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Paris, Anfang der 50er Jahre - im Strom der Passanten auf der Rue de Rivoli küsst sich ein junges Paar. Diese Szene wird zu einer der berühmtesten Fotografien des 20. Jahrhunderts und weltweit Symbol für die Stadt der Liebe. Nur wenig später beginnt im besetzten Algerien ein Krieg, in dem die Grande Nation bis 1962 eine ganze Generation junger Männer verheizt. In Adieu Paris kehren drei Soldaten über Weihnachten aus diesem Krieg für ein paar Tage auf Urlaub nach Paris zurück. Zunächst geht jeder seiner Wege, doch schon bald sind sie wieder vereint. Mit Familie und Freunden können sie das…mehr

Produktbeschreibung
Paris, Anfang der 50er Jahre - im Strom der Passanten auf der Rue de Rivoli küsst sich ein junges Paar. Diese Szene wird zu einer der berühmtesten Fotografien des 20. Jahrhunderts und weltweit Symbol für die Stadt der Liebe. Nur wenig später beginnt im besetzten Algerien ein Krieg, in dem die Grande Nation bis 1962 eine ganze Generation junger Männer verheizt. In Adieu Paris kehren drei Soldaten über Weihnachten aus diesem Krieg für ein paar Tage auf Urlaub nach Paris zurück. Zunächst geht jeder seiner Wege, doch schon bald sind sie wieder vereint. Mit Familie und Freunden können sie das Erlebte nicht teilen, fremd und fern erscheint ihnen die eigene Stadt. In den Cafés am berühmten Rive Gauche schlagen sie sich die Nächte um die Ohren, suchen fieberhaft nach einer Möglichkeit, dem Schicksal des Krieges zu entgehen - und fügen sich am Ende doch, da niemand von ihrer Bedrängnis Notiz nimmt.
Autorenporträt
Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, lebt nach Aufenthalten in Bukarest und Paris als freie Autorin in Potsdam. Für ihr von der Kritik hoch gelobtes Erzähldebüt »Der Körper des Salamanders« wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderen dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises und des Annette-von-Droste-Hülshoff-Preises. Für ihre Übersetzung von Georges Hyvernauds "La peau et les os" erhielt sie 2010 den André-Gide-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2015

