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Die Jahre von 1969 bis 1972 stellen in der Rückschau eine der dramatischsten Phasen in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Das Ringen um die von Willy Brandt und Walter Scheel eingeleitete neue Ostpolitik bedeutete für Politik und Öffentlichkeit eine Zerreißprobe. Der Auswärtige Ausschuss war dabei in einer zentralen Position - als wesentliches Forum der internen Auseinandersetzung zwischen der SPD/FDP-Koalition und der CDU/CSU-Opposition. Zu den weiteren Themen auf der Tagesordnung des Ausschusses gehörten europäische Fragen sowie die Krise des Weltwährungssystems.

Produktbeschreibung
Die Jahre von 1969 bis 1972 stellen in der Rückschau eine der dramatischsten Phasen in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Das Ringen um die von Willy Brandt und Walter Scheel eingeleitete neue Ostpolitik bedeutete für Politik und Öffentlichkeit eine Zerreißprobe. Der Auswärtige Ausschuss war dabei in einer zentralen Position - als wesentliches Forum der internen Auseinandersetzung zwischen der SPD/FDP-Koalition und der CDU/CSU-Opposition. Zu den weiteren Themen auf der Tagesordnung des Ausschusses gehörten europäische Fragen sowie die Krise des Weltwährungssystems.
Autorenporträt
Joachim Wintzer, geb. 1967 in Göttingen, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2008

Alles drehte sich um die Ostpolitik
Aufwendig ediert: Protokolle der 66 Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses aus den Jahren 1969 bis 1972

Hauptthema der Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses in der 6. Wahlperiode war der ganze Komplex der Ost- und Deutschlandpolitik. Von den insgesamt 4200 Seiten der Niederschriften des Stenographischen Dienstes des Deutschen Bundestages handeln rund 3000 Seiten davon. Bei der jetzt erfolgten Edition durch die "Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien" ist an diesen Originaltexten nur relativ wenig gekürzt oder zusammengefasst worden. Bei Tagesordnungspunkten, die nach Ansicht der Bearbeiter eine - historisch betrachtet - zweitrangige Bedeutung hatten, beließ man es bei Kurz- oder Zusammenfassungen, die alles Wesentliche enthalten. Dies betrifft unter anderem die Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft, aber auch einen so komplizierten Vorgang wie die von der Regierung Brandt/Scheel geleistete Unterschrift unter den sogenannten "Nichtverbreitungsvertrag" der Kern- oder Atomwaffen. Für Benutzer der Edition, die an der vollständigen Überlieferung der 66 Sitzungen aus den Jahren 1969 bis 1972 interessiert sind, liegt eine CD-Rom bei.

Wolfgang Hölscher, einer der fünf Bearbeiter, erläutert in einer umfassenden Einleitung die wichtigsten Teile der fast immer kontroversen Debatten. Das hilft dem Leser sehr. Hin und wieder wäre jedoch eine etwas vertiefte Betrachtung der bundesrepublikanischen Anfänge nützlich gewesen. Das betrifft beispielsweise die Ursprünge der sogenannten "sozialliberalen Ostpolitik". An einer Stelle verweist Hölscher darauf, dass Egon Bahr - nach 1969 Staatssekretär im Kanzleramt - der "Architekt und Vordenker" dieser Vertragspolitik gewesen sei. Eine solche Charakterisierung ist seit langem allgemein üblich. Bei genauerer Prüfung ist es jedoch nur eine Teilwahrheit. Man schmälert die Verdienste Bahrs kaum, wenn man ihn nicht nur einen "Vordenker" nennt, sondern ihn auch unter die erfolgreichen "Nachdenker" einreiht.

Der Grundgedanke der Ostpolitik, wie sie seit Oktober 1969 von der von SPD und FDP geführten Bundesregierung praktiziert wurde, stammt bereits aus den frühen fünfziger Jahren. Damals machte sich Karl-Georg Pfleiderer Gedanken über die Überwindung der für uns Deutsche so gefahrvollen Ost-West-Konfrontation. Pfleiderers Mahnung, die Bonner Bundesregierung sollte im Verhältnis zur Sowjetunion auf eine Art "geregeltes Nebeneinander" hinarbeiten, um so dem Frieden in Europa und der Welt zu dienen, fand im Sommer 1952 nur ganz wenig Echo. Es hat Jahre gedauert, bis dann der Sputnik-Schock und das amerikanisch-sowjetische atomare Gleichgewicht in Bonn, aber auch in Washington zu einer Neubewertung der weltpolitischen Situation führten.

