Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 14,50 €
  • Buch mit Leinen-Einband

"Hinter dem ebenso ehrgeizigen wie änigmatisch anmutenden Titel Das Wissen der Griechen versteckt sich nicht etwa eine erneute, eigentlich überflüssige Übersichtsdarstellung der griechischen Wissenschafts-, Religions- oder Philosophiegeschichte, sondern eine wissenschaftliche Leistung allerersten Ranges, deren neuartige Konzeption eine wahre Pioniertat für die Erschließung und Erklärung der griechischen Welt bedeutet.
Es geht den Herausgebern, die auf die Mitarbeit von über vierzig international ausgewiesenen Fachgelehrten zurückgreifen konnten, keineswegs darum, "die Gesamtheit dessen, was
…mehr

Produktbeschreibung
"Hinter dem ebenso ehrgeizigen wie änigmatisch anmutenden Titel Das Wissen der Griechen versteckt sich nicht etwa eine erneute, eigentlich überflüssige Übersichtsdarstellung der griechischen Wissenschafts-, Religions- oder Philosophiegeschichte, sondern eine wissenschaftliche Leistung allerersten Ranges, deren neuartige Konzeption eine wahre Pioniertat für die Erschließung und Erklärung der griechischen Welt bedeutet.

Es geht den Herausgebern, die auf die Mitarbeit von über vierzig international ausgewiesenen Fachgelehrten zurückgreifen konnten, keineswegs darum, "die Gesamtheit dessen, was die Griechen wußten oder zu wissen glaubten", zu resümieren, sondern darum, ausgehend von den "Produkten, Werken und Objekten" die "Prozesse, Handlungen und Methoden" zu rekonstruieren und zu deuten, die jene allererst ermöglichten. Die - durchaus zugestandene - zentrale Fiktion des Buches beruht demnach auf der Prämisse, daß es möglich ist, "den Griechen zuzuschauen, wie sie sich selbst zuschauen". Die Darstellung des Nachdenkens der Griechen über ihr eigenes Tun beansprucht das Primat über die Darstellung dieses Tuns selbst; fragmentarisch greifbare Selbstreflexivität wird in den Dienst der historischen Erkenntnis gestellt.

Daß ein solches Programm eigentlich nicht einzulösen ist, liegt auf der Hand; daß dennoch über weite Strecken hinweg eine Annäherung an das programmatische Ideal statthat, liegt nicht nur an der überragenden fachlichen Kompetenz beinahe aller Mitarbeiter, sondern auch - und das ist das eigentlich Neue - an einem wohldurchdachten Verweissystem zwischen den vier völlig unterschiedlich strukturierten Hauptteilen des Buches mit ihren zahlreichen, voneinander größtenteils unabhängigen, Unterkapiteln. Hier spielt das Prinzip der wechselseitigen Erhellung: Einzelne Aspekte werden teils mit analogen Phänomenen in Verbindung gebracht, teils in einen größeren politischen oder philosophischen Kontext eingebunden; übergreifende Synthesen dagegen werden durch den Hinweis auf Detailanalysen erläutert und plastisch ausgemalt. Auf diese Weise entsteht, trotz dem unübersehbaren und von den Herausgebern beabsichtigten Methodenpluralismus, ein Gesamtbild von erstaunlicher Homogenität, die Gemeinschaftswerken in der Regel nicht eignet. Das Wissen der Griechen ist ein Buch für Anfänger, Liebhaber und Spezialisten, das sich gleichermaßen zum Schmökern, zum Lesen und zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung eignet." Luc Deitz, Neue Zürcher Zeitung, zur französischen Originalausgabe

Aus dem Inhalt:
I. Philosophie
- Die Gestalt des Philosophen
- Weltbilder und Weltmodelle
- Mythos und Wissen
- Das Sein und die Regionen des Seins
- Die Erkenntnis
- Die Ethik
II. Politik
- Die Gestalt des Politikers
- Die Erfindung der Politik
- Utopie und Kritik der Politik
- Der Weise und die Politik
III. Forschung und Wissenschaft
- Orte und Schulen des Wissens
- Beobachtung und Forschung
- Der Beweis und die Idee der Wissenschaft
IV. Denker und Geistige Strömungen:
Anaxagoras, Archimedes, Aristoteles, Demokrit, Empedokles, Epikur, Euklid, Heraklit, Herodot, Hippokrates, Parmenides, Platon, Plotin, Plutarch, Polybios, Protagoras, Ptolemaios, Pyrrhon, Sokrates, Thukydides, Xenophon, Zenon von Elea, Akademie, Aristotelismus, Hellenismus und Christentum, Hellenismus und Judentum, Kynismus, Milesier, Platonismus, Pythagoreismus, Skeptizismus, Sophistik, Stoizismus,
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2001

