literatur” eigentlich geht. Rieger legt die Latte für das Verständnis fast so hoch wie der Turm von Babel gebaut war (von dem vielfach die Rede ist), indem er in seinen langen Zitaten die Kenntnis des Französischen, Italienischen, Spanischen und Englischen verlangt; lediglich bei Latein und Altfranzösisch macht er Konzessionen.
Um Bibliotheken in der Literatur also dreht es sich, unter besonderer Berücksichtigung französischer und italienischer Autoren und der Zeit vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Die einzelnen Kapitel gruppieren ihr Material nach Aspekten wie „Bibliotheken – Macht und Zerstörung”, wobei das Feuer als die große Gefahr alles Geschriebenen lauert, „Bibliothek und literarischer Kanon”, „Ich, Bibliothek und Wirklichkeit”. Der Befund lautet, kaum überraschend, dass die Zweifel an der Bibliothek als dem Hort der Wahrheit proportional zu den Bücherbergen selbst anwachsen.
Man erlebt, in Nacherzählungen, wie Pfarrer, Barbier und Nichte zusammen Don Quijotes gefährliche Sammlung von Ritterbüchern den Flammen überantworten und wie Des Esseintes, der ästhetizistische Protagonist von Huysmans’ „A Rebours” sich Sonderdrucke von Baudelaire in der Auflage von genau einem Exemplar anfertigen lässt, um sich den Kunstgenuss nicht mit dem Pöbel teilen zu müssen. Die interessantesten Dinge, etwa was der nachmalige Bibliothekar Casanova zu den Gemeinsamkeiten von Büchern und Frauen zu sagen hat, werden in die Fußnoten abgedrängt. Insgesamt leidet der Band an der Crux des stoff- und motivgeschichtlichen Ansatzes: Entweder man kennt die Werke, auf die der Verfasser sich bezieht, dann erfährt man über sie nicht viel Neues; oder man kennt sie nicht, und dann bleiben sie einem undeutlich.
Am ergiebigsten erweist sich das erste Kapitel, das es mit dem langsamen Wandel der Bibliothek im Mittelalter zu tun hat; hier bezieht sich der Text auf zahlreiche Bilder der Zeit, die er kenntnisreich zum Ganzen einer historischen Entwicklung zusammensetzt. Zuletzt freilich bleibt der Eindruck: Diesem Buch (das von der DFG gefördert wurde) scheint die Festigkeit des akademischen Rituals, dem es entspringt und angehört, die Rücksicht auf den Benutzer entbehrlich zu machen. Mit den Bibliotheken, von denen es handelt, und die es geheckt haben – so, wie ein Bankkonto Zinsen heckt, auch wenn niemand hinschaut und fast automatisch –, steht es im Bund gegen den Leser. BURKHARD MÜLLER
DIETMAR RIEGER: Imaginäre Bibliotheken – Bücherwelten in der Literatur. Wilhelm Fink 2002. 389 S., 46,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Was las eigentlich Kapitän Nemo?
Über Leser und imaginäre Bibliotheken / Von Joachim Kalka

Die Bücher sind voll von Lesenden, viele der großen Figuren unserer Literatur sind geradezu als Lesende zu definieren - Emma Bovary, Don Quijote, Paolo und Francesca - "an jenem Tage lasen wir nicht weiter". Zu dieser in tausend naiven und raffinierten Reflexionsschleifen in die Literatur eingebauten Selbstbespiegelung gehört auch die Errichtung imaginärer Bibliotheken. Während einerseits der Abgesang auf das Lesen im Zeitalter der Elektronik immer stärker anschwillt, scheint den Bibliotheken eine paradoxe Faszination zuzuwachsen, scheint sich um sie im Augenblick ihres möglichen historischen Verblassens eine um so leuchtendere Aura zu sammeln. Der prophetische Text hierzu war Borges' "Die Bibliothek von Babel" - kurz, gnomisch, fürchterlich; ihn hat Umberto Eco lang, wortreich, ironisch-gemütlich ausgestülpt. Mittlerweile scheint die Bibliothek, betrachtet man ein Buch wie den kürzlich erschienenen manierierten Roman "The Grand Complication" von Allen Kurzweil, bereits so etwas wie ein kokett zelebriertes Kultobjekt. Nun befassen sich zwei neue Studien mit dem Thema "Literatur in der Literatur".

