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Produktdetails
  • Verlag: Springer, Basel
  • Seitenzahl: 195
  • Englisch
  • Abmessung: 320mm
  • Gewicht: 1054g
  • ISBN-13: 9783764361303
  • ISBN-10: 3764361301
  • Artikelnr.: 08594424
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2001

Up, up and away
Zwei Wolkenkratzerbücher schweigen über die interessanten Fragen

Hochhäuser sind nicht zu übersehen; das liegt in der Sache. Die Faszination, die sie ausüben, erschöpft sich nicht in ihrem Nutzen. In den historischen Städten waren es die Kathedralen und Rathäuser, die Belfriede, Campanile und Kuppeln, die Stadtburgen, Kommunalpaläste, Kornhäuser, Geschlechtertürme und Torbauten, die das Bild der Stadt dominierten. Heute sind es nicht mehr die Architekturzeichen der Gemeinsamkeit, sondern die privaten Firmensitze, die unseren überbordenden Städten senkrechte Dominanten geben. Sie sind alles, was wir haben. Nur die Kathedralen des Kommerzes verleihen den Städten noch ihr weithin sichtbares Profil.

Hochhäuser gedeihen, wo die Grundstücke teuer sind. Erst stolze Bodenpreise machen es rentabel, hoch und also kostspielig zu bauen. Andererseits treiben Hochbauten die Bodenpreise der Nachbarschaft nach oben und bedingen ihrerseits weitere Hochhäuser. Ein Hochhaus kommt selten allein. Zu den Orten, an denen sie sich scharen, gehören mehr und mehr die Megalopolen außerhalb der westlichen Welt, in Südostasien, Südamerika, in den Emiraten. Für Pudong oder Pulau Pinang entstehen unkonventionellere Entwürfe als für die klassischen Standorte des Hochhauses. Manchmal hängen solche Neigungen zur Originalität mit dem Wunsch zusammen, diesen Produkten westlicher Technologie einen Touch lokaler Tradition mitzugeben. Meist liegt es an läßlicheren Bauvorschriften und größerer Risikobereitschaft der Bauherren.

Als Großprojekte mit enormem Finanzierungsbedarf sind Hochhäuser konjunkturabhängiger als andere Bauaufgaben. Den beiden neuen, katalogartigen Büchern zum Thema läßt sich entnehmen, wie schwankend Angebot und Nachfrage im letzten Jahrhundert verliefen. Die Weltwirtschaftskrise von 1929, die Kriegsjahre oder der nordamerikanische Konjunktureinbruch in den späten achtziger Jahren wirkten sich ebenso aus wie die Ostasien-Krise in den Neunzigern. Wer sich unter den global players der Architekturszene behaupten will, muß seine Aufträge weltweit akquirieren. Es gab Jahre, in denen die großen Chicagoer Architekturbüros an Modellen für Potsdamer Platz und Nanjing Road bastelten, nur nicht für Michigan Avenue gleich um die Ecke. Die Skyline der Hochhäuser gleicht den Kurven der Börsenkurse.

Beide Neuerscheinungen, aus unterschiedlichen Verlagen stammend, tragen denselben Titel: "Skyscrapers". Gab es dafür nicht einst ein hübsches deutsches Wort? Aber Wolken werden bei Prestel und Birkhäuser nicht mehr gekratzt. Sie publizieren diese Bände ganz und gar in Englisch - Prestel, weil seine Publikation zugleich als Begleitbuch einer Ausstellung im Art Institute of Chicago dient, und Birkhäuser - ja, warum eigentlich? Entstanden ist der Birkhäuser-Band jedenfalls im Zusammenhang eines Entwurfsseminars an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. In deutscher Sprache ist nur noch der Waschzettel gehalten.

Zusammengerechnet tragen beide Bücher Informationen über fast 150 Hochhäuser zusammen, wobei sich die Bände nur in wenigen Fällen überschneiden. Denn Birkhäuser-Autor Mario Campi hat seine Beispiele aus den letzten hundert Jahren gewählt, während der Prestel-Band mit dem neuen Jahrtausend renommiert. Aber weil selbst im gegenwärtigen Hochhaus-Boom seit dem 1. Januar noch nicht genügend viele Exemplare emporgeschossen sind, um ein Buch zu füllen, handelt es sich bei genauerer Betrachtung ums vergangene Jahrfünft. So schnell ist das zwanzigste Jahrhundert noch nicht abgehakt.