Allwissend waren sie nicht
Doch Jacques Brunschwig und Geoffrey Lloyd ist viel von dem bewußt, was die Griechen wußten

Das große, dicke und schwere Buch über "Das Wissen der Griechen" nennt sich im Untertitel "Eine Enzyklopädie", in der französischen Originalausgabe "Dictionnaire critique", aber ein Nachschlagewerk ist es nicht. Was ist es dann? Es besteht aus vier Großkapiteln - Philosophie, Politik, Forschung und Wissenschaft, Denker und geistige Strömungen -, die ihrerseits in zahlreiche Unterkapitel unterteilt sind, an deren Ende jeweils außer einer Bibliographie auch Verweise auf andere Unterkapitel stehen. Viele Autoren haben mit Artikeln unterschiedlichen Charakters daran mitgearbeitet, wobei der Essay bei weitem überwiegt, so daß man am besten von einem nach Sachgruppen geordneten Sammelband spricht. Dessen Benutzbarkeit hängt dann davon ab, ob die einzelnen Kapitel aufeinander abgestimmt sind, ob man sich durch sie hindurch ein zusammenhängendes Bild erarbeiten kann und will.

Aber fragen wir zunächst einmal anders, nämlich nach der Absicht, die mit dem Buch verfolgt wird. Nicht soll es sozusagen die Inhalte dessen ausbreiten, was die Griechen erforscht und gewußt haben, sondern, weit ehrgeiziger, die Denkprozesse vorführen, durch die sie zu ihren Erkenntnissen gekommen sind. Es will den Akzent verlagern "von den Werken zum jeweiligen Tun", und es interessiert sich "in erster Linie" für die "typisch griechische Fähigkeit, Fragen zu stellen". Das ist eine gewichtige Aufgabenstellung, die für manche Gebiete der griechischen Geistesgeschichte durchaus neu ist und die heute, im Zuge des zunehmenden Erfolgs einer kulturwissenschaftlich konzipierten Geschichtsschreibung, besonderes Interesse für sich beanspruchen kann. Ist den Herausgebern die Verwirklichung ihres Konzepts gelungen? Teilweise ja, zu großen Teilen aber auch nicht, und diese Beurteilung will ausgeführt sein.

Der Grundmangel ist der, daß es an durchgängigen Kriterien fehlt, mit denen dieser Blick auf das Produzieren des Wissens geleitet werden soll. Noch am ehesten und hier ohne Frage glänzend gelingt das, sozusagen der Natur der Sache nach, in den philosophischen Kapiteln, die ohnehin den Schwerpunkt darstellen. Es dürfte kein Zufall sein, daß das Kapitel über die Erkenntnistheorie eines der längsten ist; freilich wird es von dem über die Ethik übertroffen, einem der eindringlichsten und, nun ja, informativsten. Es gibt nämlich zahlreiche weitere höchst informative Kapitel - denn darauf läuft es freilich in den meisten Fällen hinaus, daß eben doch die einfach und gut unterrichtenden Sachkapitel überwiegen, seien es die über die griechische Naturwissenschaft, sei es, um ein besonders gelungenes nun auch mit dem Namen des Autors herauszugreifen, das Plotin-Kapitel von Henry Blumenthal; andere, so das über Theologie und Divination, bleiben blaß. Man hätte im übrigen, gerade bei der spezifischen Konzeption des Bandes, erwarten können, nein, müssen, daß auch das zur Sprache kommt, was die Griechen nicht kannten, denn das hätte ja besonderen Aufschluß über ihr Denken gegeben. So brachten sie, ganz im Gegensatz zu den Römern, keine Rechtswissenschaft hervor, und diesem Fehlen methodisch nachzugehen hätte besonders aufschlußreich werden können.

Versuchen wir es noch einmal, jetzt anhand eines Beispiels, der Geschichtsschreibung. Im Vorwort wird programmatisch angekündigt, man werde nicht die Geschichte selber behandeln, "sondern die Berichte, in denen sie sich diese Geschichte selbst geschildert haben". Abgesehen davon, daß Claude Mossés Beitrag mit dem vielversprechenden Titel "Die Erfindung der Politik" doch eher auf eine Kurzfassung der politischen Geschichte hinausläuft, wird die Konzeption, die die Griechen von Geschichte hatten, reichlich lakonisch und sogar widersprüchlich vorgestellt. Heißt es bei Oswyn Murray, eine kritische Geschichtsschreibung habe es - nur - bei den Juden, den Chinesen und eben den Griechen gegeben, erwähnt François Hartog in seinem äußerst knappen Herodot-Artikel Chinesen und Juden überhaupt nicht und spricht sogar den Griechen die Rolle derjenigen ab, die zum erstenmal Geschichte schrieben, nun zugunsten altorientalischer Aufzeichnungen, ohne daß auch nur ein Gedanke daran verschwendet wird, was denn Geschichte sei. Da hilft auch das Bonmot nicht, daß die Griechen weniger die Historie als den Historiker erfunden hätten.