Die Studie "Bücher über Bücher. Das Medium Buch in Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts" von Jürgen Nelles nimmt sich deutsche und englische Romane des benannten Zeitraums vor und untersucht die Rolle der Bücher, die Robinson Crusoe aus dem Wrack rettet, die in Schnabels "Insel Felsenburg" eingebauten archivalischen Phantasien, den Umgang, den Richardsons Clarissa und Gellerts "Schwedische Graefinn von G***" mit Büchern und Bibliotheken nehmen, die Funktion der Bücher in Romanen von Fielding und in Sophie von la Roches "Geschichte des Fräuleins von Sternheim", dann "Bücherszenen in Goethes Romanen" und schließlich zwei Formen des Biblio-Phantastischen in der deutschen Romantik - die initiatorisch-erhabene bei Novalis, die ironisch-groteske bei E. T. A. Hoffmann.

Nelles' Studie ist solide und klug, vieles ist interessant, wenn auch nicht alles neu: das quasi soziologische Interesse, das der Roman an der Lektüre seiner Figuren nimmt, die zunehmende Selbstthematisierung des Romanerzählens durch Lektüre im Roman, die moralische Problematisierung des Lesens im Buch selbst, schließlich die Radikalisierung der "Selbstreflexion" des Buches in der Romantik. Mit Hoffmanns "Kater Murr", den man als Vorläufer der Postmoderne interpretieren kann, ist dann ein Punkt erreicht, der dem Autor einen ganz knappen Ausblick erlaubt, wie es mit der Zertrennung der Linearität des Erzählens und der Subvertierung der Buchform weitergehen wird.

Nelles konzentriert sich auf kanonische Texte der Anglistik und Germanistik. Die Studie "Imaginäre Bibliotheken - Bücherwelten in der Literatur" von Dietmar Rieger ist ehrgeiziger, sie greift - ihre Beispiele hauptsächlich aus den romanischen Literaturen schöpfend - weiter und tiefer in die europäische Literaturgeschichte aus und untersucht eine lange Reihe zum Teil weniger bekannter Texte, ja, es scheint zu ihrem Programm zu gehören, besonders instruktive Ergebnisse an relativ marginalen Beispielen zu gewinnen. (Es ist insofern besonders bedauerlich, daß der Autor, nachdem er suggestiv einen Comic zitiert hat, darauf verzichtet, die "Bücherwelten" der Trivialliteratur zu inspizieren - den Kriminalroman, der so gerne seine Leichen in der Bibliothek findet, oder die Horrorgeschichte à la Lovecraft, die in der Bibliothek einen Schreckensort entdeckt.)

Das Buch scheint auf den ersten Blick eine verwirrende Fülle zu präsentieren, doch hat es eine große gedankliche Stringenz. Der Autor hat schon 1982 mit der hervorragenden Studie "Diogenes als Lumpensammler. Materialien zu einer Gestalt der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts" seine Begabung für gleichzeitig ausschweifende und präzise Lektüre demonstriert. Auch in seinem neuen Buch sind die Beispiele klug gewählt - und mit solcher Akribie seziert, daß aus dem reichen Material eine Geschichte unserer Träume und Albträume von "Gedächtniskultur" hervorgeht. Rieger beginnt mit "Funktion und Ideal der Bibliothek im Mittelalter" und skizziert die Bedeutung der "widerspruchsfreien Bibliothek" für diese Epoche - ein Ideal, das zur Verbrennung und Zerstörung der häretischen Bücherbestände führt; das Kapitel, das auch einige wichtige Bildinterpretationen enthält, schließt mit der "Öffnung des Bücherschranks" bei Montaigne. Es folgt das Thema "Die utopische Bibliothek und die Bibliothek in der Utopie", eine hervorragende Analyse der Vorstellungen von einer Idealbibliothek (deren schwindelerregender Grenzfall natürlich wieder Borges' endlose Babel-Bibliothek ist). Während bei Morus und Rabelais die "lebendige" Bibliothek noch Teil des utopischen Entwurfs ist, zeigt sich in der Geschichte der utopischen Entwürfe früh eine terroristische Verachtung der Buchkultur.