Zu Hause gestrandet
Wiederentdeckt: Daniel Anselmes Roman über den Algerienkrieg
Heimkehrerromane sind nicht nur ein historisches Genre. Sie haben Ableger bis in die Gegenwart, sofern die heute aus Afghanistan oder aus dem Irak Heimkehrenden nicht gleich in psychologische Verwahrung genommen werden. Der hier erstmals auf Deutsch übersetzte Roman von Daniel Anselme ist ein besonderes Beispiel dieser Gattung. Die drei Helden kommen aus einem Krieg nach Hause, der offiziell gar keiner ist und in den sie am Ende auch wieder zurückmüssen. Sie waren nur auf Urlaub in einem Paris, das von der Realität des Algerienkriegs nichts wissen will.
  Der 1927 geborene Autor, mit zivilem Namen Daniel Rabinovitch, ist heute kaum mehr bekannt und sein 1957 unter dem Originaltitel „La Permission“ (Fronturlaub) erschienener Roman so gut wie vergessen. Zu Unrecht. Denn man taucht mit ihm in die Gefühlslage eines Frankreich ein, das im fahlen Schwarz-Weiß-Licht aus wiedergefundener Normalität, zurückgewonnenem Selbstbewusstsein und Konsum-Euphorie zwischen Montparnasse und Champs-Élysées der Erinnerung des Zweiten Weltkriegs entrinnen und der Ahnung vom Bröckeln der Kolonialmacht entfliehen will. Die drei jungen Männer, die da zu Beginn des Romans im Zug aus dem sonnigen Süden durch neblige Landschaften rollen – „eine Wohltat, mal wieder ein richtiges Sauwetter zu sehen“, schwärmt einer – und in Paris dann mit ihren Erlebnissen wie gestrandete Fische nach Mitgefühl schnappen, sie sind in der bis heute spärlichen Algerienkriegsliteratur ziemlich einsam geblieben.
  Anselme lässt sie in einer filmisch aufgemachten Szenenkaskade mit erstaunlichen Detailzooms mal auf die Hell-Dunkel-Kontraste in der Kneipe, mal auf eine blasse Hand auf dem Tischtuch durch den Pariser Alltag stolpern. Jeder sucht auf seine Weise mit der allgemeinen Gleichgültigkeit für ihre Geschichten fertigzuwerden, der eine durch Frauenaffären, der andere dank der kommunistischen Überzeugung in seiner Familie, der dritte durch Zufallsbegegnungen in den Bars des Pariser Nachtlebens. Doch bald sitzen sie schon wieder beisammen, weil sie einander selber die besten Zuhörer sind, und am Schluss besteigen sie auch gemeinsam wieder den Zug, der sie zurückbringt in den Krieg.
  „Warum habt ihr uns gehen und die Züge abfahren lassen?“ – bricht es beim Mittagessen in der Familie einmal aus einem der dreien hervor. Die wackeren Kommunisten in der Tischrunde sind alle gegen diesen Krieg, kommen jedoch über Erklärungen und Petitionen nicht hinaus. Anselme versteht es, die Kriegsgegnerschaft nicht mit Thesen, sondern mit Bildern herüberzubringen. Der Veteran aus dem Ersten Weltkrieg, der schon bei der Fahrt nach Paris den Mitreisenden im Zugabteil auf der Klinge seines Taschenmessers Kalbsroulade herumreicht – „Das Messer ist die Gabel der Soldaten“ – und vom „unsterblichen Frankreich“ faselt, lässt den grobschlächtigen Patriotismus jener Jahre spürbar werden. „Ich gebe dir ein Schlafmittel“, ermutigt dann etwas feinfühliger der Freund von einem der Kameraden, ein Arzt, den Verzagten vor der Rückfahrt: Die sechs Monate bis zur Entlassung aus dem Wehrdienst würden schnell um sein. Und wenn in der Nacht vor der Abfahrt alle drei im Hotelzimmer beim Rum-Trinken die Zigarettenasche über der zerknitterten Uniform am Boden abklopfen, ist das die kurze Heiterkeit der Resignierten. „Da liegt unsere Jugend! Unsere Jugend, die futsch ist“, lallen sie unter polterndem Gelächter.
  Das Erscheinungsjahr dieses Romans, drei Jahre nach Beginn, fünf Jahre vor dem Ende des Algerienkriegs, machte aus dem Buch mehr ein Generationen- als ein Antikriegswerk. Es ist in „einer gewissen Unschuld geschrieben“, wie die Übersetzerin in ihrem Nachwort richtig anmerkt: Von den Folterungen, Pauschalhinrichtungen und sonstigen Gräueln in Algerien war damals noch wenig bekannt. Das macht das Buch nicht weniger interessant. Daniel Anselme, der mehr als Journalist und Reporter denn als Romanautor in Erscheinung trat, versteht sich auf die signifikante Beschreibung von Situationen und Szenen. Darin liegen aber auch die Schwächen dieses Romans. Die Kapitelabfolge rollt ohne innere Spannung ab, und die direkte Rede verliert sich oft im Belanglosen.
  Julia Schoch versucht das mit einer sehr aufgekratzten deutschen Übersetzung zu kaschieren – und schießt damit manchmal übers Ziel hinaus. Das Flair von Paris in den Fünfzigerjahren, das die Titelwahl nach dem Chanson „Adieu Paris“ von Berthe Sylva zusätzlich betont, wird durch den kernigen Sound der heutigen Umgangssprache ständig konterkariert. Ein etwas verhaltener Klang ohne schmissige „Oh-Mann!“- und „Wer-ist’n-der?“-Floskeln wäre da vorzuziehen gewesen. Was keineswegs ein Grund ist, sich diese Entdeckung entgehen zu lassen.
JOSEPH HANIMANN
Daniel Anselme: Adieu Paris. Roman. Aus dem Französischen von Julia Schoch. Arche Literaturverlag, Zürich und Hamburg 2015. 208 Seiten, 18 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Gruppenbild mit Notre Dame: Männlicher Straßenkreuzer im Paris der Fünfzigerjahre.
Foto: Vecchio/Three Lions/Getty Images
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Cornelia Geissler betont die ungebrochene Aktualität des Antikriegsromans von Daniel Anselme, der zur Zeit des Algerienkrieges spielt und von den Leiden dreier Kriegsurlauber im sorglosen Paris berichtet. Auch wenn Krieghandlungen im Buch nicht vorkommen, sind sie für die Rezensentin präsent, weil sie die Seelen der Protagonisten beeinträchtigen und ihre Stimmung beeinflussen. Den jeweils unterschiedlichen Umgang damit schildert der Autor laut Rezensentin mitunter kammerspielartig, aber immer kraftvoll, atmosphärisch stark und mitreißend, schreibt sie.

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