Eine Enzyklopädie in deutscher Sprache sollte sich, wenn schon nicht inhaltlich, so doch bibliographisch auf deutschsprachige Publikationen umstellen und sich zudem auf dem aktuellen Stand befinden. Beides ist nur unvollkommen gelungen. Als 1996 die französische Originalfassung erschien, konnte man Felix Jacobys monumentale Sammlung der Fragmente der griechischen Historiker allenfalls noch als unabgeschlossen zitieren und keine Notiz von den Vorarbeiten für deren Vollendung nehmen; die deutsche Übersetzung von 2001 sollte aber die 1998 erschienenen Fortsetzungsbände nicht verschweigen, die vor allem Guido Schepens zu verdanken sind. Ebenfalls befremdet es, ein wichtiges Werk von Joseph Vogt in der englischen Übersetzung, nicht aber in der deutschen Originalfassung zitiert zu sehen.

So fällt die Besprechung der ehrgeizigen Unternehmung unfroh aus, was auch den Beurteiler nicht freut, der das Buch mit großen Erwartungen zur Hand genommen hatte. Man stellt sich zum Abschluß eine dritte Frage, nämlich die nach dem Leser- oder Benutzerkreis, an den die Herausgeber wohl dachten. Eine einfache und solide Informationsquelle für Fachleute oder auch für Interessierte wollten sie nicht schaffen. Teilweise ist das aber, wenn wohl auch contre coeur, durch viele grundsolide Beiträge gelungen, und dafür muß man dankbar sein. Allerdings hätte dazu ein Register gehört, das sich nicht auf die Eigennamen beschränkt, und auch das zeigt, daß die Herausgeber mehr im Sinn hatten als etwas so Profanes wie ein Buch, in dem man auch nachschlagen kann. Angestrebt war ja eben eine Gesamtdarstellung des griechischen Wissens über das Wissen, und diese hätte sich doch wohl nur an Fachleute oder jedenfalls Vorgebildete wenden müssen. Dazu aber enthält das Buch zu viele Elementaria, und zumal fehlt ihm die einheitliche Konzeption - die dann durchaus revolutionär hätte sein können -, und erst recht die einheitliche Durchführung.

Natürlich aber halten wir, und das soll kein wohlfeil-versöhnlicher Schluß sein, ein in weiten Teilen kluges und kenntnisreiches Buch in Händen, und wenn wir in diesem Fall nicht so weit gehen wollen, daß in magnis voluisse sat sei, soll das als Kompliment verstanden werden: Das bloße Gewollthaben ist bei großen Vorhaben wie diesem zwar nicht genug, aber doch so verdienstvoll, daß das nur teilweise Gelingen Ansporn zu weiterer Tätigkeit sein könnte.

WOLFGANG SCHULLER

Jacques Brunschwig, Geoffrey Lloyd (Hrsg.): "Das Wissen der Griechen". Eine Enzyklopädie. Aus dem Französischen von Volker Breidecker, Konrad Honsel, Heinz Jatho, Michael von Killisch-Horn und Markus Sedlaczek. Wilhelm Fink Verlag, München 2001. 916 S., geb., 148,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Schuller sucht nach einer geeigneten Kategorie für dieses Buch: Ein Nachschlagewerk? Eine Enzyklopädie? Nein, ein "nach Sachgruppen geordneter Sammelband", den der Rezensent nur teilweise gelungen findet. Seiner Meinung nach will dieses Buch vor allem erklären, wie "die Griechen ... zu ihren Erkenntnissen gekommen sind". Doch dabei vermisst Schuller vor allem eine "einheitliche Konzeption". Außerdem findet er, dass gerade das, was die Griechen nicht wussten, "besonderen Aufschluss" über ihr Denken gebe: Der Rezensent weist hier auf das Fehlen der Rechtswissenschaften bei den Griechen hin. Auch die Geschichts-Konzeption der Griechen wird Schuller zu lakonisch und widersprüchlich vorgestellt. Schließlich sei das Werk nicht auf dem neuesten Stand, wichtige Werke aus den vergangen Jahren fehlen dem Rezensenten. Doch fand er auch "höchst informative Kapitel" und "grundsolide Beiträge", etwa über die griechische Ethik.

© Perlentaucher Medien GmbH