Welches Lesepublikum angesprochen werden soll, wird bei Campi, Professor in Zürich, nicht deutlich. Die bauende Kollegenschaft kann es nicht sein. Mit je einer Doppelseite pro Projekt wäre sie nicht ausreichend bedient. Andererseits verzichten die Texte zu den Bauten - nach jeweils gleichem Schema aufgebaut - auf alles, was statische Gebilde für ein größeres Publikum zu dynamischen Geschichten machen könnte: historische Voraussetzungen, Konflikte, Entwurfsalternativen, handelnde Personen, Erfolge oder Mißerfolge, Nutzungsgeschichte, Resonanz. Die Kommentare sind so grau wie die Abbildungen. Dagegen bieten John Zukowsky und Martha Thome, die Herausgeber bei Prestel, in ihrem ganz ähnlich aufgebauten Opus - zwei Seiten pro Projekt und knappe Einleitung - den Lesern wenigstens Farbe, in den Bildern wie auch im lesbar geschriebenen Text. Grundrisse und Schnitte gibt es hier noch weniger als bei Campi. Jeder der Verfasser scheint sich eher auf die Zunge gebissen als ein kritisches Wort riskiert zu haben.

Sowenig wie das Zielpublikum werden die Absichten der Autoren deutlich, es sei denn: möglichst viele Exemplare der Gattung vorzuführen. Zukowsky und Thome entwickeln in ihrem Band ein merkwürdiges Faible für Höhenrekorde. Diese Leidenschaft wird von einer Institution genährt, dem "Council on Tall Buildings", die über die Kriterien solcher Konkurrenzen entscheidet. Denn der höchste Turm, so erfährt man, muß nicht der allerhöchste sein. Berücksichtigt werden Konstruktionshöhe, Höhe des obersten voll nutzbaren Geschosses, Dach- oder Antennenhöhe. In der ersten Gruppe nehmen die Petronas Towers in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur mit 450 Metern die Spitze ein. In den drei anderen Kategorien können Chicago und New York, über viele Jahrzehnte die Rekordhalter, sich vorläufig noch mit Sears Tower und World Trade Center trösten.

"Die so hoch ihre Steine geschichtet haben, daß sie alles überragten, betrachteten von ihrer Höhe sorgenvoll die Neubauten, die eben aus dem Boden wuchsen", dichtete Bert Brecht um 1930, als sich in New York Chrysler Building und Empire State Building ihr Höhenduell lieferten. Daß Prestigegründe immer schon den Hochhausbau motivierten, steht außer Frage. Die schieren Abmessungen zählten noch mehr als Form und Dekor. Wäre es anders, hätte auch die Deutsche Post sich mit dem vorhandenen Bundespostministerium in Bonn begnügt, statt in die Rheinaue einen (zugegebenermaßen wohldesignten) Turm zu pflanzen, der ihre Potenz der internationalen Aufmerksamkeit empfiehlt - und die Stadtsilhouette kaputtmacht.

Aber müssen solch törichte Kampfregeln auch neutralen Autoren imponieren? Was die himmelan strebenden Giganten an Flächenersparnis leisten, an Konzentration und Dichte, an Fernorientierung und Imagepflege und manchmal auch an hinreißender Präsenz, und was sie kosten, an Infrastruktur, Grundrißzwängen, Verdrängung von Nachbarschaften, kleinklimatischen Beeinträchtigungen, erhöhtem Unterhaltungsaufwand - das wäre das interessantere Thema gewesen. Es hätte mehr als nur beiläufige Erwähnungen verdient.

Denn in den letzten Jahren hat sich im Hochhausbau viel verändert: durch weiterentwickelte Materialien wie in der sensationell verbesserten Glasherstellung, durch perfektionierte Konstruktionsweisen, die Hoch- und Höchsthäuser auch in erdbebengefährdeten Weltgegenden zulassen, durch Erfindungen in Transport- und Steuerungstechnik. Vor allem hat der Anspruch, umweltverträglichere, "grüne", "nachhaltige" Wolkenkratzer zu entwerfen, Gestalt und Organisation der Giganten verändert. Mit vielstöckigen "Skylobbies" wurden Wintergärten als Klimapuffer eingeführt. Mehrschalige Fassaden, natürlicher Wärme- und Kältefluß, individuell zu öffnende Fenster, zonierte Klimaregulierung, auch Maßnahmen der aktiven Energiegewinnung wie Photovoltaik oder sogar Windturbinen helfen, den Verbrauch dieser Energiefresser zu senken. Am nachhaltigsten wäre es allerdings immer noch, überhaupt keine Hochhäuser zu bauen.

WOLFGANG PEHNT.

Mario Campi: "Skyscrapers". An Architectural Type of Modern Urbanism. Birkhäuser Verlag, Basel 2000. 196 Seiten, 900 S/W-Abb., br., 78 DM.

John Zukowsky, Martha Thome (Hrsg.): "Skyscrapers". The New Millennium. Prestel Verlag, München 2000. 144 S., 240 Farb- und S/W-Abb., geb., 78 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Pehnt bespricht zwei Bücher, die die Architektur von Hochhäusern zum Thema haben und beide auf Englisch publiziert worden sind. Er stellt fest, dass sie sich trotz des gleichen Titels inhaltlich kaum überschneiden.
1) Mario Campi: "