Die Bibliothek zieht - obwohl man ihr ja immer wieder Klassifizierungsprogramme von wahnhafter Gründlichkeit gewidmet hat - in ihrer unabschaffbaren Unordnung und konkreten Fülle den totalitären Haß der absolutistischen wie radikalen Idealstaatsentwürfe auf sich. Das Kapitel schließt mit einer der bei Rieger zahlreichen kleinen Vignetten von großem philologischem Scharfsinn: der Bibliothek von Kapitän Nemo an Bord der "Nautilus". Das folgende Kapitel faßt eine Reihe von Einzelstudien zu Stendhal, Cervantes, de Vigny, Hugo unter dem Rubrum "Bibliotheken - Macht und Zerstörung" zusammen, dann folgen Untersuchungen zum Thema "Bibliothek und literarischer Kanon", die vor allem aus der italienischen Literatur von Manzoni bis Bassani und Duranti höchst aufschlußreiche Beispiele für programmatische Bibliotheksphantasien bringen, um dann als Gegenmodell die totale Bibliotheksskepsis von Pirandellos "Mattia Pascal" vorzuführen. Die "poetologische Bibliothek", die Bibliothek als Fundus einer verwandelnden Aneignung durch die Nachgeborenen, illustrieren Xavier de Maistre, Baudelaire, Hugo und - besonders liebevoll gezeichnet - Nerval. Das Schlußkapitel "Ich, Bibliothek und Wirklichkeit" geht von der Technik aus, eine Figur durch ihre Bibliothek zu charakterisieren. Es konfrontiert unter anderem die Bibliotheken eines "Parfümhändlers" und eines "Parfümgenießers" - Balzacs César Birotteau und Huysmans' Des Esseintes. Diese Analyse, ein Glanzstück des Buches, zeigt bei Birotteau den vollkommen toten und leeren Kanon und bei Huysmans' Ästheten die totale Materialisierung des Bibliothekskultus, eine andere Form der Leere, und damit zwei Formen der Stillegung von Lektüre.

Wenn man zu dieser großen Bücherpyramide noch ein Buch heranschleppen wollte, das ich bei Rieger nicht gefunden habe, müßte dies Giovanni Papinis großartiger autobiographischer Text "Un uomo finito" (1912) sein. Die Schilderung, wie der Halbwüchsige, zitternd vor Ungeduld, Einlaß in die große öffentliche Bibliothek seiner Vaterstadt sucht, wo man ihn zunächst seiner Jugend wegen abweist, wie er sich dann einschleicht und sich an den Büchern berauscht, wie er dem Wahn verfällt, die allesamt unvollkommenen verschiedenen Lexika und Nachschlagewerke der Bücherei durch eine von ihm selbst, dem Fünfzehnjährigen, zu schreibende Idealenzyklopädie zu ersetzen, die buchstäblich alles enthalten soll, was geschrieben steht, wie er sich dann mit den Flüssen namens "Aa" und der niederländischen Gelehrtendynastie van der Aa abmüht und schließlich bis zu "Ad-" vordringt, ist von einer ungeheuerlichen Tragikomik, die vielleicht unser ganzes komplexes Verhältnis zu den Bibliotheken in sich beschließt. "Mein ganzes Leben ist's so gewesen, auch später: ein ewiger Aufschwung zum Ganzen, zum Weltall, und dann fiel ich in das Nichts oder hinter einen Gartenzaun." Aber was Papinis Schilderung unmißverständlich auch zeigt, ist: wie glücklich er damals war.

Nun wäre nur noch zu fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, ein so schönes Buch wie Ralph-Rainer Wuthenows "Im Buch die Bücher oder Der Held als Leser" (1980) jener Bibliothek, welche die im Handel erhältlichen Bücher umfaßt, wieder hinzuzufügen?

Jürgen Nelles: "Bücher über Bücher". Das Medium Buch in Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2002. 331 S., br., 30,- [Euro].

Dietmar Rieger: "Imaginäre Bibliotheken". Bücherwelten in der Literatur. Verlag Wilhelm Fink, München 2002. 389 S., br., 46,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller führt vor, wie man ein akademisches Werk am besten nicht beginnen sollte. Sein Zitat des ersten Satzes aus dem Buch von dem Romanisten Dietmar Rieger spricht schon für sich: Man versteht nicht viel. Auch sonst erschließt sich dem Leser dieses Buch über Bibliotheken in der Literatur nur sehr schwer, stöhnt der Rezensent. Rieger setze umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse voraus, was für Müller auch nicht dazu beiträgt, die "Festigkeit des akademischen Rituals" für den Leser aufzubrechen. Bis auf das erste Kapitel, aus dem man Kenntnisse zur historischen Entwicklung der Bibliothek im Mittelalter gewinnen könne, leide der Band an "der Crux des stoff- und motivgeschichtlichen Ansatzes", der den Leser nicht an das Thema heranführe, sondern ihn außen vor lasse. Und dann ist Müller noch enttäuscht darüber, dass die für ihn interessantesten Dinge, wie etwa die Ansichten des "nachmaligen Bibliothekars Casanova" zu Gemeinsamkeiten von Büchern und Frauen, in die Fußnoten abgedrängt werden.

© Perlentaucher Medien GmbH