Der große Donnerschlag kam am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Sechs Monate nach diesem, viele Politiker irritierenden Ereignis erschien in der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Aufsatz von Golo Mann, der eine Ost-West-Politik des friedlichen Nebeneinanders empfahl. Dieser Beitrag gab den Anstoß für eine Denkschrift zur "schwierigen Lage der Nation", die Wolfgang Schollwer, außen- und deutschlandpolitischer Referent in der FDP-Bundesgeschäftsstelle, verfasste. Es war das Plädoyer für eine modus-vivendi-Politik, die im Ansatz schon Pfleiderer angeregt hatte.

Erinnert werden darf aber auch, wenn man die Vorgeschichte der Ostverträge sowie des deutsch-deutschen Abkommens und des Berlin-Abkommens der vier Mächte betrachtet, an ein wichtiges Ereignis aus der kurzen Regierungszeit Ludwig Erhards (1963 bis 1966). Damals war der CDU-Politiker Gerhard Schröder (nicht zu verwechseln mit dem sozialdemokratischen Regierungschef gleichen Namens) Bundesminister des Auswärtigen. Er ließ die sogenannte "Friedensnote" entwerfen. Als Autor dieses Dokuments gilt der Diplomat Erwin Wickert. Von dieser "Friedensnote" lässt sich eine Verbindung zur Regierungserklärung Brandts im Oktober 1969 herstellen.

Hölscher betont in seiner Einleitung, dass sich der ehemalige Außenminister Schröder in der 6. Wahlperiode als Ausschuss-Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses trotz seiner Zugehörigkeit zur CDU stets und erfolgreich um ein korrektes Verhalten - auch gegenüber den Vertretern der sozialliberalen Koalition - bemüht habe. Diese Bemerkung erstaunt insofern, als korrektes Verhalten für einen Ausschuss-Vorsitzenden zu den Selbstverständlichkeiten in einem demokratischen Parlament gehört.

Im April 1972, kurz vor den abschließenden Diskussionen über das deutsch-sowjetische Gewaltverzichtsabkommen, erhielten Oppositionspolitiker und Angehörige der sozialliberalen Regierungskoalition noch eine nicht erwartete Information aus der Phase der Großen Koalition von 1966 bis 1969. Der Sozialdemokrat Hans-Jürgen Wischnewski wies den Ausschuss in Frageform darauf hin, dass der seinerzeitige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) selbst schon im April 1967 einen Beamten des Bundespresseamtes beim ZK der KPdSU in Moskau sondieren ließ, welche Verhandlungsmöglichkeiten über einige Kernfragen der westdeutsch-sowjetischen Beziehungen denkbar seien. Weder Brandt - damals Außenminister der CDU/CSU-SPD-Regierung - noch die Botschaft der Bundesrepublik in Moskau wurden über diese Initiative informiert. Kiesinger konnte sich auf seinen Beauftragten, den späteren Botschafter Hans Schirmer, verlassen. Beide kannten sich aus Wilhelmstraßen-Zeiten, als sie in der Rundfunkpolitischen Abteilung des alten Auswärtigen Amts tätig gewesen waren.

KARL MOERSCH

Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages 1969-1972. Herausgegeben von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Eingeleitet von Wolfgang Hölscher. Bearbeitet von Joachim Winzer und Wolfgang Hölscher unter Mitwirkung von Benedikt Wintgens, Stephanie Urbach und Gaby Sonnabend. Zwei Bände und eine CD-Rom. Droste Verlag, Düsseldorf 2007. 1783 S., 180,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr zufrieden ist Karl Moersch mit dieser "aufwändigen" Edition der Protokolle des Auswärtigen Ausschusses aus den Jahren 1969 bis 1972. Die 66 Protokolle dokumentieren für ihn eingehend das Hauptthema der Sitzungen: die Ostpolitik. Er hebt hervor, dass Originaltexte kaum gekürzt wurden und dass die vollständigen Texte zudem auf der beigefügten CD-Rom zu finden sind. Mit Lob bedenkt er die gründliche Einleitung Wolfgang Hölschers, der die zentralen Teile der Debatten erläutert. Im allgemeinen findet Moersch diese Einleitung höchst hilfreich. Nur hätte er sich hier und da eine "vertiefte Betrachtung" der bundesrepublikanischen Anfänge gewünscht. So zeigt er etwa im Blick auf die Einschätzung Egon Bahrs als "Vordenker" der Ostpolitik, dass dieser sich hier tatsächlich auf verschiedene andere Politiker bezogen hatte, die die Grundgedanken der Ostpolitik vorbereitet hatten.

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